Inschriftenkatalog: Die textilen Inschriften der Stadt Bamberg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 6: Stadt Bamberg (Textilien) (2015)

Nr. 6 Bamberg, Diözesanmuseum Mitte 14. Jh.

Beschreibung

Gestickter Titulus auf einer Abschlussborte aus blauem Seidentaft im Depot des Diözesanmuseums Bamberg (Inv. Nr. 2721/28). Diese Borte ist an einem Seidengewebefragment mit Streifenmusterung befestigt und stellt einen Bezug der Textilreste zu Papst Pius I. (ca. 142–155) her.

Vermutlich bei einer Restaurierung 1933/34 oder Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts um 180° gedreht montiert.

Maße: H. (Gewebe) 36 cm, B. 51 cm, H. (Borte) 7,5 cm, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

© BAdW München, Inschriftenkommission (Tanja Kohwagner-Nikolai) [1/1]

  1. ∙ PIVS + PAPAa) · S[ANCTVS]b)

Übersetzung:

Hl. Papst Pius

Kommentar

Die Buchstaben sind mit weißem, heute leicht vergilbtem Seidengarn in Klosterstich in den Streifen eingestickt, der aus mehreren Fragmenten eines blauen Seidentafts zusammengenäht sowie oben und unten mit einer Goldborte besetzt ist. Das zweite A ist spiegelverkehrt ausgeführt. Alles in allem ist die Inschrift sehr verspielt. Dies Schriftmerkmale machen eine Datierung Mitte des 14. Jahrhundert wahrscheinlich. Die grünen Sternchen sind wohl eine spätere Zutat ebenso wie die beiden roten Linien parallel der Goldborten.

Der Inschriftenstreifen verbindet die beiden unterschiedlich großen Fragmente eines gestreiften Seidensamits aus dem 11. Jahrhundert so, dass die aus Herzen bzw. stark stilisierten Blattmotiven in Weiß, Gelb, Grün und Lachsrosa gebildeten Streifen (in Schussrichtung) auf dunkelgraublauem Grund senkrecht dazu verlaufen. Sowohl die ursprünglich zum Rund geschlossene Borte wie auch die Schädigungen dieses Gewebes legen eine ursprüngliche Mitrenform nahe, obwohl dies im Zuge einer Restaurierung Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zunächst ausgeschlossen wurde1). An der Stelle des Titulus, folglich in der Mitte des Samits hat sich eine fragmentierte arabische Inschrift erhalten2).

Aufbewahrt wurde das Seidengewebe seit dem 18. Jahrhundert in einem Zinnkasten, dessen aufgeklebter Zettel die Handschrift des Subkustos Graff trägt: Infula S. Pii Papae M[artyris]. In seinem Domschatzverzeichnis von 1736/43 erwähnt er Eine Inful von dem Heiligen Pabst und Martyrer Pio, dessen oberer Theil gänzlich zerschlissen, auf dem unteren aber mit gothischen Buchstaben zu lesen stehet: S. Pius Papa3). Murr beschreibt sie 17994). Möglich ist eine Verbindung des Seidengewebes mit dem im Heiltumsbuch von 1508/09 erwähnten Reliquiar des Hl. Pius5).

Reliquien des Hl. Pius befanden sich schon seit dem 11. Jahrhundert im Domschatz. Ob dazu auch Teile des Haupts gehörten, muss offen bleiben6). Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts wurden sie in eine Holzbüste eingelegt, die 1448 durch das silberne Büstenreliquiar, eine Arbeit des Nürnberger Goldschmieds Hieronymus Holper, ersetzt wurde. Für diese Silberbüste dürfte die Mitra angefertigt worden sein. Diese Silberbüste wurde bereits 1553 im Krieg gegen Markgraf Albrecht Alcibiades eingeschmolzen, die materiell wertlose Mitra jedoch weiterhin aufbewahrt7).

Textkritischer Apparat

  1. Das zweite A spiegelverkehrt. Die beiden nachfolgenden Worttrenner jeweils in Form eines Sterns.
  2. Das auf ein separates Stück des blauen Seidentaftes gestickte und hier angebrachte S gehört an den Beginn der Inschrift. Es verdeckte vor der Restaurierung die Naht der zum Rund geschlossenen Borte. Dies legt die zumindest zeitweilige Verwendung als Kopfbedeckung des im Heiltumsbuch von 1508/09 erwähnten Kopfreliquiars des Hl. Pius nahe (vgl. Kdm NF OF IV, II, 1 (Teil 2) 1760, Abb. 2058). S. Kommentar.

Anmerkungen

  1. Vgl. AEB Rep. 2, Nr. 2710/19.
  2. Reingard Neumann vergleicht die Kufi-Inschrift mit einem Gewebe, das „Middle East, 11th-12th century“ eingeordnet wird (vgl. Folsach, Woven Treasures 99, Kat. Nr. 10). Dort wird die sich fortlaufend wiederholende Schrift „al-mulk l-illāh“ (Die Macht ist Gottes) gelesen. Bei dem Bamberger Fragment versuchte Konrad Lorenz die stark fragmentierte Inschrift als „al-(mul)k“ zu interpretieren, was die Ähnlichkeit der Gewebe unterstreicht. Für zuverlässige Aussagen ist die Inschrift jedoch zu bruchstückhaft. Für den kollegialen Austausch ist Frau Reingard Neumann (Greven) und Konrad Lorenz (Bamberg) zu danken.
  3. SB Ba HV.Msc. 224 p. 90.
  4. Murr, Merkwürdigkeiten 119.
  5. Heiltumsverzeichnis 1508/09 29.
  6. Baumgärtel, Leben 70-72.
  7. Baumgärtel, Arbeiten Holper 24-34 (besonders Anm. 41).

Nachweise

  1. Kdm NF OF IV, II, 1 (Teil 2) 1869-1870.

Zitierhinweis:
DIO 6, Stadt Bamberg (Textilien), Nr. 6 (Tanja Kohwagner-Nikolai), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio006m002k0000605.