Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 489 Bückeburg, Schloss 1616
Beschreibung
Epitaph für Hermann und Anton, Bischöfe von Minden. Bronze. Die querrechteckige Tafel war ursprünglich im Stift Möllenbeck hoch oben an der Wand der Sakristei befestigt. Sie soll während der französischen Besetzung der Grafschaft Schaumburg 1810/11 von dort ins Schloss Bückeburg gebracht worden sein.1) Die Tafel ist jetzt im Innenhof des Schlosses Bückeburg an der Nordwand auf Höhe des Erdgeschosses angebracht. Karin Tebbe hingegen vermutet (ohne Angabe von Gründen), dass es sich bei der jetzt im Schloss Bückeburg vorhandenen Bronzetafel um eine Kopie des 19. Jahrhunderts handelt.2) Die Inschrift ist im 18. Jahrhundert mehrfach überliefert.
Inschrift A als Überschrift. Die Inschriften B und C darunter in zwei durch einen Steg getrennten Kolumnen, Inschrift B links, Inschrift C rechts. Inschrift D als Unterschrift. Die Inschriften sind erhaben gegossen.
Maße: H.: 116,5 cm; B.: 176 cm; Bu.: 3–6,5 cm (A), 2,1–5,2 cm (B, C), 2,1–4,5 cm (D).
Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien (A, D), Kapitalis mit Versalien und Minuskeln (B, C).
- A
D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) S(ACRUM) / MEMORIAE AETERNAE ET PERPETUAE SECURITATI / VOTUM.
- B
ILLUSTRISS(IMUS) AC REVERENDISS(IMUS) PRINCEPS, D(OMI)N(US) / HERMANNUS, / EPISCOPUS AC DUX MINDENSIS, / PRINCEPS HOLSATIAE, COMES SCHAUMBURGIAE / ET STERNBERGAE, DOMINUS IN GEHMEN etc: / PONTIFEX INTEGER VITAE,3) ET INCLUTUS MUSARUM / FAVITOR.a) QUI OB SACRARUM PROFANARUMQ(UE) / RERUM PERITIAM VISITANDAE CAMERAE IMPERIALI / ASCITUS, SUMMAM MODERATIONIS LAUDEM / INDEPTUS ERAT. / PONTIFICATU, QUEM PER ANNOS XVI. BENE PRO=/BITERQUE GESSERAT, OB CLERI INIURIAS SPON=/TE ABDICATO, AD PATRITUM SECESSUM ARNS=/BURGIUM SESE CONTULIT: UBI UNDECIMO POST / ANNO PIÈ SANCTÉQUE DECEDENS, IN ISTHOC / FANO POSITUS EST. / VIXIT ANN(OS) XLVI. M(ENSES) IV. / D(IES) IV. / OBIIT AERA. M D. XCII. D(IE) III. NON(AS) MART(IAS)4)
- C
ILLUSTRISS(IMUS) AC REVERENDISS(IMUS) PRINCEPS, D(OMI)N(US) / ANTONIUS. / EPISCOPUS AC DUX MINDENSIS, / PRINCEPS HOLSATIAE, COMES SCHAUMBURGIAE / ET STERNBERGAE, DOMINUS IN GEHMEN etc. / PONTIFEX PUBLICÈ MAGNIFICUS, PRIVATIM / MUNIFICUS, UNDIQUAQUE MODERATUS: / POST DUODECENNEM PONTIFICATUS AMMI=/NISTRATIONEM, MUNDO HOCCE IMMUNDO / VALERE IUSSO, AD CAERULA COELI TEMPLA / MIGRAVIT IN ARCE PETRINA PONTIFICALI. / UNDE EXUVIASb) CORPORIS TRANSLATAS HEIC / ADQUIESCERE VOLUIT / IN PATRIO MO=/NIMENTO. / VIXIT ANN(OS) XLVIIII. M(ENSES) X. / D(IES) XIII. / DENATUS A(NNO) C(HRISTI) N(ATIVITATIS) M D. XCIX. / EXANTEc) D(IEM) XII. K(A)L(ENDAS) FEBR(UARIAS)5)
- D
TITULUM POSUIT / ERNESTUS. III. PRINCEPS HOLSATIAE, / COMES SCHAUMBURGIAE ET STERNBERGAE, DOMINUS IN GEHMEN ETC: / FRATRIBUS KARISSIMIS ET BENE MERENTIBUS. / AN(NO) CH(RISTI) N(ATIVITATIS) M. D. C. XVI.d)
Übersetzung:
