Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)

Nr. 459(†) Bückeburg, Schloss 1604–1609

Beschreibung

Neun Bildteppiche. Wolle und Seide. Die Teppiche befanden sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Speisesaal des Schlosses Stadthagen,1) ab den 1920er-Jahren im Palais Bückeburg in der Herminenstraße.2) Zwei der Teppiche sind seit 1945 verschollen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Herbst 2015 waren sechs Teppiche im sogenannten Gobelinsaal des Schlosses Bückeburg aufgehängt; sie werden hier nach der aktuellen Hängung im Uhrzeigersinn beschrieben, beginnend mit der Nordostwand. Ein weiterer Teppich, der 1989 bei einer Ausstellung im Weserrenaissance-Museum Schloss Brake gezeigt wurde,3) hing in einem nicht zugänglichen Privatraum.

Alle Teppiche bestehen aus einem großen Bildfeld in der Mitte, darum eine Randbordüre, die auf allen Teppichen ähnlich gestaltet ist. Mit Ausnahme des letzten Teppichs findet sich auf den jeweils linken und rechten Randbordüren eine weibliche Gestalt unter einer von zwei Säulen getragenen Rundbogenarchitektur sowie Rankenwerk, Blumen und Früchte. Auf den übrigen Flächen einzeln gerahmte Bildfelder, die dekorative Elemente, aber auch Embleme zeigen. Einigen der Felder auf den Rahmenleisten sind Inschriften auf Rollwerkkartuschen beigeordnet. Manche Bildteppiche bzw. ihre Randbordüren scheinen umgearbeitet worden zu sein.

Akademie der Wissenschaften zu Göttingen (Katharina Kagerer) [1/8]

Anmerkungen

  1. 1.Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 29. Abbildungen der damaligen Hängung bei Borggrefe/von Büren, Schloss Stadthagen, S. 35 und in Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, Tafel 5.
  2. 2.Göbel, Wandteppiche III,2, Abb. 93a.
  3. 3.Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 743, S. 442.

Teppiche im Gobelinsaal

Der erste Teppich an der Nordostwand links zeigt einen lorbeerbekrönten römischen Feldherrn, umgeben von weiteren männlichen Personen. Im Hintergrund Reiter. Die Szene dürfte aus einem ursprünglich breiteren Teppichstück ausgeschnitten worden sein. Die linke Randbordüre ist aus zwei Teilstücken zusammengesetzt. Die rechte Randbordüre zeigt unten unter der Bogenarchitektur ein Chamäleon. In der rechten oberen Ecke ist ein Flicken aufgesetzt, der in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift zeigt.

Maße: H.: 192 cm; B.: 125 cm; Bu.: 1,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. I

    · IN · ADVLATORES ·

Übersetzung:

Gegen die Schmeichler.

Der zweite Teppich an der Nordostwand rechts zeigt einen Mann und eine Frau, die sich die rechte Hand reichen, im Hintergrund mehrere männliche Gestalten. Einer der Männer trägt eine Kiste auf dem Kopf. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur einen Vogel, der auf einem kleinen aus dem Wasser emporragenden Felsstück ein Nest baut, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur einen Adler auf einer Grabtumba. An den Seitenwangen der Tumba verläuft an zwei Seiten die hell eingewirkte Inschrift B, deren erster Teil auf hellblauem Grund, der zweite auf dunkelblauem Grund eingewirkt ist. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift C. Auf der unteren Randbordüre in der Mitte eine querovale Kartusche mit der Darstellung eines in einer Landschaft auf einer Decke gelagerten Mannes, hinter ihm ein Engel, neben ihm eine kniende Frau; rechts springt ein Schwein davon.

Maße: H.: ca. 310 cm; B.: 150 cm; Bu.: 1,4–1,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. II A

    · EX PACE VBERTAS4)

  2. II B

    ARISTOME/NIS

  3. II C

    SIGNA · FORTIVM5)

Übersetzung:

Aus dem Frieden entsteht Fülle. (A)
[Grabmal] des Aristomenes. (B)
Zeichen der Tapferen. (C)

Anmerkungen

  1. 4.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1536, fol. C8v: Ein Eisvogel baut auf dem windstillen Meer ein Nest aus reichlichen Früchten.
  2. 5.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 40. Aristomenes war ein messenischer Feldherr, der von einem Adler aus einer Schlucht gerettet worden sein soll (Pausanias, Descriptio Graeciae, 4,18,5). Die Legende, dass ein Adler sein Grab bewachte, beruht auf einem Gedicht des Antipater Sidonius (Anthologia Graeca 7,161): Der Adler wird gefragt, weshalb er auf dem Grab des Aristomenes stehe. Er antwortet, dass, so wie er der Hervorragendste unter den Vögeln sei, Aristomenes der Hervorragendste unter den jungen Männern gewesen sei. Tapfere Leute würden es verdienen, dass über ihrem Grab der Adler wache, während Feiglinge von Tauben bewacht würden.

