Inschriftenkatalog: Die textilen Inschriften der Stadt Bamberg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 6: Stadt Bamberg (Textilien) (2015)

Nr. 8 Bamberg, Diözesanmuseum 14. Jh.

Beschreibung

Gravierte Tituli auf den Beschlägen des sog. Kunigundengürtels in der Dauerausstellung des Bamberger Diözesanmuseums (Inv. Nr. 2728/3-3). Im Zuge der Säkularisation kam der Gürtel 1803 aus Kloster St. Michael in den Domschatz. Er gehört in den Kontext der Kunigundenreliquien.

Das Band besteht an beiden Enden aus einer brettchengewebten Borte aus roter und blauer Seide mit Goldeinträgen und ist mit stilisierten Ranken und Blättern gestaltet. Die Mitte ist im Schachbrettmuster ohne Goldeintrag gewebt. Als Abschluss des Bandes sind jeweils quadratische Platten aus teilvergoldetem Silber mit eingravierten Darstellungen in einem Vierpass angebracht. Auf Vorder- und Rückseite steht im Zentrum jeweils ein geflügeltes Evangelistensymbol als Brustbild mit Titulus auf dem geschwungenen Schriftband.

Maße: L. 142 cm, B. 3,8 cm, Bu. ca. 0,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission (Tanja Kohwagner-Nikolai) [1/3]

  1. I.

    LV · CAS / MATEVa)

  2. II.

    IOHANE / MARCVSb)

Kommentar

Die Buchstaben sind in der Regel durch Sporen gekennzeichnet. Das A kommt sowohl in pseudounzialer Form mit beidseitig überstehendem Deckbalken als auch trapezförmig ausgearbeitet vor. Das C zeigt eine deutliche Bogenschwellung und ist vollständig geschlossen. Während E kapital sowie rund und abgeschlossen verwendet wird, kommt das H nur in der unzialen Form vor. I besteht aus Schwellschaft und parallelem Zierstrich, L aus keilförmigem Schaft und einem geraden Balken, an den ein trapezförmiger Sporn angesetzt ist. M zeigt zwei Varianten: bei MATEV ist es symmetrisch gebaut und fast beidseitig geschlossen, aber am rechten Sporn befindet sich eine kleine Beschädigung; bei MARCVS wurde das links geschlossenes unziales M genutzt. Das kapitale N wirkt etwas missglückt, sehr schmal, und der rechte Schaft kippt weg. Das V mit keilförmig verbreiterten Schäften wirkt bei LVCAS durch die Sporen oben geschlossen, bei MATEV ist es eher mit Schwellschäften gestaltet. Vor allem bei MARCVS erkennt man eine vorgravierte Mittel- und Unterlinie, an denen sich die Buchstaben mehr oder weniger orientieren.

Die Länge des rankengemusterten Bandes ist nicht mehr die ursprüngliche. Die Mitte ohne Goldeintrag wurde entweder bei der Verwendung als Gürtel auf dem Rücken liegend vom Übergewand oder bei der Nutzung als Stola vom Amikt verdeckt. Die Borte dürfte süditalienischer oder spanischer Herkunft sein und ins 11. oder 12. Jahrhundert datieren. Die Beschläge stammen aus dem 14. Jahrhundert. Während alle Darstellungen auf den Platten in derselben Ausrichtung befestigt sind, ist die Abbildung des Lukasstiers um 90° gedreht.

Bei den Heiltumsweisungen1) wird ein Kunigundengürtel im Domschatz erwähnt, der jedoch gemäß der Beschreibung von 1743 aus grüner Seide gefertigt2) und 1803 verloren gegangen war. Er wurde in der Folge durch den Kunigundengürtel aus Kloster St. Michael ersetzt3). Dort wurde er erstmals im Kontext der Kunigundenreliquien im Inventar des Klosters von 1483 erwähnt4). Nonnosus Stettfelder beschrieb in dem 1511 gedruckten Heiligenleben des Kaiserpaares den Michelsberger Gürtel, von dem er wusste, dass Kunigunde ihn „mit yrer hant gemacht“ habe und der „yrs leibs dicke“ angebe5). Der Bezug zur Hl. Kunigunde lässt sich allerdings durch keinen Beleg verifizieren.

Bei der Abgabe an den Dom war in der Mitte eine deutlich jüngere (18. Jh.?), von einer Klöppelspitze eingefasste Samtborte aufgenäht, die heute separat im Depot des Diözesanmuseums (ohne Inv. Nr.) verwahrt wird. Sie trägt die gestickte Aufschrift SANCT ∙ CUNEGUNDA ∙ GÜRTL. Die Buchstaben sind in Metallstickerei reliefartig gewölbt ausgeführt und von Perlenschnüren konturiert6). Die Borte diente wohl der Visualisierung des Reliquienbezugs.

Außerdem befand sich beim Kunigundengürtel ein heute ebenfalls separat im Depot des Diözesanmuseums verwahrtes Textilfragment aus Seide und Goldfaden, das vermutlich aus dem 12. Jahrhundert stammt (ohne Inv. Nr.)7). Daran ist ein Pergamentzettel mit einer handschriftlichen Notiz des 15. Jahrhunderts De veste s(an)cte kunegunde angeheftet.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! S fehlt sowohl bei MATEV als auch bei IOHANE.
  2. S spiegelverkehrt.

Anmerkungen

  1. Heiltumsverzeichnis 1493 fol. 4r.
  2. SB Ba HV.Msc. 224 p. 89.
  3. Baumgärtel, Kunstwerke 28; Kindermann, Kunstdenkmäler 157.
  4. Baumgärtel, Kunstwerke 28.
  5. Kohwagner, Gürtel 86.
  6. Bamberg, 18. Jh. (?); Samt, Klöppelspitze, Stickerei: Silberfaden, Flussperlen, mit Pergament oder Pappe unterfüttert; L. 46 cm, B. 3,5 cm, Bu. 2,7 cm.
  7. Italien (?), 12. Jh.; Seide und Goldlahn, Pergament beschriftet; H. 2,5-3 cm, B. 8,7 cm. Vgl. Sakrale Gewänder 24 sowie Ruß, Reliquie 87.

Nachweise

  1. Kohwagner, Gürtel I 86; Kohwagner, Gürtel II 601f.

Zitierhinweis:
DIO 6, Stadt Bamberg (Textilien), Nr. 8 (Tanja Kohwagner-Nikolai), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio006m002k0000803.