Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 531†? Stadthagen, Privatbesitz? vor 1623, 1623–1837
Beschreibung
Pokal. Zinn. Willkomm der Stadthäger Schneiderzunft. Der Verbleib des Objekts, das sich in den 1930er-Jahren in Privatbesitz in Aachen, seit 1968 in Stadthäger Privatbesitz befand,1) ist unbekannt. Die Edition erfolgt nach einem Aufsatz von Hansjürgen Sander. Die dort in Groß- und Kleinbuchstaben wiedergegebenen Inschriften A–C sind, wie auf einer Fotografie erkennbar, auf dem Pokal in Kapitalis ausgeführt und werden dementsprechend ediert. Der runde, bauchige Deckelpokal trägt über seine gesamte Oberfläche verteilt 67 eingravierte Namen, von denen 54 mit Jahreszahlen versehen sind. Die Eintragungen, die vor 1650 vorgenommen wurden, werden hier als Inschrift A ediert, alle jüngeren Eintragungen werden in Anm. 2 wiedergegeben.2) Die Namen werden in der bei Sander gegebenen chronologischen Reihenfolge abgedruckt, die sich nach dem Jahr der Eintragung ins Stadthäger Bürgerbuch richtet. In welcher Reihenfolge die Namen auf dem Pokal angeordnet sind, lässt sich anhand von Sanders Aufsatz nicht sicher rekonstruieren.
Auf der großen Bauchung der Kuppa auf 19 aneinandergereihten Kreisfeldern befinden sich Namen und Jahreszahlen von 1623 bis 1638. Oberhalb davon 12 schildförmig getriebene Felder mit Eintragungen von 1636 bis 1732. Unterhalb der 19 Kreisfelder 13 schildförmig getriebene Felder mit Eintragungen von 1660 bis 1773. Auf der kleineren, unteren Bauchung der Kuppa Namen und Jahreszahlen von 1660 bis 1673, auf dem Fuß von 1786 bis 1837.
Die Bauchung des Deckels ist mit eingravierten Beschlagwerkornamenten verziert. Auf der Deckelwölbung läuft Inschrift B in Konturschrift um. Darunter eine Inschrift jüngeren Datums, die aus Versalien einer Schreibschrift besteht.3) Oberhalb der Inschrift B in runden Feldern Namen und Jahreszahlen aus der Zeit von 1739 bis 1779. An der Deckelkugel eine zeitlich nicht bestimmbare Inschrift.4) Auf der Deckelkugel die Figur eines Handwerksmeisters mit einer Fahne.
Die Inschriften C und D „am Halse des Unterteils“, Inschrift D wurde von anderer Hand zu Inschrift C hinzugefügt. An der Außenseite des Fußes drei Marken,5) darüber die Jahreszahl E.
Anfangs wurden die Inschriften von fachkundigen Händen angebracht, ab 1786 fügten ungeschultere Hände weitere Inschriften an Stellen hinzu, die noch Platz boten.6)
Inschriften nach Sander.
Maße: H.: 58 cm.
Schriftart(en): Kapitalis (A–C).7)
- A
HARMEN FINEMAN // HARMEN EVERDINCK // FRIDRICH HOYER // ADERIAN LVRSENa) // JOACHIM SCHULTZ // LUDER EVERDINCK 1633 // JOHAN PAPE 1623 // JOHAN KALMEIER // GEORG GRIMME // BALTASAR STOCKHUSEN // HEINE SMIDT 1627 // MICAEL HOYER // HINRICH EVERDINCK // HENNINCK EVERDINCK // ANTON RALEF 1633 // HINRICH FOCKE 1635 // LUDWIG SCHULTZ 1635 // ADRIAN LÜDERSEN JUN(IOR) 1636 // OTTO BOLMAN 1636 // TÖNNIS HEUPT 1638 // PHILIPPUS RALEFES 1639 // HARMEN BLEIDISTEL 1640 // HARMEN KETZER 1640 // JOST KOKE 1648 // ARENDT SMIDT 1650 // JOST BENEKINCK 1650 // CORDT HAUTHO 1650 // HANS DESENISE 1650
- B
DES MORGENS GOT DICH LOBEN WIER. DES ABENDS AUCH BETEN FÜR DIER.
