Inschriftenkatalog: Landkreis Schaumburg
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 104: Landkreis Schaumburg (2018)
Nr. 79 Möllenbeck, ref. Klosterkirche 1503
Beschreibung
Schlusssteine. Die Schlusssteine in der Kirche zeigen zum Teil erhaben ausgehauene Inschriften, zum Teil aufgemalte Bilder, Wappen und Ornamente. Alle Schlusssteine sind farbig gefasst. Sie wurden 1905 und 1974 restauriert.
Im Gewölbe des Chorraums auf dem Stein des ersten Gewölbejochs von Osten ein Agnus Dei, auf dem Stein des zweiten Jochs das Haupt Christi mit Diadem und Kreuznimbus, zu beiden Seiten die einzelnen Buchstaben der in Beige auf blauem Grund gemalten Inschrift A; aus den Buchstaben wächst jeweils ein Kreuz hervor. Im dritten Joch ein Himmelsloch, auf der hölzernen Abdeckung eine Rosette. Der Schlussstein im vierten Joch zeigt eine Madonna auf der Mondsichel im Strahlenkranz, der Stein im fünften Joch Dionysius mit Krummstab und Mitra, in seiner linken Hand seine Schädelkalotte mit Mitra.1)
Daran schließen sich die Gewölbejoche des Mittelschiffs an: Auf den Schlusssteinen im ersten und zweiten Joch jeweils ein Wappenschild, im dritten Joch ein Himmelsloch, auf der hölzernen Abdeckung ein Rankenornament. Auf dem Schlussstein im vierten Joch ein siebenzackiger Stern. Im fünften Joch ein Himmelsloch, auf der hölzernen Abdeckung eine Rosette. Auf dem Schlussstein des sechsten, westlichsten Jochs die vermutlich erhaben in vertieftem Feld gearbeitete Inschrift B. Sie ist in Gold auf blauem Grund gefasst; die Buchstabenkonturen sind schwarz schattiert. Unterhalb der Inschrift mittig das Steinmetzzeichen M8. Dieses Steinmetzzeichen kehrt auf mehreren der farbig bemalten Schlusssteine wieder, nicht jedoch auf den inschriftentragenden Schlusssteinen.
In den Gewölbejochen des nördlichen Seitenschiffs auf dem ersten Schlussstein von Osten die Inschrift C, auf dem zweiten Stein Inschrift D, auf dem dritten Stein Inschrift E, auf dem vierten Stein Inschrift F. Alle vier Inschriften sind erhaben ausgehauen und in Gold gefasst, die Inschriften C und E auf blauem Grund, die Inschriften D und F auf rotem Grund. Die Konturen der Buchstaben sind schwarz schattiert. Auf dem fünften Stein ist ein achtzackiger Stern aufgemalt, zwischen seinen Zacken acht Kreise. Auf dem sechsten Stein ein Restaurierungsvermerk aus jüngerer Zeit.2)
Auf den Schlusssteinen der Gewölbejoche des südlichen Seitenschiffs finden sich ornamentale Motive: Auf dem ersten Schlussstein von Osten eine heraldische Lilie, begleitet von vier Kreisen, auf dem zweiten Stein vier ins Kreuz gestellte Lilienblüten, auf dem dritten Stein eine Kreuzblume. Der vierte Stein zeigt den gleichen siebenzackigen Stern wie der vierte Schlussstein im Mittelschiff. Auf dem fünften Stein eine fünfblättrige Rose, auf dem sechsten Stein vier ins Kreuz gestellte Lilienblüten.
Vier weitere inschriftentragende Schlusssteine befinden sich an dem die Empore an der Westseite der Kirche tragenden Gewölbe. Auf dem ersten Schlussstein von Norden Inschrift G, auf dem zweiten Stein Inschrift H, auf dem dritten Stein Inschrift I, auf dem vierten Stein Inschrift J. Diese vier Inschriften sind erhaben in vertieftem Feld ausgeführt und in Gold gefasst, die Inschriften G und I auf rotem Grund, die Inschriften H und J auf schwarzem Grund.
Auf zwei weiteren Schlusssteinen in der Sakristei im Westen ein Wappenschild im Relief, darauf ein achtzackiger Stern, im Osten das Haupt Christi im Relief. Im Ganggewölbe zwischen Chor und Ostflügel auf dem südlichen Schlussstein eine Rose, auf dem nördlichen ein Nesselblatt, beide ohne Wappenschild.
Maße: Dm.: ca. 40 cm (A, B), ca. 20 cm (C–J); Bu.: ca. 6 cm (F), ca. 8 cm (A, B, G), ca. 10 cm (C, E, H–J), ca. 12 cm (D).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
Textkritischer Apparat
- Für ihesus.
- Als Kürzungszeichen ein cc-a, zu zwei Quadrangeln reduziert.
- Schaft des h mit einem Kürzungsstrich durchstrichen.