Der dritte Teppich an der Südostwand links zeigt im Vordergrund Soldaten und Rüstungsteile, im Hintergrund ein Feldherrenzelt, davor ein Tisch, an dem Soldaten ihr Lohn ausbezahlt wird. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung eines Mannes in vornehmer Kleidung; seine nackten Beine sind durch ein Brett hindurchgesteckt. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur einen Adler auf einer Grabtumba. An den Seitenwangen der Tumba verläuft an zwei Seiten die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift B. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift C. Am rechten Rand im unteren Fünftel des Teppichs die eingewirkte Künstlersignatur D (M42). Die obere und untere Randbordüre sind um 90° gedreht.

Maße: H.: ca. 310 cm; B.: 271 cm; Bu.: 1,6–2,2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. III A

    IN · AVLICOS ·6)

  2. III B

    ARISTOME·/NIS

  3. III C

    SIGNA · FORTIVM7)

  4. III D

    I(OST) V(AN) H(ERSEELE)

Übersetzung:

Gegen die Höflinge. (A)
[Grabmal] des Aristomenes. (B)
Zeichen der Tapferen. (C)

Anmerkungen

  1. 6.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 94. Das Epigramm lautet dort: Vana Palatinos quos ducat aula clientes, Dicitur auratis nectere compedibus. („Man sagt, dass der eitle Hof, der die Palastvasallen an sich ziehen mag, sie mit goldenen Fußfesseln bindet.“)
  2. 7.S. oben Anm. 5.

Der vierte Teppich an der Südostwand rechts zeigt einen Triumphzug mit dem siegreichen Feldherrn auf einem von zwei Pferden gezogenen Wagen, im Vordergrund kauernde Frauen. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung einer Laute auf einem Kissen vor einem Vorhang. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur eine hochovale Rollwerkkartusche mit der Darstellung eines Vogels. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift B. Auf der oberen Randbordüre Felder mit Blumen, Früchten und Vögeln. Dazwischen ein Feld mit der Darstellung eines Löwen (links), darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift C, sowie rechts ein Feld mit der Darstellung eines Schlangenkopfes, der aus dem Gras hervorkommt, rechts daneben ein Reptil mit einem Stachelkamm; darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift D. Auf der unteren Randbordüre Fruchtgehänge und Satyrn. Dazwischen ein Feld (links) mit der Darstellung einer Schildkröte vor einer sich aufbäumenden Schlange, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift E. In der Mitte eine querovale Kartusche mit der Darstellung eines in einer Landschaft auf einer Decke gelagerten Mannes, hinter ihm ein Engel, neben ihm eine kniende Frau; rechts springt ein Schwein davon. Rechts ein Feld mit der Darstellung des Heroldsstabs und des Flügelhuts des Merkur, flankiert von zwei Füllhörnern, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift F.

Maße: H.: ca. 310 cm; B.: 326 cm; Bu.: 1,5–2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. IV A

    FOEDERA8)

  2. IV B

    · PVDICITIA ·9)

  3. IV C

    · DVM · TIMEOR TIMEa) ·10)

  4. IV D

    NVSQVAM TVTA FIDES11)

  5. IV E

    NE CONTAGIA · LEDANT12)

  6. IV F

    VIRTVTI · FORTVNA · COMES13)

Übersetzung:

Verträge. (A)
Schamhaftigkeit. (B)
Ich fürchte, solange ich gefürchtet werde. (C)
Nirgends ist auf Treue Verlass. (D)
Möge die Berührung nicht schaden. (E)
Das Glück ist Begleiter der Tüchtigkeit. (F)

Versmaß: Hemiepes (C–D), zweite Hälfte eines Hexameters (E), Anfang eines Hexameters bis zur Hephthemimeres (F).

