Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 109 Santa Maria dell’Anima 1551

Beschreibung

Epitaph für den Arzt und Anima-Provisor Dr. Joseph Cincius aus Köln, eingelassen in die Stirnwand des rechten Seitenschiffs (Plan Nr. 35), neben der Tür zur ehemaligen Sakristei1). Querrechteckige Tafel aus hellem Marmor mit einer zwölfzeiligen schwarz gefassten Inschrift.

Maße: H. 69, B. 109, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Santa Maria dell’Anima, Rom (Dr. Ingo Seufert) [1/2]

  1. IOSEPO CINCIO AGRIPPINENSI / PHYSICO MEDICOQ(VE)a) • PRAESTANTISS(IMO) / OB EARVNDEM ARTIVM PRAESTANTIAM / PAREMQ(VE) • PROBITATEM / CIVITATE ROM(ANA) • DONATO / SVMMOQ(VE) • IN EA MAGISTRATV FVNCTO / LAVINIA / BONACCVRSIA FLORENTINA / CINCINNATVS CARVLVSQ(VE)b) / VIRO PARENTIQ(VE) • OPT(IMO) / AET(ATIS) • AN(NO) • L • SAL(VTIS) • MDLI • III • CAL(ENDAS) • MAII / P(OSVERVNT)

Übersetzung:

Dem Kölner Joseph Cincius, dem ausgezeichneten Physikus und Arzt, welcher wegen seiner herausragenden Erfahrenheit in diesen Künsten und seiner gleich großen Redlichkeit mit dem römischen Bürgerrecht beschenkt wurde und darin das höchste Amt ausübte, dem besten Mann und Vater, (gestorben) im Alter von fünfzig Jahren (im Jahr) des Heils 1551 am 29. April, haben Lavinia Bonaccursia aus Florenz sowie Cincinnatus und Carolus, (dieses Denkmal) gesetzt.

Kommentar

Die durch Spatien zwischen den Wörtern und gelegentliche Trennungszeichen strukturierte Inschrift vermittelt durch die gestaffelte Anordnung der Zeilen einen etwas unruhigen Eindruck. Die unauffällig gearbeiteten Buchstaben weisen nur ansatzweise Sporen auf, Linksschrägenverstärkung ist nicht durchgeführt. Als Trennungszeichen dienen kleine Dreiecke.

Der vermutlich einer alteingesessenen Kölner Familie entstammende Joseph Cincius2) trat am 9. Februar 1542 der Anima-Bruderschaft bei und spendete zu diesem Anlass einen Goldgulden „pro cultu divino“3). Cincius war der Leibarzt der berühmten, zunächst mit Alessandro de' Medici, dann mit Ottavio Farnese verheirateten Margarethe von Parma4), die den nach ihr benannten, in der Nachbarschaft der Anima gelegenen Palazzo Madama bewohnte. Als „Giuseppe medico di Madama“ erhielt er am 28. März 1542 nicht nur das römische Bürgerrecht5), sondern übte sogar mit Wirkung vom 1. Oktober 1545 im Rahmen der städtischen Verwaltung das angesehene Konservatorenamt6) aus. Er war verheiratet mit Lavinia, Tochter des bekannten, aus Florenz stammenden Malers und Stukkateurs Pietro Buonaccorsi gen. Perino del Vaga, dem er nach dessen Tod 1547 gemeinsam mit Ehefrau und Schwiegermutter ein im Pantheon befindliches Grabdenkmal stiftete7). In den Jahren 1548/49 fungierte Cincius als Provisor der Anima, verhandelte im April 1549 mit dem Maler Francesco Salviati über die anstehende Fertigstellung der Ausmalung der Markgrafen-Kapelle und konnte im August 1550 den Mitbrüdern die erfolgreiche Vollendung mitteilen8). Sein in der Inschrift genannter Sohn Cincinnatus verstarb am 6. Oktober 1581 und wurde als „nobilis vir“ und „Romanus“ in der vor der Sakristei befindlichen Gruft seines Vaters beigesetzt9). Vermutlich fand dort mit dem 1646 verstorbenen „Waltero Kinckio di Colonia“10) auch ein weiterer Nachkomme seine letzte Ruhe.

Textkritischer Apparat

  1. C aus O verbessert.
  2. Sic!

Anmerkungen

  1. Da Cincius laut Lib. Mort. fol. 16 „ante sacristiam“ begraben worden war, bezeichnet das Epitaph auch seinen Begräbnisplatz.
  2. Die auch unter den Namensformen Kinckius, Kinchius, Kinck(es) oder vielleicht auch Kinkhaus auftretende Familie war bislang erstmals mit dem vor 1609 verstorbenen Severin Kinckius und seiner Frau Ursula Rausch greifbar, deren 1579 geborener Sohn Johann als Buchhändler, Drucker und Verleger und schließlich als Kölner Ratsherr Karriere machte; vgl. dazu Corsten, Kinckius pass.
  3. Lib. Confr. 50. Die gleiche Quelle bezeichnet ihn zudem als „clericus Leodiensis diocesis“, was mit den Angaben der Inschrift offensichtlich nicht übereinstimmt. – Zugleich war er Mitglied der Bruderschaft vom Campo Santo Teutonico; vgl. de Waal, Campo santo 102.
  4. Vgl. dazu den Hinweis bei Nova, Salviati 370 Anm. 13. – Sie war eine natürliche Tochter Kaiser Karls V. und in Italien als Madama d'Austria bekannt.
  5. Vgl. Magni, Repertorio S. 16.
  6. Wenn auch als „Dr. Giuseppe Cenci di Colonna“ irrtümlich einer alten stadtrömischen Familie zugeschlagen, vgl. de Dominicis, Membris. 63 (freundlicher Hinweis meines Kollegen Dr. Andreas Rehberg vom 6. März 2012). Mit „Colonna“ ist vermutlich der römische Stadtteil in der Nähe der Piazza Navona gemeint, in dem Cincius sein Haus gehabt haben dürfte. – Die vom Papst eingesetzten Konservatoren bekleideten das höchste Amt der römischen Kommune unterhalb der Würde des Senators, vgl. dazu Rehberg, Stadtratsprotokolle 273 und 276.
  7. Vgl. Vasari, Vite 3, 743 mit der Edition der heute noch vorhandenen Grabinschrift.
  8. Vgl. dazu Schmidlin, Anima 239f. sowie zur Ausmalung der Kapelle ausführlich Nova, Salviati pass.
  9. Lib. Mort. fol. 24.
  10. Ebd. fol. 61v.

Nachweise

  1. Schrader, Mon. Italiae fol. 145.
  2. Chacon, Inscriptiones fol. 182v-183r.
  3. Gualdi (B) fol. 366.
  4. Forster, Inschriften fol. 3r.
  5. Forcella 3 Nr. 1102.
  6. NN., Inschriften fol. 299.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 109 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0010900.