Inschriftenkatalog: Stadt Darmstadt und Landkreise Darmstadt-Dieburg sowie Groß-Gerau
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 49: Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau (1999)
Nr. 5 Altheim, Evangelische Kirche E. 12. – 1. V. 14. Jh.
Beschreibung
Namensbeischrift als Wandmalereiinschrift an einem Bild des heiligen Christophorus auf der Südwand des romanischen Langhauses. Es zeigt Christophorus mit Bart und langem Haar, der in seiner rechten Hand einen Stab hält und auf der linken Schulter Christus trägt. Seinen Kopf umgibt ein mit Sternen und Rundbögen verzierter Heiligenschein. Konzentrisch dazu verläuft ein weißes Schriftband, auf dem in schwarzen Buchstaben die Inschrift angebracht ist. Sie ist durch das Ende des Stabes unterbrochen. Die Malerei wurde 1921 aufgedeckt, 1930 restauriert, 1966 noch weiter freigelegt und 1994 zum letzten Mal restauriert.1) Originale Malstellen haben sich nur im oberen Teil des Bildes erhalten, der jedoch stark restauriert ist. Der untere Teil ist vollständig ergänzt worden.
Schriftart(en): Romanische Majuskel.
CRISTO/PHORVS [. . .]
Anmerkungen
- Walter, Kirchen 17 und 44; Luh, Kirche 14 – 16.
- Vgl. die Beispiele bei Clemen, Romanische Monumentalmalerei 379, 389, 510, 537, 565; Demus, Romanische Wandmalerei 193, 207, 210; Kofler-Engl, Frühgotische Wandmalerei 31, 34 ff., 43, 56 f., 61.
- Vgl. DI 29 (Worms) Nr. 30 mit Abb. 11 a--c.
- Vgl. die Darstellungen in Bonn, Bacharach und Niedermending und dazu Clemen, Romanische Monumentalmalerei 440 f., 453, 815 sowie in Marburg, vgl. Wilhelmy, Rheinschiene 81 mit Abb. 11; vgl. auch Kofler-Engl, Frühgotische Wandmalerei 73, 91, 135, 152, 173, 211, 233 mit frühen Christophorusdarstellungen aus Südtirol; vgl. allgemein F. Werner, Christophorus, in: LCI 5 (1973) 496 – 508.
- Vgl. Anm. 3.
- Vgl. Behn, Karolingische Klosterkirche 76 und 83.
- DI 38 (Lkr. Bergstraße) Nr. 13 mit Abb. 15.
- Böcher, Kunst Nr. 58, 277 f. mit Abb. 142.
- DI 29 (Worms) Nr. 30 mit Abb. 11 a--c.
- Für Hinweise zur kunsthistorischen Einordnung der Malerei danke ich Frau Susanne Kern, Bodenheim, und Herrn Prof. Dr. Rainer Kahsnitz, München.
- Vgl. Abb. 7 bei Herchenröder, die das Gesicht noch in unrestaurierter Gestalt zeigt.
- Vgl. Anm. 3, Wilhelmy, Rheinschiene 81 mit Abb. 11 und Clemen, Romanische Monumentalmalerei 815.
- Vgl. zuletzt Fuhrmann, Guter Tod 154 – 157; vgl. auch Werner [wie Anm. 4] 497 f. und 499 – 504 sowie DI 29 (Worms) Nr. 30.
Nachweise
- Herchenröder, Kdm. 7 mit Abb. 7.
Zitierhinweis:
DI 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 5 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0000503.