Textkritischer Apparat

  1. TIME] wohl statt TIMEO. Diese Fassung liegt der Übersetzung zugrunde.

Anmerkungen

  1. 8.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 16. Abgehoben ist auf die harmonische Stimmung aller Saiten.
  2. 9.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1584, fol. h9v. Dass ein Vogel zum Symbol für die Keuschheit wird, beruht auf einer Notiz in der Historia animalium des Aelian (3,42), wonach sich der Purpurvogel selbst erdrossele, wenn seine Frau fremdgehe.
  3. 10.Der Text DUM TIMEOR TIMEO ist auf einem um 1565 entstandenen flämischen Bildteppich in der Sammlung des Palazzo Borromeo auf der Isola Bella (Lago Maggiore) nachgewiesen. Dort ist in einem Medaillon ein Löwe abgebildet, der sich vor einem Hahn fürchtet. Dies beruht auf Plinius, naturalis historia 8,52 u. 10,47 (vgl. Marcel Roethlisberger, La Tenture de la Licorne dans la Collection Borromée, in: Oud Holland 82 (1967), S. 85–115, dort S. 87). – Auf dem vorliegenden Teppich, wo nur der Löwe zu sehen ist, ist die Inschrift wohl so zu verstehen, dass ein (tyrannischer) Herrscher, der von seinen Untertanen gefürchtet wird, selbst Grund zur Furcht hat.
  4. 11.Vergil, Aeneis 4,373. Embleme mit diesem Motto zeigen einen Elefanten (Henkel/Schöne, Emblemata, Sp. 416f.), kommen also nicht als Vorlage für das Bildmotiv in Frage.
  5. 12.Das Emblem aus Schildkröte und Schlange mit der Beischrift NE CONTAGIA LEDANT findet sich auch auf Teppichen eines Romulus- und Remus-Zyklus, der vermutlich um 1560 in Brüssel in der Werkstatt des Frans Geubels entstanden ist und sich jetzt im Kunsthistorischen Museum in Wien befindet (Guy Delmarcel, Flemish Tapistry, New York London 1999, S. 158–160 mit Abb. 5.4 und 5.5). Die Darstellung beruht auf einer Erklärung in Aelians De natura animalium, wonach die Schildkröte, wenn sie Schlangenfleisch fresse, zugleich Majoran zu sich nehme, um vor dem Schlangengift sicher zu sein (De natura animalium 3,5 u. 6,12; vgl. auch Plinius, Naturalis historia 8,98).
  6. 13.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1536, fol. C7v.

Der fünfte Teppich links neben der Tür zum Goldenen Saal zeigt einen lorbeerbekrönten Feldherrn ohne Rüstung, aber mit Schwert, sitzend auf einem Postament, hinter ihm zwei junge Männer mit Lanze und Schild. Zu seinen Füßen kauert eine Frau. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur eine Laute, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung eines Mannes in vornehmer Kleidung stehend in einer Landschaft, neben bzw. hinter ihm zwei Füchse. Darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift B. Die obere Randbordüre zeigt einen Satyrn und Fruchtgehänge, die untere eine querovale Kartusche mit der Darstellung eines bärtigen Mannes, der einem nackten Knaben zwei nicht identifizierbare Gegenstände gibt. Am rechten Rand im unteren Fünftel des Teppichs die Künstlersignatur C (M42).

Maße: H.: ca. 310 cm; B.: 147 cm; Bu.: 1,4–1,9 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. V A

    · FOE·DERA ·14)

  2. V B

    LASCIVIA15)

  3. V C

    I(OST) V(AN) H(ERSEELE)

Übersetzung:

Verträge. (A)
Zügellosigkeit. (B)

Anmerkungen

  1. 14.Vgl. oben Anm. 8.
  2. 15.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 87.

Der sechste Teppich rechts neben der Tür zum Goldenen Saal zeigt einen Feldherrn in Rüstung zu Pferd, auf seinem Helm ein Lorbeerkranz. Neben ihm weitere Soldaten, im Hintergrund Schlachtgewimmel. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung einer Schlange, die sich um einen mit der Spitze nach unten gekehrten Pfeil windet. Darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf blauem Grund eingewirkte Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung eines Vogels, der sein Gefieder putzt, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift B. Die obere Randbordüre zeigt im mittleren Feld einen Satyrn und Fruchtgehänge. Links davon ein Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift C. Auf der rechten Seite eine Darstellung des Tantalus, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift D. Die untere Randbordüre zeigt Blumen und Früchte, in der Mitte eine querovale Kartusche mit der Darstellung eines Mannes, der eine Eule fangen will. Am rechten Rand im unteren Viertel des Teppichs die eingewirkte Künstlersignatur E (M42).

