Inschriften: Santa Maria dell’Anima

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

Nr. 20† Santa Maria dell’Anima 1450

Beschreibung

Grabplatte des Breslauer Dompropstes Nikolaus Gramis, ehemals im Fußboden zwischen den beiden ersten Säulen beim Chor auf der Evangelienseite1). Große Platte aus Marmor mit Umschrift und einem Wappen, im Feld in Ritzzeichnung ausgeführte Figur des Verstorbenen in Kanonikertracht („abito canonicale“)2).

Nach Gualdi.

  1. HIC IACET CORPVS VENERABILIS VIRI / DOMINI NICOLAI GRAMIS P(RE)P(OSI)TI VRATISLANIEN(SIS)a) AC EIVSDEM ET OLOMV/CEN(SIS) ECCLESIAR(VM) CANONICI QVI / OBIIT ANNO D(OMI)NI MCCCCL DIE / XI MENSIS IVNII CVIVS ANIMA / REQVIESCAT IN PACE AMEN

Übersetzung:

Hier liegt der Leib des ehrwürdigen Mannes, des Herrn Nikolaus Gramis, Dompropst von Breslau und auch Domherr derselben, wie auch der Kirche zu Olmütz, welcher starb im Jahr des Herrn 1450 am 11. Tag des Juni. Seine Seele ruhe in Frieden, Amen.

Wappen:
Nikolaus Gramis3).

Kommentar

Der um 1390 im nordmährischen Hotzenplotz geborene Nikolaus Gramis4) war 1422 an der Universität Wien inskribiert und fungierte zunächst – nachdem er zu Beginn seiner geistlichen Karriere verschiedene Hindernisse zu überwinden hatte – als Domherr, Kaplan und schließlich 1434 als Dompropst zu Breslau und später auch als Propst zu Olmütz. Bereits 1430 als Kuriengesandter König Sigismunds in Rom nachweisbar, amtierte er 1431 als Unterkollektor für Stadt und Bistum Breslau. Im Herbst 1436 vom Basler Konzil zum Kollektor und damit zum „Generalgeldeinnehmer“ in Schlesien und im Königreich Polen ernannt, geriet er in große Schwierigkeiten, als er – im Konflikt mit dem „offiziellen“ Kollektor der päpstlichen Kammer – über den Verbleib der von ihm dort zwischen 1437 und 1439 eingezogenen Ablassgelder Rechenschaft ablegen sollte. Da Gramis einen Gutteil davon offensichtlich für sich und andere verwendet hatte, wurde er Ende 1440 vom Breslauer Bischof Konrad von Oels inhaftiert und des Missbrauchs der Gelder angeklagt. Am 5. September 1441 gelang ihm die Flucht aus dem Gefängnis und er konnte sich bei dem als Raubritter berüchtigten Brüderpaar Heinrich und Opitz von Tschirn auf der schlesischen Burg Bolkoburg in Sicherheit bringen5). Am 8. Juli 1444 wurde Gramis durch das Konzil exkommuniziert und seiner Benefizien und kirchlichen Würden verlustig erklärt6). Seit 1447 wieder in Rom, betrieb er (vermutlich erfolglos) seine Rehabilitation. Gegen Ende seines Lebens suchte er vermutlich das Hospital der Anima auf und errichtete dort am 24. April 1450 sein Testament7), in dem er (u. a.) knapp 90 Kammergulden für seine marmorne Grabplatte, für Totenmesse und Anniversar, das Personal des Hospitals sowie für seine Magd Katharina vorsah. Letztlich erhielt die Anima im August 1450 aus seinem Nachlass 20 Dukaten. Zu fragen bleibt, wie er trotz der offensichtlich nicht aufgehobenen Kirchenstrafe ein christliches Begräbnis in der Anima erhalten konnte.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! für VRATISLAVIEN(SIS); WATISLAVIEN Galletti (der den Rest der Inschrift nicht überliefert).

Anmerkungen

  1. Lib. Mort. fol. 2.
  2. So Gualdi.
  3. Drei auf einen Mittelkreis gerichtete Dolche.
  4. Vgl. zum Folgenden ausführlich Schuchard 38ff. sowie die 25 Nachweise in RG V und VI.
  5. Vgl. dazu Schubert, Geschichte der Bolkoburg pass.
  6. Vgl. dazu künftig Slawomir Puk, Nikolaus Gramis – Breslauer Domherr und Kollektor des Basler Konzils (in Vorbereitung).
  7. Das Testament hat sich im Archiv der Anima (ASMA, Lib. Instr. Litt. B tom. 1, fol. 221v-226v) in einer Abschrift aus dem Anfang des 16. Jh. erhalten. Vgl dazu und zum Folgenden Schuchard 50-60 mit der Transkription des Testamentes, hier vor allem S. 51.

Nachweise

  1. Gualdi B fol. 362 (mit Nachzeichnung des Wappens).
  2. Galletti Nr. 90.
  3. Forcella 3 Nr. 1039.
  4. Jungnitz, Grabstätte 404.
  5. Schuchard, Breslau 61.

Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 20† (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0002001.