Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 426 Stadthagen, Am Kirchhof 7–9 1603
Beschreibung
Haus. Fachwerk, traufenständig zum Kirchhof, etwa elf Gefache lang, zweigeschossig. Die Inschrift verläuft an der Traufseite des Gebäudes am Schwellbalken des zweiten Obergeschosses. Sie ist erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt, in Gold auf schwarzem Grund gefasst und an verschiedenen Stellen mit Wappen und Zierelementen geschmückt: Vor dem Beginn der Inschrift ein kreuzförmiges Ornament, nach ERBAWET abwechselnd hintereinander drei kreuzförmige Ornamente und zwei Wappenschilde jeweils mit einem Schildchen als Wappenbild,1) nach RADT ein Wappenschild mit dem Wappen von Stadthagen, am Ende der Inschrift ein Ornament. Vor RADT aufgrund einer Verzapfung ein größeres Spatium. Der Schwellbalken ist an seiner Unterkante mit Perlschnur-Schnitzerei verziert.
Maße: Bu.: ca. 10 cm.
Schriftart(en): Schrägliegende Kapitalis.
NACH CHRISTI GEBVRT · 1603 · BVRCHART GODEKER · VND · FRANS · WESTERMAN · OLDERLVDE · ZV · S(ANKT) · MARTIN · ERBAWETa) DEb) RADT ZUM · GREVENALFESHAGEN
?,2) ?,3) Stadthagen4) |
Textkritischer Apparat
- ERBAWET] fehlt Weiland, Die alten Häuser in Stadthagen.
- DE] fehlt Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer.
Anmerkungen
- Unklar ist, ob ein ursprünglich anderes Wappenbild durch Verwitterung und Übermalungen verloren gegangen ist. Denkbar ist auch, dass es sich lediglich um stilisierte Wappen der beiden genannten Älterleute, die vermutlich kein eigenes Wappen führten, handelt.
- Wappen ? (Schildchen).
- Wappen ? (Schildchen).
- Wappen Stadthagen (Nesselblatt im Tor eines dreitürmigen Kastells); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 4, S. 330 u. Tafel 317.
- Wippermann, Regesta Schaumburgensia, Nr. 236; vgl. Husmeier, Ortsverzeichnis, S. 548f. Der erste urkundliche Beleg für „Stadthagen“ bei Wippermann, Regesta Schaumburgensia, Nr. 404b.
- Weiland, Trauungen, S. 6.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 51,25 (abweichend Weiland, Trauungen, S. 6: 1576).
- Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer, Teil 1, S. 98 u. Weiland, Trauungen, S. 6. Im Verzeichnis der Braueramtsberechtigten findet sich folgender Eintrag: „Borchardt Goedeker et Margarete uxor ejus“ (Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 372,5).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, Tafel 7.
- Steinicke, Hausinschriften, S. 45.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 273,10f. Auf Tafel 7 gibt Burchard jedoch lediglich an, Goedeker sei 1628 bereits tot. Steinicke, Hausinschriften, S. 45 nennt ohne Angabe von Quellen 1625 als Todesjahr.
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 54,12.
- Weiland, Trauungen, S. 10 (eigentümlicherweise findet sich zum Jahr 1593 (S. 11) erneut ein Heiratseintrag). Die Eheleute sind in dem 1578 begonnenen Verzeichnis der Braueramtsberechtigten eingetragen (Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 374,2f.; vgl. ebd., S. 399,12f.).
- Burchard, Stadtarchiv Stadthagen, S. 267,2.
- Weiland, Trauungen, S. 10.
- Steinicke, Hausinschriften, S. 45.
- Vgl. auch Steinicke, Hausinschriften, S. 45.
Nachweise
- [Wehling], Stadthagens alte Bauten, 1926, H. 11, ohne Seitenzählung.
- Hesse, Heimatkundliche Wahrzeichen, S. 205, Nr. 698 (teilweise).
- Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer, Teil 2, S. 113.
- Weiland, Die alten Häuser in Stadthagen, S. 295 (mit Abb.).
- Steinicke, Hausinschriften, Nr. 19, S. 44 u. Bildtafel 19.
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 426 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0042603.
Kommentar
Die Inschrift ist in einer schrägliegenden Kapitalis mit dreieckigen Sporen gestaltet. Am Balken des H in BVRCHART Ausbuchtung. Der untere Schrägbalken des K ist geschwungen. Der Schrägschaft des N reicht unter die Grundlinie.
In der Inschrift wird der Stadtname mit GREVENALFESHAGEN, also „Graf Adolfs Hagen“ angegeben. Diese Übersetzung des lateinischen Stadtnamens „indago comitis (Adolfi)“ ins Niederdeutsche taucht erstmals 1287 auf, existierte jedoch, wie man an der Verwendung in der Inschrift erkennen kann, bis ins 17. Jahrhundert neben der Bezeichnung „Stadthagen“ (erster Beleg 1378) weiter.5)
Burchard Goedeker, der sich in der Stadt als Kaufmann betätigte und in der Obernstraße 41 wohnte,6) erwarb 1574 das Bürgerrecht.7) Seine erste Ehefrau hieß Magdalene, in zweiter Ehe war er verheiratet mit Margarethe Wilhelm (begr. 19. Februar 1628).8) Drei Kinder Goedekers sind nachgewiesen: Johann, Cord und Magdalena.9) Goedeker war von 1590 bis 1607 Senator (Ratsherr), 1607 bis 1608 Kämmerer und 1609 bis 1612 Bürgermeister.10) Er starb vermutlich 1621 oder früher, da im Jahr 1621 „Borcherdt Godekers Witwe Margrete“ von einem Jobst Krull und dessen Vetter beklagt wird.11)
Franz Westermann, ebenfalls Kaufmann, erlangte 1590 das Bürgerrecht.12) Im selben Jahr heiratete er Margarethe Peitman.13) Er scheint in zweiter Ehe mit einer Tochter der Familie Rulman verheiratet gewesen zu sein, da in den Stadthäger Ratsprotokollen aus dem Jahr 1608 „Franz Westerman und sein Schwiegervater Johannes Rulman“ erwähnt ist.14) Westermann war Eigentümer des Hauses Echternstraße 42.15) Auch er übte verschiedene öffentliche Ämter aus: Von 1604 bis 1607 war er Senator (Ratsherr), von 1608 bis 1613 Kämmerer und von 1614 bis 1615 Bürgermeister.16)
Neben der Ausübung ihrer Ämter in der städtischen Selbstverwaltung waren Goedeker und Westermann, wie in der Inschrift angegeben, auch als Älterleute in der Kirchengemeindeverwaltung von St. Martini tätig, sie gehörten also sowohl im politischen als auch im kirchlichen Bereich zur Führungsschicht.17)
Das Gebäude beherbergte ursprünglich kirchliche und soziale Einrichtungen, u. a. das Armenhaus.