- C
GOTT SEI MIR GNEDIG NACH DEINER GÜTE UND TILGE MEINE SÜNDE NACH / DEINER GROSSEN BARMHERZIGKEIT8) [ - - - ] BAUWE DIE MAWREN ZU JERUSALEM9)
- D
Psalm 51
- E
1633
Versmaß: Deutsche Reimverse (B).
Textkritischer Apparat
- LVRSEN] Fotografie bei Sander; Lürsen Sander, S. 345.
Anmerkungen
- A[lbrecht] W[ehling], Die Rückkehr des Schneiderzunftpokals nach Stadthagen, in: Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 19 (1968), Nr. 8, ohne Seitenzählung. Vgl. Sander, Willkomm, S. 339; Weiland, Gilden und Ämter, S. 92.
- HARMEN SELMAN 1655 // FRANTZ WEKNG 1660 // HANS GUSEWELE 1660 // BEREND WEDEMEIR 1663 // ANDREAS WIESE 1662 // HANS RINNE 1665 // HINRICH HEUR 1668 // TÖNNIES HIMLER 1670 // HARMAN KETZER 1673 // JOHAN HINRICH PLÜMER 1687 // JOHAN HINRICH BÖRGER 1711 // JOHAN HARM RISCH 1711 // JOHAN JÜRGEN MOHR 1714 // ANTHON HINRICH PLÜMER 1715 // JOHAN CHRISTOFER WEIS 1717 // HARM HENRICH HEINE 1718 // JOBEST HEINRICH PLÜMER 1724 // ANTOHN JÜRGEN HAUTAU 1731 // H. H. MENSCHING 1732 // F. H. WALTHE 1740 // JOHAN ERNST RISCH 1739 // JOHAN FRIDERICH HELMKE 1745 // E. W. BAUMGARTE 1758 // CHRISTIAN FRIDERICH BÖDEKER 1762 // JOHAN HERMAN MENKING 1769 // FRIDRICH CHRISTIAN HARKOP 1786 // GEORG DANIEL HELMKE 1779 // ANTON FRIDRICH BIGEL 1793 // CARL F. SCHMELING // JOHAN CHRISTIAN KRUME 1796 // C. F. DETERDING 1790 // JACOB SCHWEIMLER // FRIDRICH WILHELM BAUERMEISTER 1804 // F. W. BÖDEKER 1801 // KRUG 1801 // H. BECKMANN 1813 // ERNST CHRISTIAN MENGE 1815 // F. WIEGGREWE 1825 // CH. SCHWEIMLER 1837.
- E=D=17811 (Sander, Willkomm, S. 346, Anm. 8).
- Sie wird von Sander, Willkomm, nicht wiedergegeben. Auf der Fotografie (Tafel XIII) sind nur die Buchstaben MEI zu erkennen.
- Sander (Willkomm, S. 339) beschreibt sie folgendermaßen: „An der Außenseite des Fußteils befindet sich das leicht verwischte dreiteilige Beschauzeichen: links die augenscheinlich aus F und K, vielleicht noch aus einem T bestehende Meistermarke, in der Mitte die bekannte, aus einer bekrönten Rose bestehende Feinzinnmarke, zur Rechten die ein dreitürmiges Kastell mit Nesselblatt im mittleren Tor bildende Stadtmarke.“ In einem Nachtrag zu seinem Aufsatz (S. 348; vgl. S. 344, Anm. 5) gibt Sander an, es handle sich bei dem linken Zeichen um ein T mit einer quergestellten gegabelten Hausmarke.
- Sander, Willkomm, S. 339. – Beschreibung nach Sander, Willkomm, S. 338f. u. Fotografie bei Sander, Tafel XXIII.
- Maßangabe nach Sander, Willkomm, S. 338; Angabe der Schriftart nach Fotografie bei Sander, Tafel XXIII.