Dem besten und größten Gott geweiht. Dem ewigen Gedenken und der immerwährenden Sorgenfreiheit (der Verstorbenen) geweiht. (A)
Der durchlauchtigste und hochwürdigste Fürst, Herr Herrmann Bischof und Herzog von Minden, Fürst von Holstein, Graf von Schaumburg und Sternberg, Herr zu Gemen usw., ein Bischof von untadeliger Lebensführung und ruhmvoller Förderer der Musen, der wegen seiner Kenntnis in geistlichen und weltlichen Dingen zur Visitation der kaiserlichen Kammer (= des Reichskammergerichts) berufen wurde, hatte sich dabei höchstes Lob für sein besonnenes Vorgehen erworben. Nachdem er vom Bischofsamt, welches er 16 Jahre lang gut und rechtschaffen ausgeübt hatte, wegen Unrechtmäßigkeiten des Klerus freiwillig zurückgetreten war, begab er sich in seine väterliche Heimstatt, die Arensburg. Dort starb er elf Jahre danach fromm und heilig und wurde in dieser Kirche beigesetzt. Er lebte 46 Jahre, vier Monate und vier Tage. Er starb im Jahr 1592, drei Tage vor den Nonen des März. (B)
Der durchlauchtigste und hochwürdigste Fürst, Herr Anton, Bischof und Herzog von Minden, Fürst von Holstein, Graf von Schaumburg und Sternberg, Herr zu Gemen usw. war als Bischof öffentlich glanzvoll, privat freigebig, in jeder Hinsicht bescheiden: Nach zwölfjähriger Verwaltung des Bischofsamts verabschiedete er sich von dieser verdorbenen Welt und begab sich im bischöflichen Schloss Petershagen zu den blauen Hallen des Himmels. Er wollte, dass seine sterblichen Reste von dort überführt werden und hier im väterlichen Grabmal ruhen sollten. Er lebte 49 Jahre, zehn Monate und 13 Tage. Er starb im Jahr 1599 nach Christi Geburt zwölf Tage vor den Kalenden des Februar. (C)
Die Inschrift hat Ernst III., Fürst von Holstein, Graf von Schaumburg und Sternberg, Herr zu Gemen usw. seinen herzlich geliebten und hochverdienten Brüdern gesetzt im Jahr 1616 nach Christi Geburt. (D)
Textkritischer Apparat
- FAVITOR.] Fautor. Dolle.
- EXUVIAS] EXUVLAS Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter, Tebbe.
- EXANTE] exaute Dohm, Culemann, Dolle.
- M. D. C. XVI.] M. D. C. VI. Dohm, Culemann, Dolle, Paulus.
Anmerkungen
- Von Schroeder, Bischof Hermanns Möllenbecker Epitaph, S. 96; Bernstorf, Bischof Hermann von Minden, S. 116f. mit Anm. 104.
- Tebbe, Epitaphien, Nr. 19, S. 188. Offen bleibt, ob Tebbe das Objekt persönlich in Augenschein genommen hat; die Inschrift gibt sie nach einem Beitrag in den Schaumburg-Lippischen Heimatblättern aus dem Jahr 1957 wieder. Auffällig ist immerhin, dass die Tafel nicht im Kunstdenkmälerinventar von Schönermark erwähnt wird; denkbar ist, dass sie zur Zeit der Aufnahme durch Schönermark Ende des 19. Jahrhunderts an unzugänglicher Stelle verwahrt wurde. Dass in den Quellen des 18. Jahrhunderts die Jahreszahl in Inschrift D anders überliefert ist, dürfte mit der Abhängigkeit Culemanns und Dolles von Dohm zu erklären sein; unklar bleibt, inwiefern auch Paulus hier von Dohm abhängt (vgl. von Schroeder, Bischof Hermanns Möllenbecker Epitaph, S. 94–96).