- petr(u)s] als Kürzungszeichen ein Quadrangel über s.
- Für Ihesus.
- Als Kürzungszeichen ein cc-a, zu zwei Quadrangeln reduziert.
Anmerkungen
- Diese Darstellung des Märtyrers Dionysius beruht auf der Legendenversion, wonach der Henker, der ihn enthaupten sollte, statt des Nackens nur die Hirnschale traf. Ungewöhnlich an der vorliegenden Darstellung ist, dass er auf dem Kopf dennoch eine Mitra trägt (vgl. D. Kimpel, Dionysius von Paris, in: LCI, Bd. 6, Sp. 61–67).
- Reinh. Ebeling / Kirchen Maler / Hannover / Anno 1905.
- Vgl. Apc 22,13.
- Wappen Holstein-Schaumburg (Nesselblatt mit drei in der Mitte zusammentreffenden Nägeln belegt); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 1, Teil 2, S. 32 u. Tafel 38.
- Wappen Grafen zur Lippe (fünfblättrige Rose); vgl. Siebmacher, Wappenbuch, Bd. 1, Abt. 3, Reihe 2, Anhang, S. 31 u. Tafel 34.
- DI 88 (Lkr. Hildesheim), Nr. 59; vgl. dazu Nr. 53.
- Heutger, Stift Möllenbeck, 21987, S. 84. Zur Baugeschichte s. Kleßmann, Baugeschichte der Stiftskirche zu Möllenbeck.
Nachweise
- Wippermann, Notizen über das Alter der Kirchen, S. 67 (B, nur Jahreszahl).
- Kdm. Kreis Grafschaft Schaumburg, S. 73 (teilweise).
- Kleßmann, Baugeschichte der Stiftskirche zu Möllenbeck, S. 24 (B).
Zitierhinweis:
DI 104, Landkreis Schaumburg, Nr. 79 (Katharina Kagerer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di104g020k0007901.
Chorraum
A // ω3)
Mittelschiff
anno / xvc · iiio
Übersetzung:
Im Jahr 1503.
Nördliches Seitenschiff
ihsa)
m(ari)ab)
ioh(anne)sc)
s(anctus) petr(u)sd)
Emporengewölbe
Iosep
An(n)a
Ihse)
M(ari)af)
Kommentar
Genau so wie bei den Schlusssteinen im Kreuzgang (Nr. 53) liegt eine sehr aufwändig gestaltete Bandminuskel vor. In den Inschriften C–F sind die Buchstaben in Form von umgeschlagenen, geknickten und gefalteten Bändern gestaltet. Die Plastizität wird zusätzlich dadurch gesteigert, dass das Band an manchen Stellen durch andere Buchstabenteile hindurchgesteckt scheint: Beim p in petr(u)s ist der untere Bogenabschnitt durch den Schaft durchgesteckt, durch den Schaft des h in ihs ist der Kürzungsstrich gesteckt. Einige der Buchstabenenden sind mit ausgezogenen und geschwungenen Zierstrichen versehen. In den Inschriften G–J sind diese Zierstriche zum Teil als Blattranke gestaltet; bei den Versalien gezackte linke Schäfte, auch an den gemeinen Buchstaben vereinzelt Zacken, z. B. am Schaft des s in Iosep. Bei den Inschriften im Kreuzgang waren Zackenreihen noch nicht zum Einsatz gekommen; sie scheinen eine Weiterentwicklung darzustellen, denn auch auf den Schlusssteinen in der Wittenburger Stiftskirche aus dem Jahr 1498, die von den Möllenbecker Steinen beeinflusst sein dürften, finden sich bereits Zackenreihen.6) x mit Mittelbalken; der Rechtsschrägschaft ist nicht durchgezogen; das obere Ende zu einem Quadrangel reduziert. Rundes s mit ausgeprägtem Diagonalstrich. ω in Inschrift A mit waagrechtem Abschlussstrich.
Die Jahreszahl 1503 markiert den Abschluss des Rohbaus der Kirche, die im Jahr 1505 geweiht wurde (vgl. zur Baugeschichte auch Nr. 44).7) Zur Gestaltung der Schlusssteine, die als charakteristisch für Stiftsbauten der Augustinerchorherren aus dieser Zeit gelten kann, vgl. Nr. 53.
Die Auswahl der Heiligen, die in den Inschriften genannt werden, ist um Jesus zentriert. Die an den Emporengewölben versammelte Heilige Familie, die um Anna erweitert ist, verweist auf Jesu Geburt. Maria und Johannes der Täufer im nördlichen Seitenschiff treten auch im Kreuzgang zusammen mit Jesus auf. Ferner sind mit Petrus und (dem bildlich dargestellten) Dionysius die beiden Patrone des Kanonissenstifts Möllenbeck vertreten. Zu den Wappen vgl. Nr. 53.