Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 108 Santa Maria dell’Anima 1551

Beschreibung

Grabplatte für den Lübecker Bischof Dr. Jodocus Hoetfilter, ehemals mitten im Chor1), heute vorne links im Boden des Mittelschiffs (Plan Nr. 60). Von barocker Rahmung umgebene hochrechteckige Platte aus hellem Marmor, im Feld oben die zehnzeilige Grabinschrift (A), gefolgt von seinem in Ritzzeichnung ausgeführtem Vollwappen1), darunter ein aus zwei Distichen bestehendes Grabgedicht (B). Leicht abgetreten, sonst gut erhalten.

Maße: H. 191, B. 99, Bu. 9 (A), 2,5 (B, C) cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Santa Maria dell’Anima, Rom (Dr. Ingo Seufert) [1/1]

  1. A

    D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO)a) / IODOCO HOETFILTERO OSNABVRGEN(SI) / LVBICEN(SI) EP(ISCOP)O • PAVLO III • ET IVLIO III PONT(IFICIBVS) / MAX(IMIS) IN VTRAQ(VE) SIGNAT(VRA) RELATORI ET APVD / MVLTOS ETIAM PRINCIPES GRACIOSO EX / HVMILI LOCO AD SVM(M)OS HONORES VIRTVTE / INDVSTRIA ET LABORIB(VS) EVECTO AMICI / MOERENT(ISSIMI) POS(VERVNT) / VIXIT ANN(OS) LI MENS(ES) III DIES XIIII / OBIIT ANN(O) SAL(VTIS) MDLI IIII K(A)L(ENDAS) MAIAS

  2. B

    QVID LABOR ASSIDVVS POSSIT DARE QVID / FERA PARCADEMERE • QVO SPERES ET METVAS MONEO / ILLE HVMILI SVM(M)OS FVERAT LARGITVS / HONORESHAEC SIMVL ET VITAM MI SVBITO ERIPVIT

Übersetzung:

Dem besten und größten Gott (geweiht). – Jodocus Hoetfilter aus Osnabrück, Bischof von Lübeck, unter den Päpsten Paul III. und Julius III. Relator beider Signaturen und bei vielen, auch Fürsten, beliebt, durch Tüchtigkeit, Fleiß und Mühen aus niederem Stand zu den höchsten Ehrenstellen emporgehoben, haben die höchst betrübten Freunde (dieses Denkmal) gesetzt. Er lebte 51 Jahre, drei Monate und vierzehn Tage, er starb im Jahr des Heils 1551 am 4. Tag vor den Kalenden des Mai (28. April). – Was beständige Arbeit geben, was die strenge Parze nehmen kann, das erzähle ich mahnend, auf dass du Hoffnung und Furcht (zugleich) hegen mögest: Jene (die Arbeit) hat mir, dem Niedriggeborenen, höchste Ehrenstellen eingebracht, diese (die Parze) hat sie mir zugleich mit dem Leben geraubt.2)

Versmaß: Zwei Distichen.

Wappen:
Hoetfilter3).

Kommentar

Die verhältnismäßig breit proportionierte, ohne Linksschrägenverstärkung ausgeführte Kapitalis zeigt mit innen offenem B und R mit stachelförmiger Cauda wenig auffällige Formen. Als Trennzeichen dienen kleine Dreiecke.

Der – laut Inschrift – am 14. Januar 1500 in Osnabrück geborene Jodocus Hoetfilter4) wurde 1517 an der Universität Köln zum „Baccalaureus artium“ promoviert und war 1532 an der Universität Bologna als Doktor des Kirchenrechts eingeschrieben. Seit 1525 in Rom als Notar des Kardinallegaten Lorenzo Campeggio tätig, begleitete er diesen auf seinen Reisen zu den Reichstagen von Augsburg und Regensburg sowie zu einem Besuch Kaiser Karls V. im Jahr 1531. Zurück in Rom wurde er Familiar des Kardinals Alessandro Farnese, des späteren Papstes Paul III., wurde dessen Kubikular und bekleidete zudem als Referendar und Rota-Auditor hohe Ämter an der Kurie. In den 1540er Jahren war Hoetfilter nicht nur in päpstlichem Auftrag in zahlreichen diplomatischen Missionen im Reich unterwegs, sondern fungierte auch als Ratgeber und Unterhändler zahlreicher deutscher Fürsten. Seine zahlreich im Reich erworbenen Benefizien brachten ihm unter Zeitgenossen den Ruf eines „Pfründenjägers“ ein. 1548 von Paul III. zum Bischof von Lübeck erhoben, starb er in Rom an den Folgen eines Bechers „giftigen Weins“5), ohne sein Bistum betreten zu haben. Dr. decr. Jodocus Hoetfilter schrieb sich am 11. Mai 1533 als Dompropst von Lübeck, Propst des Mariengreden-Stiftes in Mainz sowie als Kanoniker von Hildesheim und Minden in das Bruderschaftsbuch der Anima ein und stiftete aus diesem Anlass zehn Golddukaten und drei Kammerdukaten „in subsidium divini cultus ecclesie nationis Germanice“. In den Jahren 1549 und 1550 fungierte er als Anima-Provisor und überwachte in dieser Funktion die Fertigstellung der Ausschmückung der Markgrafen-Kapelle6). Er war eng befreundet mit dem bedeutenden, ebenfalls in der Anima begrabenen Reformtheologen Kardinal Johannes Gropper7).

Textkritischer Apparat

  1. Die drei aus Bronze gefertigten Buchstaben sind eingelegt.

Anmerkungen

  1. Lib. Mort. fol. 16.
  2. Der das Wappen tragende Mittelteil besteht aus einer separat angefertigten Platte aus etwas dunklerem Marmor. Deshalb und aufgrund der nicht in zeitgenössischen Formen ausgeführten Schildform ist davon auszugehen, dass dieser Teil der Grabplatte im Jahr 1774 in Zusammenhang mit der Umgestaltung des Kirchenbodens neu angefertigt worden ist; vgl. dazu Einleitung Kap. 6.
  3. Die Übersetzung der Distichen verdanke den gemeinschaftlichen Überlegungen meiner Kollegen Prof. Dr. Klaus Hallof, Berlin, und PD Dr. Michael Oberweis, Mainz, Schreiben vom 21. September 2012.
  4. Quadriert; Felder 1 und 4: rechtwinklig gebrochener Wellenbalken, überdeckt von einem Pfahl, Felder 2 und 3: geteilt, oben ein geschrumpfter gekrönter Doppeladler, unten drei (2:1gestellte) Rosen. Schild von einer Mitra bekrönt.
  5. Vgl. zum Folgenden ausführlich Wriedt, Hoetfilter pass.
  6. „vino venenoso moriens“, so Lib. Confr. 44. – Vgl. zum Folgenden ebd.
  7. Vgl. Schmidlin, Anima 239.
  8. Vgl. Schwarz, Beiträge 395f. und Nr.118.

Nachweise

  1. Chacon, Romanas Epitafios fol. 207v-208r.
  2. Schrader Mon. Italiae fol. 146v.
  3. Magalotti fol.
  4. Gualdi (B) fol. 361v.
  5. Forster, Inschriften fol. 17r.
  6. Forcella 3 Nr. 1103.
  7. NN., Inschriften fol. 304.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 108 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0010804.