Maße: H.: ca. 310 cm; B.: 225 cm; Bu.: 1,5–2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. VI A

    MATVRANDVM16)

  2. VI B

    IN · SORDIDOS17)

  3. VI C

    · IN ADVLARI · NESCIENTEM ·18)

  4. VI D

    · AVARITIA ·19)

  5. VI E

    I(OST) V(AN) H(ERSEELE)

Übersetzung:

Man muss sich beeilen. (A)
Gegen die Schmutzigen. (B)
Gegen den, der es nicht versteht zu schmeicheln. (C)
Habgier. (D)

Anmerkungen

  1. 16.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 26. Bei Alciato wird ein Fisch mit der Bezeichnung Echeneis („Schiffshalter“) genannt. Diese Fischart saugt sich an größeren Tieren oder auch Schiffsrümpfen fest; daraus entstand die Vorstellung, sie würden Schiffe in ihrer Fahrt hemmen (Plinius, Naturalis historia 9,79). Das Tier auf dem Teppich ist aber eindeutig als Schlange zu identifizieren, möglicherweise ein Versehen des Teppichwirkers.
  2. 17.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 95.
  3. 18.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 42. Derjenige, der es nicht versteht zu schmeicheln, wird mit einem störrischen Pferd verglichen, das seinen Reiter abwirft.
  4. 19.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 92. Tantalus gehört zu den Unterweltsbüßern der antiken Mythologie. Er war in einem See gefangen, hatte jedoch stets Durst, weil der Wasserstand sank, sobald er versuchte zu trinken, und Hunger, denn sobald er sich zu den Zweigen eines Obstbaums über ihm emporreckte, schnellten dessen Äste zurück.

Teppich in einem Privatraum

Der (siebte) Teppich zeigt den Feldherrn in derselben Kleidung wie auf dem fünften Teppich. Er steht am rechten Bildrand und grüßt einen Reiter. Im Vordergrund kauert eine Frau auf dem Boden, die zum Feldherrn aufblickt. Die linke Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung einer Schlange, die sich um einen mit der Spitze nach unten gekehrten Pfeil windet. Darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf blauem Grund eingewirkte Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigt unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung eines Chamäleons, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift B. Die obere Randbordüre zeigt im mittleren Feld einen Satyrn und Fruchtgehänge. Links davon ein Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkten Inschrift C. Auf der rechten Seite eine Darstellung des Tantalus, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunkelblauem Grund eingewirkte Inschrift D. Die untere Randbordüre zeigt Blumen und Früchte, in der Mitte eine querovale Kartusche mit der Darstellung eines Mannes, der eine Eule fangen will. Die linke, obere und untere Randbordüre und deren Inschriften entsprechen dem sechsten Teppich.20)

Inschriften nach Abb. bei Großmann.

Maße: H.: ca. 324 cm; B.: 210 cm; Bu.: 1,8 cm.21)

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. VII A

    · MATVRANDVM22)

  2. VII B

    IN ADVLATORES23)

  3. VII C

    · IN ADVLARI NESCIENTEM ·24)

  4. VII D

    · AVARITIA25)

Übersetzung:

Man muss sich beeilen. (A)
Gegen die Schmeichler. (B)
Gegen den, der es nicht versteht zu schmeicheln. (C)
Habgier. (D)

Anmerkungen

  1. 20.Beschreibung nach Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 743 u. Abb. Farbtafel 18 (E).
  2. 21.Gesamtmaße nach Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 743 (dort sind Höhe und Breite vertauscht). Für die Angabe der Buchstabenhöhe danke ich Oliver Glißmann (Schloss Bückeburg).
  3. 22.S. oben Anm. 16.
  4. 23.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 61. Der Schmeichler wird mit einem Chamäleon verglichen, weil er sein Aussehen ständig verändere und weil er wie das Chamäleon immer nach der Luft schnappe, von der er lebe. Plinius d. Ä. zufolge (Naturalis historia 8,122) lebt das Chamäleon allein von Luft.
  5. 24.S. oben Anm. 18.
  6. 25.S. oben Anm. 19.

