Die Inschriften der „deutschen Nationalkirche“ Santa Maria dell’Anima in Rom. Teil 1: Vom Mittelalter bis 1559.
4. Inschriften und Inschriftenträger
Der vorliegende Bestand enthält im bearbeiteten Zeitraum bis 1559 hauptsächlich Grab- und Sterbeinschriften auf Grabplatten und Epitaphien53), daneben aber auch nicht wenige Weihe-, Bau- und Stiftungsinschriften sowie (freilich allesamt nicht mehr vorhandene) Namensinschriften auf Kelchen, vereinzelt auch auf Monstranzen oder Messgewändern. Zudem finden sich im Innen- wie Außenbereich der Anima zahlreiche Bau-und Spruchinschriften verschiedenster Provenienz.
4.1 Grabinschriften53)
Bei dem ältesten in der Anima vorhandenen mittelalterlichen (allerdings aus Santa Prassede stammenden) Grabdenkmal (Nr. 1) handelt es sich um eine nur noch fragmentarisch erhaltene hochrechteckige Platte aus weißem Marmor mit einer umlaufenden Gedächtnisinschrift für den 1087 verstorbenen Kardinal Benedictus Caius, kombiniert mit einer zeilenweise abgesetzten „Renovierungsinschrift“, mit der sich 1332 dessen Nachfahren Quintilius und Hannibal Caius auf diesem eigenwilligen, für Rom aber nicht untypischen Memorial-Denkmal54) verewigt haben. Ein signifikantes Zierelement zeigt sich in der Verwendung eines am Rand verlaufenden Mosaikbandes aus grünem und rotem Porphyr, das wohl im Zusammenhang mit den Cosmatenarbeiten zu sehen ist. Auch das zweitälteste Grabdenkmal (Nr. 2), ein aus dem Jahr 1374 stammendes Fragment einer figürlichen Platte mit umlaufender Inschrift und einem auf gedrehten Säulen ruhenden Baldachin, muss schon vom Datum her ebenfalls als Spolie (deren Herkunft nicht geklärt werden konnte) bezeichnet werden.
Ebenfalls nicht mehr im Original erhalten, dafür zeichnerisch äußerst zuverlässig überliefert, ist das figürliche Grabdenkmal (Nr. 4) für den aus Mecklenburg stammenden, 1432 verstorbenen Christian Koband, Generalprokurator des Prämonstratenser-Ordens in Rom und Bischof des estländisch-livländischen Bistums Ösel-Wiek. Mit diesem außergewöhnlichen Monument beginnt die lange Reihe der für die Anima nachgewiesenen Grabdenkmäler, die – wie überall in Rom – in der Regel aus Marmor bestanden haben dürften. Das für höhere Kleriker in dieser Zeit charakteristische Grabdenkmal zeigt in spätmittelalterlicher Manier den Verstorbenen im Pontifikalgewand auf einer hochrechteckigen Marmorplatte mit vor dem Leib gekreuzten Armen unter einem dreigiebeligen, auf gedrehten Säulen ruhenden Baldachin, begleitet von zwei Wappen. Die umlaufende Inschrift informiert – abweichend von dem zu dieser Zeit üblichen HIC-IACET-Formular55) – knapp über die Lebens- und Todesdaten des hochrangigen Verstorbenen, ohne allerdings auf den Hinweis zu verzichten, dass es sich bei ihm immerhin um den Hauskaplan und Beichtvater Papst Martins V. gehandelt habe. Auch der Schluss der Inschrift begnügt sich nicht mit der im Mittelalter üblichen Fürbitte CVIVS ANIMA REQVIESCAT IN PACE, sondern bittet für den hier Begrabenen CVIVS ANIMA CVM SANCTIS ET ELECTIS DEI REQVIESCAT IN SANCTA PACE, dass dessen Seele zusammen mit den Heiligen und Auserwählten Gottes in heiligem Frieden ruhen möge.
