Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 59 Babenhausen, Evangelische Kirche 1473

Beschreibung

Grabplatte des Johannes von Hanau-Lichtenberg. Die Platte aus rotem Sandstein liegt im Chor links neben dem Hauptaltar. Die Inschrift läuft auf Metalleisten um, die auf dem Stein befestigt sind. Als Worttrenner werden Rauten verwendet. Im Feld ist ein metallenes Vollwappen angebracht.

Maße: H. 170, B. 91, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/1]

  1. A(nn)oa) do(mini)a) mo · cccc · lxxiii · off · samstag · / nach · sant · Ioh(anni)s · tag · als · er · entheubet · vart1) · ist · gestarben · der · edel / · Iohan · der · ein · son · gevesen · ist · / des · wolgeborn · philipsen · gravfen · zv · hanauve · des · eltern · got · gnede(n)

Datum: 4. September 1473.

Wappen:
Hanau.

Kommentar

Das vom pseudounzialen A der gotischen Majuskel abgeleitete A in Anno ist mit einer verdoppelten rechten Haste gebildet.2) Die versalen I gehen ebenfalls auf die gotische Majuskel zurück. Die unregelmäßig in der Zeile stehenden Minuskeln zeigen unterschiedlich hohe Buchstaben. So sind e und f etwas kleiner als die übrigen Buchstaben, und die Höhe von langem s schwankt. Der senkrechte Teil des gebrochenen unteren Bogens des a ist kurz. Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens ist weit ausgezogen und wird bis zur Haste zurückgeführt. Auffällig ist auch das völlig geschlossene g mit seiner dreifach gebrochenen Unterlänge.

Die Grabplatte des Johannes ist die erste Platte in der Babenhausener Kirche, deren Inschrift und Wappen aus Metall gefertigt wurden. In derselben Weise sind alle noch vorhandenen Grabplatten der gräflichen Familie ausgeführt worden mit Ausnahme jener des Diether von Hanau-Lichtenberg.3) Nach Max Herchenröder entstammen die Platten einer Nürnberger Gießerwerkstatt, wofür er allerdings einen Beleg schuldig blieb.4) Gegen die Annahme Herchenröders sprechen folgende Beobachtungen: Die Anordnung der über Eck aneinandergelegten Schriftleisten entspricht nicht den Nürnberger Arbeiten, die Eckmedaillons oder -wappen besitzen. Zudem bestehen die Leisten hier aus acht kurzen Stücken, was bei zeitgleichen Nürnberger Arbeiten ebenfalls nicht üblich ist. Die unregelmäßig in der Zeile stehenden Buchstaben zeigen die Eigenart von Model- oder Schablonenschriften und weisen auf einen Glocken- oder Stückgießer hin.5)

Johannes wurde 1460 als Sohn des Grafen Philipp I. von Hanau und der Anna von Lichtenberg geboren.6) Die Platte trägt das unvermehrte Hanauer Wappen, da Philipp I. die Erbschaft der Herrschaft Lichtenberg erst 1480 antrat.7) Philipp ließ im Jahr 1475 auch ein Epitaph für Johannes errichten.8)

Textkritischer Apparat

  1. o klein und hochgestellt.

Anmerkungen

  1. Herchenröder/Rock 47, Nr. 7 und 50 geben an, Johannes sei enthauptet worden. Es handelt sich jedoch um ein Mißverständnis der Datierungsformel. Johannes starb am Samstag nach dem Fest der Enthauptung Johannes des Täufers.
  2. Ein ähnliches A zeigt Nr. 61.
  3. Vgl. Nr. 62.
  4. Herchenröder 28; so auch Herchenröder/Rock 50.
  5. Für diese Informationen danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Peter Zahn, Berlin.
  6. Europ. Stammtafeln NF 16, Taf. 161; zu seinen Eltern vgl. Nrr. 61, 72.
  7. Spieß, Familie 223 mit Anm. 110 und 111.
  8. Vgl. Nr. 66.

Nachweise

  1. Blum, Stadtkirche 360.
  2. Steiner, Bachgau III 137.
  3. Müller, Stadtkirche I 16.
  4. Herchenröder, Kdm. 28.
  5. Herchenröder/Rock, Führer 47.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 59 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0005906.