Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 106 Santa Maria dell’Anima (1527) 1550

Beschreibung

Kenotaph des kaiserlichen Prokurators Georg Sauermann aus Breslau, innen neben dem nördlichen Seitenportal in die Wand eingelassen (Plan Nr. 4). Schmale hochrechteckige schmucklose Platte aus weißem Marmor mit 19zeiliger Inschrift, die Buchstaben schwarz gefasst, darüber reliefiertes Vollwappen im Lorbeerkranz. Das rahmenlose, seitlich vermutlich beschnittene Grabdenkmal befindet sich noch am ursprünglichen Standort1).

Maße: H. ca. 175, B. 63, Bu. 3,5-4,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Santa Maria dell’Anima, Rom (Dr. Ingo Seufert) [1/2]

  1. D(EO) • O(PTIMO) • M(AXIMO) • S(ACRVM) / GEORGIO SAVERMANO EQ(VITI) / GERMANO VRATISLAVIEN(SI) / PRAEPOSITO INTERNVNCII / PROCVRATORISQ(VE) MVNERE / PRIMVM APVD LEONEM X • / MOX APVD HADRIANVM VI / AC DEMVM APVD CLEMENTEM / VII • PONTIFICES MAX(IMOS) DIVI / CAROLI • V • AVGVSTI NOMINE / MAGNA FIDEI INTEGRITATIS / AC SAPIENTIAE LAVDE FVNCTO / CVM AMICORVM INCVRIA / PLVRIBVS ANNIS SINE / MONVMENTO FVISSET / VALENTINVS SAVERMANVS / EX FRATREa) NEPOS PATRVI / MEMORIAE VIRTVTI PIETATIQ(VE) / DEDICAVIT AN(NO) • D(OMINI) • M • D • L •

Übersetzung:

Dem größten und besten Gott geweiht. – Für Georg Sauermann, den deutschen Ritter und Dompropst von Breslau, der die Aufgabe des Vermittlers und Prokurators zuerst bei Leo X., bald darauf bei Hadrian VI. und zuletzt bei Clemens VII., den Päpsten, im Namen des göttlichen Kaisers Karl V. mit großem Lob seiner Treue, Rechtschaffenheit und Weisheit ausübte. Weil er aufgrund der Untätigkeit seiner Freunde mehrere Jahre ohne Grabmal gewesen war, hat Valentin Sauermann, sein Neffe von Seiten des Bruders, dem Onkel zur Erinnerung und für Tugend und Pietät (dieses Denkmal) errichten lassen im Jahr des Herrn 1550.

Wappen:
Sauermann2).

Kommentar

Die weitspationierte, mit breiten Buchstaben ausgeführte Inschrift zeigt verhalten durchgeführte Linksschrägenverstärkung und nur wenige Trennzeichen. Auffällig ist die QVE-Kürzung, die durch einen kräftigen rechtsschrägen Strich durch die linksschräge Cauda des Q angezeigt wird.

Georg3) wurde um 1492 als ältester Sohn Konrad Sauermanns und seiner Frau NN. geboren, Mitglieder einer bedeutenden, Mitte des 15. Jahrhunderts aus Franken eingewanderten Breslauer Kaufmanns- und Patrizierfamilie. Ab 1508 studierte er an der eben gegründeten Universität in Wittenberg, dann in Leipzig, schließlich in Bologna, wo er zum Doktor beider Rechte promoviert wurde und 1517 sogar das Amt des Rektors bekleidete. 1519 ging er nach Rom und fand dort wohl aufgrund seiner literarischen Fähigkeiten Aufnahme in die römischen Humanistenkreise4) und wird dort mehrfach – etwa gemeinsam mit dem bekannten italienischen Geschichtsschreiber Paulus Giovio (Jovius) – ehrenvoll erwähnt. Erasmus von Rotterdam lobte ihn, dass er ein junger Mann von ausgezeichneten Anlagen sei, hochgelehrt und für größte Dinge geboren5). Mit Empfehlungen Papst Leos X. versehen, wird er in Spanien von Hadrian, Kardinal und Bischof von Tortosa, dem späteren Papst Hadrian VI., mit Kaiser Karl V. bekannt gemacht und ist von da an in dessen Diensten nachzuweisen. Um 1520 zum Propst der Kathedrale St. Johannes in Breslau sowie zum Dekan des dortigen Kollegiatstiftes Heilig Kreuz ernannt, war Sauermann in Rom für Kaiser Karl V. als dessen Prokurator an der Kurie tätig. Nachdem er nach dem Tod Leos X. den neuen Papst Hadrian in einer Huldigungsschrift gefeiert hatte, unterstützte er dessen direkten Nachfolger Clemens VII. mit einer stark gegen die Reformation gewandten Schrift und veröffentlichte zudem zwei allgemein bewunderte Reden zum Ruhm Karls V. Wohl in Anerkennung seiner literarischen Leistungen6) wurde dem „orator Georgius Sauromanus“ am 29. März 1525 das römische Bürgerrecht verliehen7), und Kaiser Karl V. erhob ihn in Anerkennung seiner Dienste in den Adelsstand8). Sauermann geriet während des Sacco di Roma in die Hände spanischer Landsknechte, wurde ausgeplündert und starb verarmt und vergessen am 31. Oktober 1527 an den Folgen der Pest. Sein genauer Begräbnisplatz ist unbekannt.

Während ihm von seinem Freund und berühmten Dichter Georg von Logau in den beiden erwähnten Breslauer Kirchen zwei (heute verschollene) Grabdenkmäler gesetzt wurden, sorgte im Jahr 1550 in Rom sein Neffe Valentin Sauermann für das vorliegende Kenotaph. Ohne dass Georg oder Valentin Mitglieder der Bruderschaft gewesen wären, gestatteten die Provisoren der Anima „gegen ein Almosen“ in unbekannter Höhe die Errichtung des Denkmals9) und wiesen ihm den Standort zu, an dem es sich noch heute befindet.

Textkritischer Apparat

  1. F korr. aus E.

Anmerkungen

  1. Laut Lib. Mort. fol. 15v wurde das Denkmal im Jahr 1550 genau dort angebracht, nämlich „in pariete iuxta parvam portam versus turrim Sanguineam“.
  2. Gespalten von einem halben Adler und einem springenden Windhund auf einem Schrägbalken, vgl. Siebmacher, Wappenbuch 1 (1703) Taf. 63.
  3. Vgl. zum Folgenden Bauch, Sauermann pass.
  4. Vgl. dazu zuletzt Matheus, Roma docta 150ff.
  5. Vgl. Bauch, Sauermann 165.
  6. Vgl. die Zusammenstellung in ADB 30 (1890) 417
  7. Vgl. Rehberg, Liber Decretorum 299, Nr. 220 d.
  8. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Bauch, Sauermann 178ff. – Nach seinem Tod wurde der Adel im Jahr 1530 auf seinen Vater Konrad übertragen, der die heute noch blühende Familie Saurma-Jeltsch begründete.
  9. Vgl. dazu Schmidlin, Anima 349.

Nachweise

  1. Forster, Inschriften fol. 11r.
  2. Forcella 3 Nr. 1100.
  3. NN., Inschriften fol. 293.
  4. Nikitsch, Netzwerke 295 mit Abb. 6.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 106 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0010606.