Seit 1945 verschollene Teppiche

Der (achte) querrechteckige Teppich zeigte einen lorbeerbekrönten Feldherrn, der nach einem Schild greift. Im Hintergrund war die Erstürmung einer Stadt zu sehen. Die linke Randbordüre zeigte unterhalb der Rundbogenarchitektur die Darstellung eines Mannes in vornehmer Kleidung; seine nackten Beine sind durch ein Brett hindurchgesteckt. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift A. Die rechte Randbordüre zeigte unterhalb der Rundbogenarchitektur einen Adler auf einer Grabtumba. An den Seitenwangen der Tumba verlief an zwei Seiten die hell auf dunklem Grund eingewirkte Inschrift B. Darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift C. Auf der oberen Randbordüre Felder mit Blumen, Früchten und Vögeln. Dazwischen ein Feld mit der Darstellung einer Sphäre, deren Achse von einem Vogelkörper gebildet wird (links), darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift D. Rechts ein Feld mit der Darstellung eines Tieres (Wölfin?); darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift E. Auf der unteren Randbordüre Fruchtgehänge und Satyrn. Dazwischen ein Feld (links) mit der Darstellung von nicht genau identifizierbaren Mischwesen, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunklem Grund eingewirkte Inschrift F. In der Mitte ein querovales Feld mit der Darstellung eines in einer Landschaft gelagerten nackten Mannes, der von Schlangen und einem drachen- oder basiliskenartigen Wesen angegriffen wird. Rechts ein Feld mit der Darstellung eines nicht näher identifizierbaren Mischwesens, darunter in einer Rollwerkkartusche die hell auf dunklem Grund eingewirkte Inschrift G.26)

Inschriften nach Schloss Bückeburg, Inventarmappe 54, Nr. 9.

Maße: H.: 314 cm; B.: 377 cm.27)

  1. VIII A

    · IN · AVLICOS ·28)

  2. VIII B

    ARISTO[M]E/[NIS]

  3. VIII C

    SINAb) FORTIVM29)

  4. VIII D

    INVIOLABILE TELVM CVPIDINISc)30)

  5. VIII E

    NE GRAVIORA · FERAM31)

  6. VIII F

    MVLTAE NOCENDI ARTES ·32)

  7. VIII G

    SIC VITA · TIRANNI ·33)

Übersetzung:

Gegen die Höflinge. (A)
[Grabmal] des Aristomenes. (B)
Zeichen der Tapferen. (C)
Der unverletzliche Pfeil Amors. (D)
Damit ich nicht Schlimmeres ertragen muss. (E)
Viele Techniken zu schaden. (F)
So ist das Leben des Tyrannen. (G)

Versmaß: Zweite Hälfte eines Pentameters (E), Schluss eines Hexameters (G).

Textkritischer Apparat

  1. SINA] statt SIGNA.
  2. INVIOLABILE TELVM CVPIDINIS] wohl statt INVIOLABILES TELO CVPIDINIS.

Anmerkungen

  1. 26.Beschreibung nach Bruck, Ernst zu Schaumburg, Abb. 22.
  2. 27.Maße nach Schloss Bückeburg, Inventarmappe 54: Wandteppiche (Gobelins), o. J., Nr. 9.
  3. 28.S. oben Anm. 6.
  4. 29.S. oben Anm. 5.
  5. 30.Alciato, Emblemata, Ausgabe von 1550, S. 86: Inviolabiles telo Cupidinis. Das Epigramm enthält eine Anleitung, wie man mithilfe eines Wendehalses bzw. einer Bachstelze einen Schutzzauber gegen die Pfeile Amors herstellen könne.
  6. 31.Walther, Proverbia, Nr. 9346: Ferre minora volo, ne graviora feram („Ich will etwas weniger Schlimmes aushalten, damit ich nicht etwas Schlimmeres ertragen muss“); vgl. Thesaurus proverbiorum medii aevi, Bd. 7, S. 95. Dieses und die folgenden Motti sind in Laurentius Schraders Monumenta Italiae als Bildbeischriften aus Turin überliefert (Monumentorum Italiae, Quae hoc nostro saeculo et à Christianis posita sunt, libri quatuor. Editi à Laurentio Schradero Halberstadien(si) Saxone, Helmstedt 1592, fol. 377r). Andere Nachweise nicht gefunden.
  7. 32.Schrader, Monumenta Italiae, fol. 377r; s. oben Anm. 31. Die Wendung ist abgeleitet von einem Vergilzitat: mille nocendi artes (Aeneis 7,338).
  8. 33.Schrader, Monumenta Italiae, fol. 377r; s. oben Anm. 31.