Mit der verschollenen Grabplatte des ebenfalls im Jahr 1432 verstorbenen Kanonikers Michael Henrici aus dem niederländischen Seeland, der in Rom als Kursor, also quasi als päpstlicher Postbote tätig war, haben wir erstmals das eben erwähnte, für das Spätmittelalter charakteristische HIC-IACET-Formular56) vor uns: Auf den Liegevermerk HIC IACET, der in der Regel mit CORPVS ergänzt wird, folgt der Name des Verstorbenen mit der Angabe seiner Herkunft, im Fall eines Klerikers verbunden mit der Nennung seines geistlichen Standes bzw. seiner geistlichen Funktionen in der Heimat, etwa CANONICVS, SCHOLASTICVS, PREPOSITVS oder DECANVS einer Stifts-oder Domkirche, bzw. PASTOR oder RECTOR einer Pfarrkirche. Im gegebenen Fall werden dann seine in Rom erworbenen und ausgeübten Ämter und Funktionen genannt, daran anschließend folgt das zentrale Prädikat OBIIT mit dem Todesdatum, bestehend aus Todesjahr und Todestag57); geendet wird in der Regel stets mit der schlichten Fürbitte CVIVS ANIMA REQVIESCAT IN PACE AMEN. Bei Geistlichen kann das Formular durch Epitheta wie VENERABILIS oder auch HONORABILIS angereichert werden. Aber es gibt auch Ausnahmen. Worin etwa das außergewöhnliche HVMANISSIMVS, also das zutiefst Menschliche, des 1479 verstorbenen Johann Adam Piscatoris aus Mainz bestanden hat, wissen wir nicht, können es allenfalls ahnen, schließlich fungierte er als Prokurator der Pönitentiarie, des päpstlichen Bußamtes. Und auch bei Laien werden standestypische Epitheta wie NOBILIS, HONORABILIS oder STRENVVS VIR und Standesbezeichnungen wie ARMIGER, MILES oder COMES PALATINVS hinzugefügt; gelegentlich ergänzt durch Berufsbezeichnungen wie PHYSICVS und MEDICVS, oder auch MERCATOR, PELICZARIVS und PISTOR (Kaufmann, Kürschner und Bäcker). Waren die Verstorbenen an der römischen Kurie tätig, so werden in der Regel ihre genauen Amtsbezeichnungen mitgeteilt: Wir finden Prokuratoren der päpstlichen Audentia neben Kopisten, zahlreiche an der Rota tätige Notare und Archivare neben Abbreviatoren, Korrektoren und Sollizitatoren der päpstlichen Urkunden, apostolische Referendare neben apostolischen Almoseniers oder auch Skriptoren der Urkunden der Heiligen Pönitentiarie neben Revisoren der Rechts-Suppliken: Geradezu unendlich scheint die Anzahl der päpstlichen Ämter zu sein! Und hatte der Verstorbene auch noch als Leiter der Anima fungiert, wird dies als HVIVS HOSPITALIS PROVISOR stolz der Grabinschrift hinzugefügt, so erstmals 1456 in der Inschrift für den aus Turnhout bei Antwerpen stammenden Kurienprokurator Walter Pauli (Nr. 24). Zudem finden wir nicht selten Personen mit Ämtern aus dem persönlichen Umfeld des Papstes, wie etwa einen Barbier, einen Kammerherren, einen Bannerträger und einen Sekretär, aber auch einen Präfekten, der laut Inschrift „in wichtigen Angelegenheiten des römischen Päpste und des heiligen Senates des Kardinalskollegiums“ (Nr. 73) unterwegs war. Nicht zuletzt gibt es auch Ausnahmeerscheinungen wie den berühmten Johannes Burckard aus Straßburg (Nr. 49), der nicht nur als apostolischer Protonotar und päpstlicher Zeremonienmeister fungierte, sondern als Anima-Provisor die treibende Kraft für den Neubau der Kirche um 1500 war. Gerne wird in den Inschriften auch auf erreichte Universitäts-Abschlüsse verwiesen, sei es als Magister, Magister der freien Künste, Lizentiat des Kirchenrechts, Lizentiat beider Rechte, Doktor des Kirchenrechts oder gar als Doktor beider Rechte.
