Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)

Nr. 52 Groß-Umstadt, Evangelische Kirche um 1470

Beschreibung

Wandmalereiinschriften und Heiligendarstellungen innen an der Nordwand der Sakristei. Links ist der Apostel Matthias dargestellt, der in der rechten Hand sein Attribut, das Beil, als Zeichen seines Märtyrertodes durch Enthauptung hält. Das bartlose, jugendliche Gesicht ist von einem Nimbus umgeben. Über ihm ist ein Spruchband mit dem Bibelzitat (A) aufgemalt. Rechts von dem Apostel steht vor einem Altar ein Bischof in liturgischem Gewand und Mitra, dessen erhobene Hände eine Hostie halten und dessen Kopf ebenfalls einen Nimbus trägt. Auf dem Altar liegt das aufgeschlagene Missale, in dem die Einsetzungsworte der heiligen Eucharistie zu lesen sind (B). Außerdem sind auf dem Altar ein Kelch, eine Schale und eine Mitra zu sehen. Rechts von dem Bischof verläuft ein Schriftband mit Inschrift (C), deren Buchstaben stark verblaßt sind. Zu Füßen des Bischofs ist der ebenfalls kaum zu lesende Name (D) aufgemalt. Links unten am Rande der Malerei befindet sich eine weitere Inschrift (E). Die Buchstaben sind stets mit schwarzer Farbe aufgemalt. Die Inschriften haben stark unter der Restaurierung gelitten, bei der viele Buchstaben fehlerhaft ergänzt oder nachgezogen worden sind. Inschrift (E) ist offensichtlich nach einer Vorlage völlig neu gemalt worden, da sie sich auf dem bei der Restaurierung wiederaufgetragenen Putz befindet.

Maße: Bu. 3,2 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz (Thomas G. Tempel) [1/6]

  1. A

    [cec]idit sors sup(er) mathiam et / an(n)umeratus est cv(m) undeci(m) ap(osto)lis1)

  2. B

    [a]cipi/[te] et / man/ducate / [e]x hoc / om(n)es / hoc est / eni[m]2)

  3. C

    [. . .]disa) misteria [...]ch[..]s dis[....] // preditus est celesti lumine

  4. D

    s(anctvs) [. . .]us

  5. E

    hii su(n)t sex patroni

Übersetzung:

(A) Das Los fiel auf Matthias, und er ist zu den elf Aposteln hinzugezählt worden.

(B) Nehmt und eßt alle davon. Denn dies ist (mein Leib).

(C) ... er ist mit dem himmlischen Licht versehen.

(E) Dies sind die sechs Patrone.

Kommentar

Die Sakristei wurde gleichzeitig mit dem Chorneubau kurz nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begonnen und wohl auch zusammen mit dem Chor zwischen 1460 und 1470 oder nur unwesentlich später fertiggestellt.3) Dazu paßt die von der Forschung vorgeschlagene Datierung der Wandmalereien der Sakristei in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts.4) Die stark beschädigten und bei der Restaurierung weiter verunstalteten Minuskeln lassen keine genauere Einordnung zu.

Die heute noch in der Sakristei sichtbaren Darstellungen von drei Heiligen sprechen dafür, daß die erneuerte Inschrift (E) auf eine reale Vorlage zurückgeht. Möglicherweise waren auf den beiden übrigen Wänden noch drei weitere Heiligenbilder vorhanden. Der Apostel Matthias und der an der gegenüberliegenden Wand dargestellte Bernhard von Clairvaux5) lassen sich durch die Inschriften eindeutig identifizieren. Die Deutung des rechts neben Matthias abgebildeten zelebrierenden heiligen Bischofs wird jedoch durch die Verstümmelung der Inschriften (C) und (D) erschwert. Keller und Herchenröder glaubten, hier eine Gregoriusmesse zu erkennen, doch ist diese Deutung mit der Ikonographie der Darstellung unvereinbar, da bei der Gregoriusmesse stets die Erscheinung Christi als Schmerzensmann vor Papst Gregor I. wiedergegeben wird.6) Gegen eine solche Interpretation spricht auch das völlige Fehlen der päpstlichen Insignien. Dagegen wird die Bischofswürde des Dargestellten betont, indem er während der Wandlung mit der Bischofsmitra auf dem Haupt gezeigt wird. Gemäß den liturgischen Vorschriften muß die Mitra während der Wandlung abgesetzt werden. Aus diesem Grund ist sie auch noch einmal auf dem Altar liegend abgebildet. Von den noch erkennbaren Resten der Inschrift (D) ist außer dem s für sanctus nur noch das us am Ende des Namens sicher zu lesen, so daß auch dieser Inschriftenrest nicht zur Klärung der Identität des Bischofs beiträgt.

Textkritischer Apparat

  1. mundis Keller 86; Herchenröder 123; vor dem d sind aber nur vier Hasten erkennbar. Davor stehen durch einen Freiraum abgetrennt noch zwei weitere Hasten, die nicht zu deuten sind.

Anmerkungen

  1. Apg 1,26.
  2. Vgl. Mt 26,26 und 1 Kor 11,24.
  3. Krebs, Umgestaltung 50 f.
  4. Keller 86; Herchenröder 123; Scholz 79.
  5. Vgl. die folgende Nr.
  6. Vgl. A. Thomas, Gregoriusmesse, in: LCI 2 (1970) 199 – 202; Die Messe Gregors des Großen 38 f.

Nachweise

  1. Keller, Gross-Umstadt 85 f.
  2. Herchenröder, Kdm. 123.
  3. Scholz, Inschriften 78 f., Nr. III.
  4. Sommer, Vom späten 15. zum 20. Jahrhundert 33, Abb.

Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 52 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0005206.