Der (neunte) hochrechteckige Teppich zeigte die Begegnung eines lorbeerbekrönten Feldherrn mit einer Frau, die eine Krone auf dem Kopf trägt. Der Feldherr ist begleitet von mehreren Männern mit Amphoren, hinter der Frau drei weitere Frauen. Die Randbordüren sind um 90° gegenüber der originalen Anbringung gedreht. Sie zeigen Blumen und Früchte. Die schmalen links und rechts angesetzten Bordüren bildeten ursprünglich die obere oder untere Bordüre eines querrechteckigen Teppichs. Auf der linken Randbordüre ein Feld mit der Darstellung eines Tieres (Wölfin?); darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift A. Auf der rechten Randbordüre ein Feld mit einer nicht identifizierbaren Darstellung, darunter eine Rollwerkkartusche mit der hell auf dunklem Grund eingewirkten Inschrift B.34)

Inschriften nach Abb. 23a bei Bruck.

Maße: H.: 314 cm; B.: 264 cm.35)

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. IX A

    NE GRAVIORA FERAM36)

  2. IX B

    · SIC · VITA · TIRANNI ·37)

Übersetzung:

Damit ich nicht Schlimmeres ertragen muss. (A)
So ist das Leben des Tyrannen. (B)

Anmerkungen

  1. 34.Beschreibung nach Bruck, Ernst zu Schaumburg, Abb. 23a.
  2. 35.Maße nach Schloss Bückeburg, Inventarmappe 54: Wandteppiche (Gobelins), o. J., Nr. 7.
  3. 36.S. oben Anm. 31.
  4. 37.S. oben Anm. 33.

Kommentar

Die Inschriften sind in einer Kapitalis mit Strichsporen ausgeführt.

Der niederländische Teppichwirker Jost II. van Herseele ist erstmals 1590 im Kirchenbuch der niederländischen Gemeinde von Stade anlässlich der Taufe seiner Tochter nachgewiesen. Er war der Sohn des von 1580 bis 1586 in Antwerpen tätigen Teppichwirkers Jost I. von Herseele.38) 1611 schloss Jost II. eine zweite Ehe mit Katherine de Barri.39) Er betrieb von 1589 bis mindestens 1621 in Hamburg eine Teppichwirkerei.40) Graf Ernst von Holstein-Schaumburg gab bei ihm mehrere Bildserien für das Schloss Bückeburg in Auftrag: 1604/05 elf oder zwölf Teppiche mit Szenen aus dem Leben des Kaisers Augustus, 1607 elf Teppiche einer Scipio-Szenenfolge, 1607–1609 sieben weitere Teppiche mit Szenen aus dem Leben des Augustus, die 1644 an Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel verschenkt wurden.41) 1605 wurde über die Anfertigung von sechs Teppichen über das Thema „Pompeius“ verhandelt, wobei hier nicht überliefert ist, bei welchem Hamburger Teppichwirker sie in Auftrag gegeben wurden. Ferner ist in den Archivquellen eine Geschichte vom verlorenen Sohn nachgewiesen, die vermutlich aus den Niederlanden angekauft wurde.42) Unklar ist, welcher bzw. welchen Serien die erhaltenen Bildteppiche angehören.43)

Anmerkungen

  1. 38.Delmarcel, Flemish Tapestry (wie oben Anm. 12), S. 366; dort auch eine Abbildung des Meisterzeichens Josts I. von Herseele, das weitgehend dem seines Sohnes gleicht; der Schaft des I ist hier zusätzlich durchstrichen.
  2. 39.Göbel, Wandteppiche III,2, S. 113.
  3. 40.Göbel, Wandteppiche III,2, S. 114.
  4. 41.Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 743, S. 442f.; vgl. Göbel, Wandteppiche III,2, S. 11. Vgl. Bruck, Ernst zu Schaumburg, S. 30.
  5. 42.Göbel, Wandteppiche III,2, S. 115.
  6. 43.Im Kunstdenkmälerinventarband ist angegeben, dass sich im Schloss Stadthagen „8 bzw. 9 Gobelins“ einer Rolandsgeschichte befänden (Kdm. Kreis Schaumburg-Lippe, S. 49).

Nachweise

  1. Bruck, Ernst zu Schaumburg, Abb. 21, 22, 23a u. b (III, IV, IX, VIII).
  2. Schloss Bückeburg, Inventarmappe 54: Wandteppiche (Gobelins), o. J.
  3. Göbel, Die Hamburger Wandteppich-Manufaktur des Joos van Herseele, S. 421, 423, 425 (IV, VI, VII).
  4. Göbel, Wandteppiche III,2, Abb. 93a (III).
  5. Großmann (Hg.), Renaissance im Weserraum, Bd. 1: Katalog, Nr. 743 u. Abb. Farbtafel 18 (V).

Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 459(†) (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0045909.