- Vgl. Horaz, carmina 1,22,1.
- 5. März.
- 21. Januar.
- Matrikel Ingolstadt, Teil 1, Bd. 2, Sp. 806 (Eintrag vom 13. Oktober 1560).
- Auf einem Wappenstein, den er an seinem Residenzschloss in Petershagen anbringen ließ, bezeichnete er sich als HERMANNVS · D(EI) · G(RATIA) · POSTV[L]ATVS · ET · CONST[I]TVTVS · ADMINISTRATOR · MINDENSIS (Bernstorf, Bischof Hermann von Minden, S. 88, Anm. 33 u. Abb. 34).
- Alle Angaben zur Biographie Hermanns nach: Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie, Nr. 115, S. 143–145; Aschoff, Hermann, Graf von Schaumburg, S. 285–287 mit weiterführenden Literaturangaben; Bernstorf, Bischof Hermann von Minden (vgl. dort bes. S. 107f. zur Visitation des Reichskammergerichts); B. Bei der Wieden, Bischof Hermann von Minden, S. 41–50; vgl. Paulus, Geschichte des Möllenbecker Klosters, S. 171.
- Matrikel Ingolstadt, Teil 1, Bd. 2, Sp. 938 (Eintrag vom 7. Oktober 1569).
- Aschoff, Anton, Graf von Schaumburg, S. 24f.
- Bereits Otto IV. hatte eine fürstliche Abkunft für sich reklamiert; eine von Kaiser Maximilian II. ausgestellte Urkunde aus dem Jahr 1568 bezeichnet ihn als aus dem Fürstlichen Stammen Holstain gebornen Geschlechts (zit. n. Bei der Wieden, Erhebung, S. 48).
- Zit. n. Bei der Wieden, Erhebung, S. 48. Helge Bei der Wieden nimmt an, dass Goldast selbst Ernst die Anregung dazu gegeben hat, in dieser Weise einen Fürstentitel für sich zu reklamieren. Da Goldast erst 1615 an den Bückeburger Hof kam, würde das die Datierung der Gedenktafel auf 1616 bestätigen.
- Bei der Wieden, Erhebung, S. 52.
Nachweise
- Dohm, Stricturae ad historiam coenobii Mollenbeccensis pertinentes, S. 37.
- [Ernst Albrecht Friedrich Culemann], Fünfte Abtheilung Mindischer Geschichte, Darinnen kürtzlich erzehlet wird, Was sich […] Vom Jahr 1554. bis 1713. Im Stift Minden […] zugetragen, Minden 1748, S. 126 u. 169f. (nach Dohm).
- Dolle, Kurtzgefaßte Geschichte der Grafschaft Schaumburg, S. 593.
- Paulus, Geschichte des Möllenbecker Klosters, S. 173.
- Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter 8 (1957), Nr. 12, ohne Seitenzählung.
- Bernstorf, Bischof Hermann von Minden, S. 117 (B) u. Abb. 38.
- Tebbe, Epitaphien, Nr. 19, S. 188 (nach Schaumburg-Lippische Heimat-Blätter).
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 489 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0048907.
Kommentar
Die gleichmäßig ausgeführte Kapitalis lässt eine Orientierung am klassischen Vorbild erkennen. Bogen- und Linksschrägenverstärkung sowie Strichsporen. Sporen am linken oberen Rand des Buchstabens (z. B. am linken Ende der Deckbalken an F und E, am oberen Bogenende des B und P, am linken Schaft des M und N oder am linken Schrägschaft des V ) sind leicht nach unten umgebogen. Die Cauda des R ist gebogen. Rundes U mit rechtem Schaft.
