Inschriften: Santa Maria dell’Anima
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DIO 3: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)
Nr. 6 Santa Maria dell’Anima, Innenhof (aus Koband-Kapelle) 1432
Beschreibung
Stiftungs- und Weiheinschrift der sogenannten Lambertus- bzw. Hieronymus-Kapelle (auch Koband-Kapelle) der gotischen Kirche; spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts1) als fragmentarische Spolie im Innenhof der Anima rechts vom Haupteingang an der Wand befestigt (Plan Nr. 111). Querrechteckige Tafel aus weißem Marmor mit zehnzeiliger, ehemals schwarz gefasster Inschrift; unten zwischen den letzten drei Zeilen kleines, in Ritzzeichnung ausgeführtes Wappen. Teile der linken Seite sowie die linke obere Ecke fehlen.
Erg. nach Lib. Misc.2)
Maße: H. 46, Br. 48, Bu. 3 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
[---] ALTARE HVIVS / [---]XITa) HA(N)C PRIORE(M) CAPE/[LLAM AD HONOR]E(M) DEI MARIE VIRGI(N)IS S(AN)C(T)O(RVM) / [IO(ANN)IS BAPT(ISTE) ET] EVBAN(GELIS)TEb) • IHERONIMI LA(M)BE(R)TI / [SERV]ACII E(PISCO)PO(RVM) AC VICTORIS MA(R)TI/[RIS CONS]ECRATA(M) DIE XXIIII ME(N)SIS DECE(M)BR(I)S / [A(NN)O D(OMI)NI] M • CCCCo • X//XXIIc) • QVO ET / [QVOLI)B(ET) D(I)C(T)O(RVM) // S(AN)C(T)O(RVM) DIE SIN/[GVLIS A]NNIS // CO(N)CESSE SV(N)T / [INDVLG]ENTIE // • XL • DIE(RVM)d)
Übersetzung:
(...) Altar dieser (...) hat diese erste Kapelle errichtet, die zur Ehre Gottes, der Jungfrau Maria, der Heiligen Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten, der Bischöfe Hieronymus, Lambertus, Servatius und des Märtyrers Viktor am 24. Tag des Monats Dezember im Jahr des Herrn 1432 geweiht worden ist. – An diesem Tag und am (Fest)Tag eines jeden der genannten Heiligen ist ein Ablass von 40 Tagen gewährt.
Christian Koband3). |
Textkritischer Apparat
- Chistianus Episcopus Osiliensis cuius corpus sepultus est ante altare huius capellae erexit Lohninger („Der Stein ist beschädigt; wenn wir die Legende sinngemäß, wenn nicht wortgemäß, ergänzen, so lautet sie...“); Schmidlin verzichtet dagegen auf eine inhaltliche Rekonstruktion der ersten Zeilen und bietet unter Nichtbeachtung der Fehlstelle lediglich Altare huius (au)xit. – Da die kopial überlieferte Variante der Inschrift deren Bestandteile aus vermutlich informativen Gründen anders gruppiert und gerade den Anfang abweichend gestaltet, ist auch von hier aus keine Lösung zu erwarten: „Item anno domini mccccxxxii die xxiiii decembris fuit consecratum altare in prima et anteriori capella prope ostium dicte ecclesie ad honorem dei omnipotentis beate Marie virginis sanctorum Johannis Baptiste Johannis apostoli evangeliste Iheronimi doctoris et confessoris Lamberti et Servacii episcoporum ac victoris martiris Quo et quolibet dictorum sanctorum die singulis annis concesse sunt indulgentie xl dierum“; vgl. ASMA, A V 3, fol. 173v (Lib. Misc. 3).
- Sic! TE sehr klein über dem N. – Ewante Schmidlin.
- (M)CCCCXXII Schmidlin.
- Folgt ein kleiner „horror vacui“-Schlängel.
Anmerkungen
- Vgl. dazu Schmidlin.
- Vgl. Anm. a).
- Vgl. Nr. 4 Anm. 3.
- Nach Koch, Spätmittelalterliche Grabinschriften 459 lässt sich Kapitalis in Rom erstmals auf der Grabplatte der 1425 verstorbenen Andreozza Normanni in S. Maria in Aquiro nachweisen.
- „Dominus Cristianus Coband (…) multa bona donavit et legavit dicto hospitali“ so Lib. Confr. 219. In den Rechnungsbüchern wird die Kapelle ausdrücklich als sein Werk bezeichnet: „in capella domini Cubant“ bzw. „in capella hospitalis, quam aedificavit Cubant“; vgl. dazu die Nachweise bei Schmidlin.
- Lib. Mort. fol. 1. – Vgl. zu ihm und seinen beiden Grabdenkmälern ausführlich Nr. 4.
- Vom Eingang aus gesehen war sie die erste Kapelle zur Linken; vgl. den Plan bei Lohninger 44.
- Vgl. Nr. 7.
Nachweise
- Lohninger, Anima 32.
- Schmidlin, Anima 160.
Zitierhinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Rom, Nr. 6 (Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001k0000609.
Kommentar
Wenn auch die in gleichmäßiger Strichstärke ausgeführte Schrift mit den keilförmig verbreiterten Schaft- und Balkenenden, der geschwungenen und stark einwärts gekrümmten Cauda des R Nachklänge der Formensprache der gotischen Majuskel aufzuweisen scheint, so zeigt doch der vollständige Verzicht auf runde Formen, auf abgeschlossene Buchstaben und Bogenschwellungen, dass es sich hier bereits um eine Renaissance-Kapitalis handelt, sogar um einen verhältnismäßig frühen Beleg4).
Christian Koband, Bischof von Ösel, war bereits am 21. Juli des Jahres 1432 verstorben und vor der von ihm gestifteten5) bzw. mit reichen Zuwendungen bedachten Kapelle begraben worden6). Unabhängig davon, ob die ergänzte erste Zeile der Inschrift wirklich ausgeführt war, beweist allein das Vorhandensein seines Wappens auf der Tafel, dass sie auch zu seinem Gedächtnis gesetzt wurde. Die Kapelle befand sich im letzten Joch des linken Seitenschiffs7) und damit – vom Chor aus gesehen – im Seitenschiff hinten rechts und nahm zusammen mit der 1433 geweihten Dwerg-Kapelle8) in etwa den Raum ein, auf dem zuvor der eine Teil des Hospitals gestanden hatte.