Inschriften: Santa Maria dell’Anima
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)
Nr. 90† Santa Maria dell’Anima, Pietà-Kapelle 1532
Beschreibung
Stifterinschriften auf dem Sockel der von dem Florentiner Bildhauer Lorenzetto geschaffenen Pietà. Die in drei Zeilen ausgeführte Inschrift des einen Stifters (A) befindet sich links auf einem geglätteten Felssockel unterhalb der aus weißem Marmor gehauenen Figurengruppe, die in vier Zeilen ausgeführte Inschrift (B) des zweiten Stifters rechts hinter dem Fuß Christi. Beide Inschriften sind schwarz gefasst.
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
IOHANES • SCHVTS / BOHEMVS • HAS • / DVAS • D(ONO) • D(EDIT)
- B
IACOBVS • DE / BRANDE • FL/ANDRVS P(RO) / SOCERO • F(IERI) C(VRAVIT)
Übersetzung:
(A) Johann Schütz aus Böhmen gab diese beiden (Figuren) als Geschenk. - Jakob van den Brande aus Flandern hat (dies) für seinen Schwiegervater machen lassen.
Anmerkungen
- Der Verstorbene wird zwar weder im Lib. Confr. noch im Lib. Mort. erwähnt, allerdings regelmäßig in den Rechnungsbüchern. – Vgl. zum Folgenden die Nachweise bei Schmidlin, Anima, Register und Lohninger, Anima 106ff.
- Vgl. die Nachweise bei Nagl, Urkundliches 26ff. und 72.
- Vgl. dazu und zum Folgenden Lohninger, Anima 106ff. sowie Weil-Garris Posener 132ff. und Knopp/Hansmann 46ff.
- Van den Brande stammte aus Courtrai (Kortrijk, Westflandern, Belgien) und war zudem an der Kurie als apostolischer „sollicitator litterarum“ tätig. Er war Mitglied in der Marien-Bruderschaft des Campo Santo und ließ im Jahr 1545 für sich und seine Frau ein gemeinsames (heute noch erhaltenes) Epitaph anfertigen (vgl. Weiland, Campo Santo 1, S. 368f. mit Abb. 38). Van den Brande starb im Jahr 1555 (vgl. ebd. S. 591), das Todesdatum seiner Frau ist unbekannt.
- „... intuitu et contemplatione laborum, quos dictus quondam Joannes Schütz, eius pater, sustinuit pro dicto hospitali tempore, quo fuit illius Provisor“, Instr. 2 fol. 91 (zit. nach Lohninger 108).
- Vgl. zu ihm Nobis, Lorenzetto pass.
- ASMA, Lib. Instr. 3 fol. 110f. (… eine Statue Unserer Lieben Frau mit dem von dem Kreuz herab genommenen Christus auf dem Schoß in der Größe und in ähnlichen Formen wie die, die in der Capella della Febbre bei St. Peter steht, gemäß der Perfektion, die seine Werke zu haben pflegen).
Nachweise
- Lieball, Pietà 435 mit Abb.
- Knopp/Hansmann, Anima 47f.
- Weil-Garris Posener, Notes 133 Anm. 75.
Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 90† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0009000.
Kommentar
Die breit proportionierte Schrift zeigt insgesamt bereits deutliche Abweichungen von dem Ideal der römischen Renaissance-Kapitalis: A ist nicht symmetrisch, vielmehr mit nach links ausgestelltem Schrägschaft gestaltet, C mit etwas verlängertem unterem Bogenabschnitt, E mit deutlich verkürztem Mittelbalken, M mit nicht ganz bis zur Grundlinie reichendem Mittelteil und mit linksschräger Achse. Als Worttrenner dienen kleine Dreiecke.
Der aus Elbogen (heute Loket, Bez. Sokolow, Tschechien) in Böhmen stammende Kurien-Prokurator Johannes Schütz1) steuerte im Jahr 1510 25 Dukaten zum Bau der neuen Animakirche bei. In den Jahren 1511, 1512, 1518 sowie auch noch in seinem Todesjahr 1519 fungierte er als Anima-Provisor2). Offensichtlich hatte er testamentarisch verfügt, dass eine Pietà aus dem Marmorblock angefertigt werden sollte, der vor der Tür des Anima-Hospizes in der Via della Pace lag. Wegen eines langwierigen Erbschaftsstreites konnte jedoch erst im November 1528 mit der Realisierung des Auftrages3) begonnen werden. Schützens Tochter Apollonia, inzwischen verheiratet mit dem flandrischen Kurienprokurator Jacob van den Brande4), stellte aus dem Erbe 400 Dukaten zur Herstellung des Werkes zur Verfügung, den eventuell verbleibenden Rest wollte die Anima – angesichts der Verdienste des Verstorbenen5) – aus eigenen Mitteln beisteuern. Beauftragt wurde der aus Florenz stammende Bildhauer Lorenzo Giovanni di Ludovico gen. Lorenzetto6), der mit Vertrag vom 27. Dezember 1530 zusicherte, ein Werk nach dem Vorbild der Pietà des Michelangelo zu schaffen, eine „statuam Beatae Mariae Virginis habentis in gremio Christum levatum de Cruce ad instar et ad formam sive similitudinem eius, quae est in capella de febribus apud Sanctum Petrum secundum tamen perfectionem, quam habere consueverunt opera sua“7). In Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Nanni di Baccio Bigio war die Gruppe 1532 vollendet und wurde zunächst auf dem Hochaltar, dann 1560 an ihrem heutigen Standort aufgestellt.