Inschriftenkatalog: Die textilen Inschriften der Stadt Bamberg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 6: Stadt Bamberg (Textilien) (2015)

Nr. 18 Bamberg, Historisches Museum (Depot) 1616

Beschreibung

Gemalter Kreuztitulus sowie gemalte Datierung und Stifterinschrift auf einem annähernd quadratischen Fürhangtuch der Rotgerberzunft im Depot des Historischen Museums Bamberg (Inv. Nr. HVB Rep. 21, Nr. 510).

Seitlich begrenzt von zwei Säulen mit vegetabilen Ornamenten dominiert im Zentrum ein großes ovales, von Ranken gerahmtes Medaillon mit der Auferstehung Christi. Der auferstandene Christus mit Kreuzesfahne und Segensgestus erhebt sich über einem Sarkophag, vor dem im Halbkreis mehrere Wachen mit unterschiedlichen Gesten schlafend, erwachend, erschreckend und geblendet Zeugen des Geschehens werden. Im Hintergrund Johannes und Petrus auf dem Weg zum Grab. Die Darstellung umgeben zehn von Ranken aus Eichenlaub und Eicheln gebildete annähernd kreisrunde Bildfelder mit Szenen aus dem Leben Christi im Uhrzeigersinn beginnend unten in der Mitte: Geburt Christi, Beschneidung Christi, Anbetung der Hl. Drei Könige, Letztes Abendmahl, Ölberg, Gefangennahme, Dornenkrönung, Kreuztragung mit Vera Icon, Christus am Kreuz mit Titulus (I) begleitet von Maria, Johannes und Magdalena, Grablegung. In den vier Ecken befinden sich gleichartig gebildete Medaillons, die die vier Evangelisten mit Codex und ihren Symbolen zeigen. Am unteren Rand des Tuches wenden sich je zwei kniende Männer mit zum Gebet gefalteten Händen einem Wappenschild zu, zu dessen beiden Seiten die Datierung (II) steht. Rechts über der Datierung wird die Amtsbezeichnung genannt (III). Alle vier Männer werden je zu beiden Seiten ihres Kopfes mit Vor- und Nachnamen bezeichnet (IV-VII). Alle tragen dunkle Kurzmäntel über hochgeschlossenen Wämsern, die nur mehr Halskrause und Manschetten des darunter getragenen Hemdes sichtbar lässt.

Das Tuch zeigt Spuren von Farbabrieb und deutlichen Überarbeitungen.

Maße: H. 308 cm, B. 300 cm (oben 336 cm), Bu. 1,9 cm (I), 4,4 cm (II), 2,4 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (I), Arabische Ziffern (II), Fraktur (III-VII).

© Historischer Verein Bamberg, Rep. 21, Nr. 510. [1/1]

  1. I.

    I . N . R . I .

  2. II.

    16 // 16.

  3. III.

    vieṛṛa)//meịṣṭẹṛ. ̣

  4. IV.

    Hạṇßb) // Kṛụṃḅḥọḷṭẓ. ̣c)

  5. V.

    Ẉ[olff]d) // Ẉẹịg̣ḷṭe)

  6. VI.

    Hanß // Krapp

  7. VII.

    Niclaß // Kellnẹrrf)

Wappen:
Zunftwappen der Rotgerber1).

Kommentar

Das Fürhangtuch ist auf braunem Leinengrund, der aus drei vertikalen Bahnen besteht, öl-harz-gebunden ohne Grundierung gemalt2). Auch die Buchstaben sind in Braunschwarz (I) bzw. Weiß (II-VII) mit dem Pinsel ausgeführt, wobei die Namen der Viermeister in den vergangenen Jahren stark gelitten haben. Oft sind die Buchstaben nur mehr an den Veränderungen, die sie auf dem Leinengrund hinterlassen haben, zu erahnen (IV). Laut Quellen müsste der zweite Name Wolf(gang) Weiglein zu lesen sein, doch erhielt der letzte erhaltene Buchstabe einen Balken, so dass er als t erscheint, obwohl er doch deutlich niedriger als das benachbarte l ist und in der Höhe damit eher den Buchstaben im Mittellängenbereich entspricht. Es könnte sich hier um ein fehlerhaft retuschiertes e oder eine Kürzungsschleife handeln. Nicht immer ist zweifelsfrei festzustellen, was originaler Befund und was Übermalung des 20. Jahrhunderts ist. Im Bereich des Namens Niclaß Kellnerr ist weiße Farbe verwischt, die Gestaltung der Buchstaben ist zum Teil wenig gelungen und lässt an eine spätere Übermalung denken.