- Ps 51,3.
- Ps 51,20.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 54,21.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 54,22.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 57,4. Friedrich Hoyer war der Vater Michael Hoyers (ebd., S. 277,38f. u. 281,13f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 58,1. Er war verheiratet mit Ilsabe Lüdersen (ebd., S. 403,45–404,1).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 59,33. Seine Tochter Anna Elisabeth (ebd., S. 419,33f.) heiratete den fürstlichen Hofschneider Meister Hans Harten (ebd., S. 296,36f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 61,33f.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 63,28. Als sein Schwiegervater wird Barteldt Pol genannt (ebd., S. 280,13). 1639 heiratete er die Witwe des Thomas Blohmen namens Elisabeth, die aus Hülshagen stammte (S. 291,20f. mit Anm. 3).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 63,32f. mit Anm. 12; demnach war er der Sohn des Schneiders Joachim Kalmeier aus Lauenhagen. Seine Frau Catharina stammte offenbar aus der Familie Reahl (ebd., S. 279,8f. mit Anm. 1). Seine Tochter Anna Cathrina heiratete Franz Wehking (ebd., S. 425,18), dessen Name ebenfalls auf dem Pokal eingraviert ist (vgl. oben Anm. 2).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 64,3.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 64,8. Zu ihm Nr. 608.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 64,12f. Er stammte aus Bückeburg. Seine Frau hieß Dorothea Backhaus (ebd., S. 411,28f. mit Anm. 6; vgl. S. 286,13). Heine Schmidt ist als Ratsverwandter bezeugt (ebd., S. 465,41–466,1).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 64,15; vgl. oben Anm. 11. Seine Tochter Heidewig heiratete Jost Koke (ebd., S. 304,20 u. 419,20).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 65,12. Er heiratete Anneke Goegke aus Eilenstedt (Lkr. Harz, Sachsen-Anhalt) (ebd., S. 414,4f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 65,7. Er schloss im selben Jahr einen Ehevertrag mit Anna Senne, der Witwe des Steinhauers Heine Koch (ebd., S. 457,15–18).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 65,26 („Tonnis Raleveß“). Er heiratete Tortia Berßling (ebd., S. 415,2) und später Maria Dohmayer aus Kathrinhagen, die 1647 als Witwe bezeichnet wird (ebd., S. 303,23f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 65,34. Als seine Ehefrauen sind Maria Lisabet Rigers (1641; ebd., S. 299, Anm. 2) und Anna Sarries (1643; ebd., S. 299,11) nachgewiesen.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,2. Er war verheiratet mit Heidewich Ketteler (ebd., S. 414,32).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,26. Er heiratete 1637 die älteste Tochter Cordt Berslings namens Engel (ebd., S. 66, Anm. 6 u. S. 285,47–286,1).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,29. Er war verheiratet mit Anna Behrens (ebd., S. 284,16–18; vgl. S. 292,13). Eine Tochter namens Dorothea ist nachgewiesen (ebd., S. 425,28 mit Anm. 10).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,5. Er scheint mit Margretha Regels (oder Nagels; vgl. ebd., S. 300,25) verheiratet gewesen zu sein (ebd., S. 66, Anm. 8). Da bereits 1644 um seinen Nachlass gestritten wurde (ebd., S. 300,24–31), scheint er jung verstorben zu sein.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,6. Er war verheiratet mit Elisabeth Raleves (ebd., S. 417,2f. mit Anm. 2) und ab 1658 mit Anna Margreta Haydorn aus Sachsenhagen (ebd., S. 424,18f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,12f.; er stammte aus Beckedorf. Verheiratet war er mit einer Schwester des Hinrich Everding (ebd., S. 291,4).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 66,22. Er heiratete in erster Ehe Anna Gerdrut Barg (ebd., S. 416,9), später die Witwe Anna Elisabeth Kraz (ebd., S. 430,6 mit Anm. 5).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 67,7. Seine Frau Heidewig war eine Tochter des Michael Hoyer (s. oben Anm. 20).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 68,8. Er heiratet Anna Wittkogel (ebd., S. 419,31f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 68,13. Seine Ehefrau war Margreta Lohse (ebd., S. 420,5f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 68,3. Er war der Sohn des kaiserlichen Notars (S. 456,4) Wulbrandt Hautho (S. 309,27f.). 1651 heiratete er Armgart Börries oder Borchers (ebd., S. 421,19f. mit Anm. 4), in zweiter Ehe Margareta Meyer (ebd., S. 424,5f. mit Anm. 7).