Kommentar
Bei der ersten Restaurierung der Malerei wurden die Buchstaben offenbar nachgezogen. Diese Vermutung legen vor allem die breiten Sporen an der Cauda des R nahe. Auch der sehr breite, aber niedriger als die halbe Buchstabenhöhe geformte Bogen des P, die stachelförmige Cauda des zweiten R sowie das kreisrunde O könnten das Ergebnis einer fehlerhaften Nachmalung sein. Ob die übrigen Buchstaben ebenfalls verändert worden sind, läßt sich nicht mit völliger Sicherheit klären. Dadurch wird die Aussagekraft der paläographischen Analyse sehr eingeschränkt. Merkmale wie etwa Hastenverbreiterungen oder Bogenschwellungen, die auf den Einfluß der Formen der Gotik hinweisen, sind nicht zu erkennen. Die Hasten- und Bogenenden der Buchstaben sind zu kräftigen Dreieckssporen ausgezogen. Die Bögen von C, O, R und S lassen eine deutliche Verstärkung erkennen. Das V ist ohne Linksschrägenverstärkung gebildet. Der geringe Buchstabenbestand und das Fehlen datierungsrelevanter Buchstaben wie A, E und M machen eine zeitliche Einordnung der Inschrift sehr schwer. Zudem ist die Anbringung der Inschrift in einem Bogen, der den Kopf des Christophorus wie ein zweiter Nimbus umgibt, ungewöhnlich. Üblicherweise sind die Bild- und Namensbeischriften im 12. und 13. Jahrhundert nicht in den Nimben, sondern waagerecht oder senkrecht angebracht, wenn sie sich nicht auf Spruchbändern oder in gemalten Architekturbögen befinden.2) Diese beiden Möglichkeiten kommen aber für eine Christophorusdarstellung kaum in Betracht. In Worms3) und Münstermaifeld (Lkr. Mayen-Koblenz) sind die mehrzeiligen Inschriften waagerecht über beziehungsweise neben der Christophorusfigur angebracht. Diese beiden Beispiele lassen vermuten, daß der Text in Altheim ursprünglich ebenfalls länger war. Die Mehrzahl der erhaltenen frühen Christophorusdarstellungen weist allerdings überhaupt keine Beischriften auf.4) Eine reine Erfindung der Inschrift durch den Restaurator Hermann Velte ist jedoch unwahrscheinlich. Velte ließ sich bei seinen Restaurierungsversuchen von Inschriften in der Regel von seinem optischen Eindruck leiten, ohne ein wirkliches Verständnis für die Buchstabenformen zu besitzen. Gut nachvollziehbar ist dies bei der Inschrift der Christophorusdarstellung im Wormser Dom, bei der Velte die Buchstaben der gotischen Majuskel nachzuahmen versuchte, sie dabei aber zum Teil erheblich verfremdete.5) Andererseits hielt sich Velte bei sehr schlecht erhaltenen Inschriften mit Ergänzungsversuchen zurück. An der Lorscher Torhalle ließ er eine Inschrift, von der er nur noch einzelne Buchstaben erkennen konnte, ohne Ergänzungen, obwohl Friedrich Behn eine Textergänzung vorschlug.6) Man muß also davon ausgehen, daß Velte eine Inschrift in reinen Kapitalisbuchstaben sah. Die heute sichtbaren Buchstaben weisen Ähnlichkeiten mit denen der Grenzbeschreibung in Heppenheim aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhunderts7) sowie denen des Godefridussteines aus St. Peter in Bubenheim (Pfalz) von 1163 auf,8) die mit den bereits deutlich weiter entwickelten Buchstabenformen der Inschrift des im Wormser Dom vorhandenen Christophorusbildes vom Anfang des 13. Jahrhunderts (?) nicht vergleichbar sind.9) Aufgrund der durch die Restaurierung verursachten Veränderungen der Buchstabenformen reichen die gewonnenen Anhaltspunkte für eine sichere Frühdatierung allerdings nicht aus. Da aber keine Christophorusdarstellungen aus der Zeit vor 1200 bekannt sind und die gesamte Malerei in Altheim stark restauriert ist, lassen auch stilistische Kriterien keine genauere zeitliche Einordnung zu.10) Ungewöhnlich ist der mit Sternen und Rundbögen verzierte Nimbus, der ursprünglich vielleicht mit einem Muscheldekor geschmückt war. Auch der Bart und die Haare des Christophorus sind überarbeitet worden. Eine deutliche Übereinstimmung mit den übrigen Beispielen des 13. Jahrhunderts läßt sich hingegen bei der Haltung des linken Armes festellen, mit dem Christophorus den auf seiner Schulter sitzenden Christus stützt. Bei der Christusfigur ist der Kopf stark ergänzt,11) so daß nicht ganz sicher ist, ob er wirklich im Dreiviertelprofil dargestellt war. Parallelen unter den frühen Beispielen bieten hier die – allerdings ebenfalls stark restaurierten – Darstellungen in Worms, in der Marburger Schloßkapelle (um 1288) und in Niedermending (um 1300),12) während Christus sonst frontal gezeigt wird.
Christophorus wurde vor allem als Patron gegen Unwetter und Krankheit angerufen und gehörte später zu den Vierzehn Nothelfern. Wohl ab dem 12. Jahrhundert entwickelte sich die Vorstellung, daß der Anblick eines Christophorusbildes an dem betreffenden Tag vor einem plötzlichen Tod schütze. Ein plötzlicher Tod wurde als schlimmer Tod (mala mors) angesehen, denn das Sterben ohne Absolution und Eucharistie gefährdete nach der Vorstellung der Zeit das Seelenheil.13)