Das mittelalterliche HIC-IACET-Formular hält sich in der Anima bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts und lässt sich letztmals bei dem 1511 verstorbenen Propst und Protonotar Markus Fugger d. J. (Nr. 56) nachweisen. Es wird bereits ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelegentlich durch Varianten wie HIC SEPVLTVS EST (Nrn. 24, 37, 42, 68), HIC REQVIESCIT (Nr. 47) oder HIC SITVS EST (Nr. 54) ersetzt, aber auch durch das ebenfalls mittelalterliche ANNO-DOMINI-Formular. Dieses im nordalpinen Raum bereits seit dem 13. Jahrhundert verwendete Formular lässt sich in der Anima zuerst und noch vereinzelt, aber wohl nicht zufällig im Jahr 1433 bei dem aus Stendal in Sachsen stammenden Audentiaprokurator Franz Stenvelt (Nr. 8) nachweisen, letztmals 1478 auf der Grabplatte des aus Hamburg stammenden Anima-Provisors und Rota-Prokurators Dr. Dietrich Clinkrode (Nr. 40). Bei diesem Formular beginnt die Inschrift unmittelbar mit den Todesdaten und dem obligatorischen OBIIT, dann erst folgen Namen, Würden und Funktionen des Verstorbenen, gelegentlich ergänzt mit HIC SEPVLTVS (Nrn. 23, 25), dem Hinweis auf das Grab (fehlt bei Nrn. 27, 28, 40), und gefolgt von der unveränderten Fürbitte. Zudem lässt sich in der Anima Ende des 15. Jahrhunderts mit der Abfolge Namens- und Funktionsnennung sowie anschließendem Begräbnis- und Sterbevermerk eine gelegentlich verwendete Kombination beider Formulare beobachten (Nrn. 35, 37, 53).
Abgelöst werden beide mittelalterlichen Formulare schließlich durch einen vollkommen neuen Typ, der sich – im Rückgriff auf die antiken Weiheformeln D(IS) M(ANIBVS) bzw. I(OVI) O(PTIMO) M(AXIMO) – mit der beginnenden Renaissance entwickelt und dessen Inschrift in der Regel mit der Formel D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) einsetzt. Ein für die Anima früher Vorläufer dieses Typs58) findet sich bereits 1454 mit der Inschrift TADEO ADELMARIO DE TARVISIO […] SACRVM; das Fragment der Grabplatte des Arztes und kaiserlichen Hofpfalzgrafen Tadeus Adelmari, hochberühmt durch seine Tätigkeiten für die römische Kurie, befindet sich als Spolie eingemauert in der Außenwand der Casa Sander (Nr. 22), links vom heutigen Eingang ins Archiv der Anima. Der gleichen Konstruktion bedient sich sowohl die Inschrift auf einem 1476 errichteten Grabdenkmal (Nr. 35), das eine trauernde Mutter ihrem im Alter von drei Jahren verstorbenen Sohn IOANNI PASCHALI DVLCISSIMO FILIO setzen lässt, wie auch die 1479 dem VENERABILI VIRO JOANNI ADAMI PISCATORIS bzw. die 1487 dem aus Mittelfranken stammenden CONRADO LEBENTHER gestifteten Grabplatten (Nrn. 41 und 46). Mit dem Erstarken der Renaissance Ende des 15. Jahrhunderts setzt sich dieser Typ auch in der Anima endgültig durch59), wie auf der Grabplatte des 1493 verstorbenen Kanonikers und Juristen Johannes Ferber aus Danzig gut zu sehen sehen ist. Mit beginnendem 16. Jahrhundert werden Inschriften dieses Typs nun durchgehend mit dem stereotypen D(EO) O(PTIMO) M(AXIMO) eingeleitet, dann folgt der im Dativ stehende Namen des Verstorbenen, da meist gegen Ende der Inschrift nun der oder die Stifter genannt werden. Ergänzende Angabe zu Herkunft des Verstorbenen und die Aufzählung seiner Ämter und Funktionen kommen hinzu, ebenso – ganz im Unterschied zum mittelalterlichen Formular – lobende Sentenzen zu Wesen und Charakter des Verstorbenen, weitere Bemerkungen zu seinem Lebensweg, seinem Schicksal und das der Hinterbliebenen. In der Regel folgt mit dem Vermerk POSVIT die Nennung des Stifters, sei er nun Mitglied der Familie, ein Freund oder gar ein bestimmter, vom Verstorbenen eingesetzter Testamentsvollstrecker. Beendet werden die Inschriften meist mit der Angabe der Lebenszeit nach Jahren, Monaten und Tagen und schließlich mit dem Todesjahr60).