- Er stammte aus Helsinghausen (Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 68,4f.) und war verheiratet mit Ilsa Catrine Barg (ebd., S. 420,7f.).
- Sander, Willkomm, S. 346.
- Sander, Willkomm, S. 348–350 (Nachtrag).
Nachweise
- Sander, Willkomm, S. 339, 345f., 346 mit Anm. 8 u. Abb. Tafel XXIII.
- Bernstorf, Denkwürdige Altertümer, S. 309 (B–E).
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 531†? (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0053109.
Kommentar
Harmen Fineman wurde 1589 ins Stadthäger Bürgerbuch eingetragen,10) Harmen Everdinck 1591,11) Fridrich Hoyer 1602,12) Adrian Lüdersen 160613) und Joachim Schultz 1611.14) Luder Everdinck, dessen Name erst 1633 auf dem Pokal eingraviert wurde, hatte bereits 1618 das Bürgerrecht erlangt.15) Johan Pape wurde 1622 ins Bürgerverzeichnis aufgenommen,16) Johann Kalmeier 1625,17) im Jahr 1627 Georg Grimme,18) Balthasar Stockhausen,19) Heine Schmidt20) und Michael Hoyer.21) Hinrich Everdinck ist 1629 verzeichnet,22) Henninck Everdinck 1631,23) Anton Ralef24) und Hinrich Focke 1633,25) Ludwig Schultz 1634,26) Adrian Lüdersen d. J.27) und Otto Bolmann 1636,28) Tönnis Heupt (Haubt),29) Philipp Ralefes30) und Harmen Bleidistel 1638,31) Harmen Ketzer 164032) und Jost Koke 1648.33) Im Jahr 1650 wurden Arendt Schmidt,34) Jost Benekinck,35) Cordt Hautho36) und Hans Desenis37) ins Bürgerbuch eingetragen.
Bei den meisten auf dem Pokal genannten Schneidermeistern stimmt die inschriftlich auf dem Pokal festgehaltene Jahreszahl in etwa mit dem Jahr überein, in dem die jeweilige Person das Stadthäger Bürgerrecht erworben hat.38) Einige Namen sind ohne Jahreszahl eingetragen, insbesondere die der ältesten Schneider Harmen Fineman, Harmen Everdinck, Fridrich Hoyer, Adrian Lürsen und Joachim Schultz. Vermutlich wurden diese Namen gleich nach der Anfertigung des Pokals zusammen eingraviert. Dies würde eine Datierung dieser ältesten Inschriften auf die Zeit nach 1611 und vor 1623 plausibel erscheinen lassen. Allerdings wurden auch noch später einzelne Namen ohne Jahreszahl eingraviert.
Max Burchard ordnete den Pokal aufgrund der Meistermarke dem Zinngießermeister Berndt Thuener (van Thunen) aus Celle zu, der bereits 1609 oder 1610 verstarb. Berndt van Thunen war der Sohn des Celler Goldschmieds Laurentz van Thunen und wurde 1579 Bürger von Stadthagen. Er erwarb ein Haus am Markt (1582) und besaß zusammen mit seiner Frau Hille Suthagen die Braugerechtigkeit. 1590 wurde er Ratsverwandter. Er erhielt verschiedene Aufträge von Seiten des Rats und wurde 1597 gebeten, eine kleine Silberkanne für die St. Martini Kirche wiederherzustellen.39)
Letztlich bleibt sowohl die Datierung des Pokals als auch die der ältesten Inschriften unsicher.