Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 33 Santa Maria dell’Anima, Innenhof (aus San Giuliano dei Fiamminghi) 1471

Beschreibung

Fragment der Grabplatte des Dekans und Abbreviators Dr. Michael Rogerii Amici aus Oudenaarde in Ostflandern. Ursprünglich in San Giuliano dei Fiamminghi1), gelangte das Fragment vermutlich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Anima und wurde im Rahmen der musealen Ausgestaltung des Innenhofes2) an dessen Südwand befestigt (Plan Nr. 112). Erhalten hat sich die rechte obere Ecke einer Grabplatte aus Sandstein mit Umschrift auf breiter Leiste und dem Rest eines in Flachrelief ausgeführten Wappens. Die Grabplatte war vermutlich mit der figürlichen Darstellung des Verstorbenen versehen und trug in den oberen Ecken zwei Wappen3). In San Giuliano befindet sich heute eine vor 1853 angefertigte Kopie4) der Grabplatte aus Marmor.

Erg. nach Galletti.

Maße: H. 25, B. 22, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Dr. Eberhard J. Nikitsch [1/3]

  1. [HIC • IACET • VEN(ERABIL)IS • VIR • D(OMINVS) • MIC]HAELa) • / AMICIb) • DE • AL[DENARDO • DECANVS • ECCL(ES)IE • BEATE • MARIE • ANTVERPIEN(SIS) • CAMERACEN(SIS) • DIOCE(SIS) • / ET • CANONICVS • TORNACEN(SIS) • DECRETO(RVM) • / DOCTOR • ET • ABBREVIATOR • DE • PARCO • MAIORI • QVI • OBIIT • DIE • SEXTA • MENSIS • IVNII • ANNO • M • CCCCLXXI • ]

Übersetzung:

Hier liegt der ehrwürdige Mann Herr Michael Amici aus Oudenaarde, Dekan der Liebfrauenkirche in Antwerpen in der Diözese Cambrai und Domherr von Tournai, Doktor des Kirchenrechts und Abbreviator de parco maiori. Er starb am 6. Tag des Monats Juni im Jahr 1471.

Wappen:
unbekannt5)Amici6).

Kommentar

Die sorgfältig in gleichmäßiger Strichstärke ausgeführte Kapitalis zeigt als Besonderheit klassizierendes E mit gleichlangen Balken und M mit bis zur halben Buchstabenhöhe hochgezogenem Mittelteil. Als Worttrenner dienen Quadrangeln.

Michael Rogerii Amici7) (Michiel Rogerii de Vriend/Vrients) entstammte offensichtlich der in der ostflandrischen Stadt Oudenaarde seit Mitte des 14. Jahrhunderts gut bezeugten Familie de Vriend/Vrients (Freund, lat. amicus), war Kleriker der Diözese Cambrai und 1419 an der Universität Köln immatrikuliert. 1431 erstmals als Abbreviator an der römischen Kurie nachgewiesen, besitzt er seit 1440 das Amt des Kanzleischreibers, erhält u.a. Kanonikate in Lüttich und Tournai, erwirbt 1447 sein Doktorat im Kirchenrecht an der Universität Bologna und erlangt 1449 das Dekanat der Liebfrauenkirche in Antwerpen. 1457 ist er als päpstlicher Kollektor für die Bistümer Mainz, Trier und Köln tätig. Er erscheint von 1449 an bis zu seinem Tod fast ununterbrochen in seiner Funktion als „abbreviator de parco maiori“8).

Textkritischer Apparat

  1. Nach dem Worttrenner ist ein nur schwach ausgeführtes, offensichtlich verworfenes A zu erkennen.
  2. Das A ist vermutlich nach der Korrektur (s. Anm. a) vor das bereits eingehauene M in deutlicher schmälerer Ausführung gesetzt worden.

Anmerkungen

  1. Nationalkirche der Grafschaft Flandern, heute Belgiens.
  2. Vgl. dazu Einleitung Kap. 6.
  3. Galletti notierte als Standortangabe zunächst „S. Juliani / Humi, cum imagine“, strich dann aber die beiden letzten Worte durch und setzte „ut supra“ darüber. Zudem gab er (nur) das heraldisch rechte der beiden Wappen in schematischer Nachzeichnung wieder und notierte am Rand „globi“ (Kugeln), statt der tatsächlichen Rosen.
  4. Bei der erstmals von Gaillard edierten Kopie der Grabplatte wurde die Inschrift abweichend vom Original zeilenweise eingehauen und abweichend von der kopialen Überlieferung mit einem den zeitgenössischen Usancen geschuldeten D • O • M versehen.
  5. Ein Jagdhorn, begleitet von drei 2:1 gestellten Rosen.
  6. Ein Wellenbalken, begleitet von drei 2:1 gestellten widersehenden Hunden (?); vgl. zur Identifizierung dieses Wappens mit dem der flandrischen Familie Vrients Ickx/Winckelmans Anm. 120.
  7. Vgl. zu ihm ausführlich Schwarz, Kurienuniversität 730 Nr. 159 (im Druck; freundlicher Hinweis Prof. Dr. Brigide Schwarz, Schreiben vom 8. September 2012). Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, aber bereits 1458 verstorbenen Kanoniker von Lüttich; vgl. zu ihm RG V 6756.
  8. Die ca. zwölf Abbreviatoren, die den „parcus maior“ bildeten, berieten den Vizekanzler bei der Bearbeitung und Freigabe schwieriger Fälle; sie brachten lange Erfahrung in der Kanzlei mit. Ihre Korporation, die durch Kooptation ergänzt wurde, war hochangesehen. 1463/64 rangierte Michael Rogerii Amici an 4. Stelle; vgl. dazu ausführlich Schwarz, Abbreviature 789ff. sowie die Nachweise bei Frenz, Repertorium (http://wwws.phil.uni-passau.de/histhw/RORC/littera_M.html).

Nachweise

  1. Galletti I Nr. 53.
  2. Mon. Sepulcralia 4.
  3. Gaillard, Épitaphes S. 35 Nr. 15.
  4. Frascarelli, Iscrizioni S. 211.
  5. Forcella 3 Nr. 1228.
  6. De Brabandere (u. a.), San Giuliano mit Abb. S. 41.
  7. Ickx/Winckelmans, Grafmonumenten 267.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 33 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0003306.