Ungeachtet dessen, dass sich gereimte oder in Versen ausgeführte Inschriften durchaus auch auf mittelalterlichen römischen Grabdenkmälern nachweisen lassen61), stellen die den renaissancezeitlichen Inschriften auffallend oft beigegebenen Grabgedichte eine wirkliche Neuerung dar. Wie erwähnt, werden jetzt nicht nur die Lebens- und Todesdaten des Verstorbenen mitgeteilt, nun wird die Inschrift dichterisch erhöht und – gelegentlich auch unter Verzicht auf den vor- oder nachgestellten Prosateil – sein Leben gerühmt, meist in Form von anspruchsvollen, aus Hexameter und Pentameter zusammengesetzten elegischen Distichen62). Diese panegyrische Grabdichtung scheint geradezu symptomatisch für die literarischen Arbeiten der frühen Renaissance zu sein. Wenn auch die der Antike verpflichtete Textmetaphorik dieser Dichtung gelegentlich hohe Ansprüche an das Verständnis des heutigen Lesers stellt, so bietet sie gerade deswegen faszinierende Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt dieser Zeit, zumindest so, wie sie gern gesehen werden wollte. Schon das früheste überlieferte Beispiel der Anima aus dem Jahr 1467 (Nr. 29) verbirgt die eigentlich schlichte Sterbenachricht einer aus Salzburg stammenden Elisabeth in poetisch leicht überhöhter Form in einem Distichon:
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ELZVLA DE GENTE SALSZBVRGA HAC VIRGINIS EDE PVLVERIS INGRESSA DORMIT IN VRBE VIAM
Übersetzung:
Elzula aus salzburgischem Geschlecht schläft in der Stadt in diesem Tempel der Jungfrau, nachdem sie den Weg des Staubes beschritten hat.
Und im Jahr 1476 beklagt eine Mutter ihren frühverstorbenen Sohn in zwei bewegenden Distichen (Nr. 36):
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CARE PVER MVLTIS MIHI PARTE LABORIBVS IN QVO SPES ERAT HAC MATREM DESTITVIS MISERAM TE SINE QVOD VITAE SVPEREST PER TOEDIA DVCAM SED TV COELICOLIS ASSOCIATE VALE AMEN
Übersetzung:
Teures Kind, wie viel Schmerzen hast du mir bei der Geburt bereitet, nun lässt du, in dem die Hoffnung lag, deine arme Mutter allein. Ohne dich werde ich in Leid den Rest meines Lebens verbringen, du aber, vereinigt mit den Himmelsbewohnern, lebe wohl! Amen.
Während die Aussage dieser beiden Texte noch ohne weiteres verstanden werden kann, bedürfen die fünf Distichen, die Leben und Tod des 1487 verstorbenen, aus Franken stammenden Kurienprokurator Dr. Konrad Lebenther (Nr. 46) des genauen Hinhörens und wohl auch einer Erklärung:
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PRIMV(M) CLARA DIEM TRIBVIT GERMANIA NOBISSVPREMV(M) TRIBVIT ROMA SVPERBA DIEM AETAS INGENIVM MORES ET FORMA FVERE SINGVLA QVAE FATIS EST VIOLASSE PVDOR VER(VM) HAEC TAM PARVI TERNAE FECERE SORORES VT SORTIS POSSIT QVEMQ(VE) PIGERE SVAE PRINCIPIVM VITAE DOLOR EST DOLOR EXIT(VS) INGENS ET MEDIVM LABOR EST VIVERE QVIS CVPIAT AT TIBI SIC FACILEM LACHESIS SINAT IRE SENECT(AM) VT NOSTRIS REQVIEM MANIBVS ORE ROGES
Übersetzung:
Den ersten Tag teilte uns das ruhmvolle Germanien zu, den letzten Tag das stolze Rom. Alter, Begabung, Sitten und Auftreten (des Verstorbenen) waren so einzigartig, dass es dem Schicksal zur Schande gereicht, sich an ihnen (den Tugenden) vergriffen zu haben. Aber die drei Schwestern gewährten diesen nur eine so kurze Spanne, damit ein jeder wegen des eigenen Schicksals hadern möge. Der Anfang des Lebens ist Schmerz, das Ende ist maßloser Schmerz, dazwischen liegt Mühsal. Wer (also) sollte begehren zu leben? Dir jedoch möge Lachesis ein so angenehmes Greisenalter zukommen lassen, dass du mit dem Munde für unsere Manen Ruhe erflehen kannst.