Dieses Fürhangtuch der Bamberger Rotgerberzunft gehört zu einer Gruppe großformatiger Rollbilder im Besitz des Historischen Vereins Bamberg aus dem 17. und 18. Jahrhundert (siehe 4. Inschriftenträger). Der Historische Verein Bamberg erhielt das Tuch 1863 als Geschenk der Rotgerberzunft, als deren sog. ‚Rindenhaus‘ an der Nonnenbrücke im März desselben Jahres abgebrochen wurde3).

Für die Gestaltung der Begräbnisfeierlichkeiten war unter Aufsicht der Viermeister, vier Zunftmeistern, die der Zunft vorstanden, eine Art Gerichtsbarkeit über die übrigen Mitglieder inne hatten und Zunftinteressen nach außen vertraten, der jeweilige jüngste Meister verantwortlich4). Die Viermeister sind namentlich auf dem Fürhangtuch genannt und lassen sich anhand der Jahresrechnung von Walburgis (= 30. April) 16165) nachweisen. Dort werden als Viermeister Wolff Weiglein, Hannß Krumbholz, Nicolauß Kellner und Hannß Krapp genannt. Wolff Weiglein hatte dem nicht genannten Maler des Fürhantuches 8 fl. zuzustellen, der dann mit diesen insgesamt 20 fl. für das Leichtuch empfangen hatte.

Textkritischer Apparat

  1. Das zweite r ein Bogen-r. Der Titel unterbrochen durch Schleife. Starker Farbabrieb.
  2. Rechts über dem ß befindet sich ohne direkten Bezug zur Inschrift ein weißer Strich. Ob es sich hierbei um die Ergänzung einer späteren Überarbeitung bzw. Restaurierung handelt oder um ein Kürzungszeichen, lässt sich nicht beantworten. Eventuell für Hanß(en).
  3. Starker Farbabrieb, doch an den Veränderungen im Leinengrund erkennbar. Auf einem Foto (28b.jpg Inschriftenkommission München) noch deutlich lesbar. Die Aufnahme StadtA BA, HV Rep. 6, 23.27 zeigt schon deutlichen Abrieb.
  4. Ergänzt nach StadtA BA, HV Rep. 2,2 Nr. 1961.
  5. Nach Quellenlage müsste es sich um Wolf(gang) Weiglein handeln. Vermutlich fehlerhafte Restaurierung, bei der aus dem e der letzten Silbe, ein t rekonstruiert wurde.
  6. Das zweite r ein Bogen-r.

Anmerkungen

  1. Ber 79-81.
  2. Der Leinengrund in Fischgrat-Köperbindung (Kette: Leinen, z-gedreht; Schuss: stark z-gedreht) ist zusammengesetzt aus drei Bahnen zu 104, 108 und 86 cm. Eine Restaurierung erfolgte 1968/69 durch das BLfD im BNM vermutlich mit starker Überarbeitung und Retuschierung. An dieser Stelle ist Frau Sibylle Ruß (Bamberg) für die kollegiale Zusammenarbeit zu danken.
  3. Zuwachs 1862/63 XXXII.
  4. Scharrer, Laienbruderschaften 174.
  5. StadtA BA, HV Rep. 2,2 Nr. 1961.

Nachweise

  1. Scharrer, Laienbruderschaften 233.

Zitierhinweis:
DIO 6, Stadt Bamberg (Textilien), Nr. 18 (Tanja Kohwagner-Nikolai), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio006m002k0001801.