Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 401† Stadthagen 2. H. 16. Jh.
Beschreibung
Haus. Fachwerk. Der genaue Standort des Hauses ist nicht überliefert. Über den Fenstern des Erdgeschosses Darstellungen eines Pelikans und eines Löwen. Inschrift A auf dem Schwellbalken des Obergeschosses, Inschrift B „am ersten Stock“.1)
Inschrift nach Conze.
- A
Dar rechtschapen kloch wil sin bewiset nicht mit worden allein sunder bewiset mit der daet dat is heren chilonisa) sin radt
- B
Wo Godt nicht sulvest dat hus uprichtet unde schaffet alle dinck darinne so is mit uns nicht uthgerichtet vor [ . . . . . . . . ] starch unde [ . . . . ]2)
Übersetzung:
Wer rechtschaffen und klug sein will, führt den Beweis nicht mit Worten allein, sondern mit der Tat; das ist der Rat des Herrn Chilon. (A)
Wo Gott nicht selbst das Haus aufrichtet und alle Dinge in ihm besorgt, so ist mit uns nichts ausgerichtet vor […] stark und […] (B)
Versmaß: Deutsche Reimverse (A).
Textkritischer Apparat
- chilonis] Cilonus Niedersachsen.
Anmerkungen
- Beschreibung nach Conze, Haussprüche, S. 96f. (Zitat S. 97).
- Vgl. Ps 127,1: Wo der Herr nicht das Haus bawet / So erbeiten vmb sonst / die dran bawen. Vielleicht hatte die zweite Hälfte des Zitats den Tenor: „mögen wir auch noch so stark sein“.
- Dass, wie Flemming angibt, ein gewisser „Chilonis“ der Erbauer des Hauses gewesen sei, ist nicht wahrscheinlich (Flemming, Stadthagener Hausinschriften, ohne Seitenzählung).
- Migne PL 178, 1760A.
- Vgl. Sir 4,34: Noli citatus esse in lingua tua et inutilis et remissus in operibus tuis.
- Art. Pelikan, in: LCI, Bd. 3, Sp. 390–392; P. Bloch, Art. Löwe, in: LCI, Bd. 3, Sp. 112–119, dort Sp. 116f.
- Vgl. Nr. 229. Allerdings soll Weiland zufolge in der Obernstraße 54 bereits 1851 ein Neubau errichtet worden sein (Weiland, Die Häuser und deren Eigentümer, Teil 1, S. 110); möglicherweise hat aber Conze das Material für seinen 1859 publizierten Aufsatz schon früher gesammelt. Ob die Wiedergabe der Inschrift in der Zs. Niedersachsen und bei Flemming auf Autopsie beruht, ist nicht klar.
Nachweise
- Conze, Haussprüche, S. 96f.
- Plattdeutsche Hausinschriften aus Stadthagen, S. 220 (A).
- Flemming, Stadthagener Hausinschriften, ohne Seitenzählung (A).
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 401† (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0040106.
Kommentar
Chilon von Sparta (Mitte 6. Jh. v. Chr.) galt als einer der sieben Weisen der griechischen Antike. Für den Ausspruch, der ihm hier zugeschrieben wird, ließ sich seine Urheberschaft nicht nachweisen.3) Eine Sentenz mit ähnlichem Gehalt stammt aus den Monita ad Astralabium des Petrus Abaelard: Factis non verbis sapientia se profitetur (V. 43).4) Der Gedanke, dass es weniger auf Worte als auf Taten ankomme, geht nicht zuletzt auch auf die Bibel zurück.5)
Der Pelikan, der sich die Brust aufhackt, um seine Jungen zu nähren, und der Löwe, der am dritten Tag mit seinem Atem seine tot geborenen Welpen zum Leben erweckt, sind seit dem frühchristlichen „Physiologus“ als Symbole für Christus verbreitet.6) Die beiden Tiere waren auch am Haus des Oberpredigers Jakob Dammann, vermutlich in der Niedernstraße 7, dargestellt (Nr. 229). Es wäre denkbar, dass auch das vorliegende Haus Dammann gehörte, der nachweislich noch ein zweites Haus in der Obernstraße 54 besaß.7) Die Erwähnung des Chilon in der Inschrift könnte man als Hinweis auf einen gelehrten Erbauer deuten.