Hermann von Holstein-Schaumburg wurde am 31. Oktober 1545 als ältester Sohn Graf Ottos IV. und seiner Ehefrau Maria von Pommern geboren. Trotz des Konfessionswechsels in der Grafschaft Schaumburg blieb Hermann katholisch. Er studierte ab 1560 in Ingolstadt6) und Löwen. Bereits 1559 erhielt er eine Pfründe am Kölner Dom, 1562 eine in Lüttich. 1567 wurde er zum Bischof von Minden postuliert und in diesem Amt 1569 durch Kaiser Maximilian II. bestätigt.7) Allerdings verweigerte ihm Papst Pius V. wegen der evangelischen Konfession Graf Ottos IV. zunächst die Bestätigung. Hermann selbst war in dieser Phase konfessionell unentschieden. Die Priesterweihe empfing er nicht. Die Bestätigung als Bischof von Minden erfolgte am 29. Mai 1573 durch Papst Gregor XIII.
1577 wurde Hermann durch den Kurfürsten von Mainz zum Visitator des Reichskammergerichts in Speyer bestellt (VISITANDAE CAMERAE IMPERIALI ASCITUS in Inschrift B). Die Reise nach Speyer fand im Mai 1578 statt; Hermann wurde u. a. von dem schaumburgischen Kanzler Anton von Wietersheim (Nr. 310) begleitet.
Seit 1581 betrieb das Mindener Domkapitel mit Unterstützung des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel die Absetzung Hermanns als Bischof; darauf wird in Inschrift B mit der Formulierung OB CLERI INIURIAS angespielt. Er trat am 29. Januar 1582 zurück und zog sich auf die Arensburg zurück. Hermann heiratete Katharina Hacke, die Tochter eines Bauern. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Hermann starb am 5. März 1592 und wurde am 15. März in der Sakristei des Stifts Möllenbeck bestattet.8)
Anton von Holstein-Schaumburg wurde am 8. März 1549 als vierter Sohn von Graf Otto IV. und Maria von Pommern geboren. Bereits 1559 erhielt er eine Pfründe am Kölner Dom, wo er 1574 Domdechant wurde. Anton hatte wie sein Bruder in Ingolstadt studiert.9) 1580 wurde er Dompropst in Hildesheim. 1587 wurde er als Bischof von Minden eingesetzt, ohne vom Domkapitel gewählt worden zu sein. Seine Position gegenüber den von den Herzögen von Braunschweig-Wolfenbüttel unterstützten protestantischen Landständen war schwach; er betrieb keine Rekatholisierungsversuche. Sein späterer Amtsnachfolger Christian von Braunschweig-Lüneburg wurde ihm als Koadjutor zur Seite gestellt. Anton starb am 21. Januar 1599 in Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen) und wurde am 26. Februar in der Sakristei der Möllenbecker Stiftskirche bestattet.10)
Die vorliegende Gedenktafel ließ Graf Ernst von Holstein-Schaumburg für seine Brüder anfertigen. Er bezeichnet sich und seine Brüder auf ihr als PRINCEPS HOLSATIAE, obwohl erst 1619 Graf Ernst der Fürstentitel zugesprochen wurde; wahrscheinlich diente ihm zur Untermauerung dieses Anspruchs die Tatsache, dass die Rendsburger Linie der Schaumburger den Titel der Herzöge von Schleswig erlangt hatte.11) Aus einer Instruktion Ernsts an Melchior Goldast aus dem Jahr 1616 geht hervor, dass er der Ansicht war, dass die Graffschafft Holstein eine abgesonderte unmittelbare uhralte Fürst. Graffschafft des Reichs jeder Zeit gewest und noch ist.12) Die Gedenktafel dient somit auch dazu, die Ansprüche des Schaumburger Grafenhauses zu demonstrieren. Dass sich Ernst als Fürst und Graf zu Holstein-Schaumburg titulierte, rief später König Christian IV. von Dänemark als Inhaber des Herzogtums Holstein auf den Plan, so dass Ernst sich schließlich „Fürst des Reichs, Graf zu Holstein-Schaumburg“ nannte.13)
Ungewöhnlich ist auch die Titulatur EPISCOPUS AC DUX MINDENSIS für die Bischöfe von Minden; DUX dürfte sich auf die landesherrliche Gewalt des Bischofs über das Hochstift beziehen.