Hier wird der Leser dieses kunstvoll mit antiken mythologischen Elementen spielenden Grabgedichtes direkt angesprochen, ihm gegen Ende der Inschrift ein hohes Alter gewünscht und zugleich nahegelegt, für den Toten zu beten. Und vermutlich war diesem Leser durchaus klar (vermutlich im Gegensatz zum heutigen), dass im Zusammenhang mit der Todesthematik mit den „drei Schwestern“ die Parzen gemeint waren, die drei Schicksalsgöttinnen der römischen Mythologie, die den drei Moiren der griechischen Mythologie entsprechen. Eine davon, die inschriftlich ebenfalls erwähnte Lachesis, war verantwortlich, die Länge des Lebensfadens zu messen. Und dass mit den Manen in der Antike die Geister der Toten gemeint waren, war wohl ebenso geläufig.
Auch die beiden Distichen der Grabinschrift für den 1517 verstorbenen Wilhelm Kreytfyschs (Nr. 67) aus Neuss am Rhein verlangen dem Leser einiges ab:
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NVSSIA ME GENVIT RAPVIT MAVORTIA ROMA BIS TRIA CVM FVERANT LVSTRA PERACTA MIHI ET GENERE ATQ(VE) BONIS ANIMI NON VLTIMIS AST HAEC CONTRA LANIGERAS NIL POTVERE DEAS
Übersetzung:
Neuss hat mich hervorgebracht, es raubte mich das kriegerische Rom, als mir zweimal drei Lustren vergangen waren. Sowohl von der Abstammung als auch von den Anlagen des Geistes her war ich nicht der letzte; aber diese (= bona) vermochten nichts gegen die Göttinnen mit den (Woll)fäden.
Auch hier kann davon ausgegangen werden, dass dem Leser bekannt war, dass mit zweimal drei Lustren der Zeitraum von 30 Jahren gemeint war und dass es sich bei den Göttinnen mit den Wollfäden um die schon genannten Parzen handelt. Ob ihm aber auch klar war, dass der Hexameter des ersten Distichons den Beginn des apokryphen, von Sueton überlieferten Grabepigramms für Vergil aufnimmt und variiert, darf wohl bezweifelt werden.
Den kaum zu überbietenden Höhepunkt dieser gelehrten Hinwendung zur Antike bildet aber zweifellos eine kurze Inschrift auf dem erhaltenen Epitaph des einer berühmten Bologneser Juristenfamilie entstammenden und im Jahr 1525 verstorbenen Bartolomeo Saliceto (Nr. 79), dem seine hinterbliebenen Freunde, die Kardinäle Andreas della Valle und Alexander Farnese (der spätere Papst Paul III.) folgenden unglaublichen Satz aufs Grabmal schreiben ließen:
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SCIRE SAT SALICETVS HIC SEPVLTVS / SOCRATEM PERISSE BIS PVTATO
Übersetzung:
Es genügt zu wissen, dass Salicetus hier begraben liegt; du sollst glauben, dass Sokrates ein zweites Mal gestorben ist!
Es ist wohl kein Zufall, dass nach 1500 mit dem Fortschreiten des Neubaus der Anima-Kirche auch neue inhaltliche Töne in der Grabdichtung festzustellen sind. Nun wird in kunstvollen Versen, dennoch aber ziemlich direkt, dem Leser offen und öffentlich vermittelt, dass irdische Güter gut angelegt sein wollen, was soviel heißt, dass Zuwendungen an die Kirche hoch willkommen sind. Eindrucksvoll dokumentiert dies das gemeinsame Epitaph für die beiden 1518 kurz hintereinander verstorbenen Pröpste Johann Knibbe und Dr. Bernhard Sculteti (Nr. 69), wobei letzterer neben anderem auch als bedeutender Anima-Provisor fungierte. Nachdem in der längeren Prosainschrift auch die von beiden zugunsten der Anima verfassten Testamente gewürdigt wurden, endet die Inschrift mit dem hübschen Schluss-Distichon:
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DISCITE • AB • EXEMPLO • PRESENTI • DISCITE • FRATRES VT • BENE • PRO • VOTIS • RITE • LOCENTVR • OPES
Übersetzung:
Lernt durch dieses gegenwärtige Beispiel, lernt o Brüder, wie gut Güter durch ein Gelübde nach rechtem Brauch angelegt werden.
Weitere Distichen auf den Grabdenkmälern der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts appellieren in eine ähnliche Richtung63), wenn es etwa heißt „Wanderer, bemühe Dich um Tugend und schiebe Gutes nicht auf, dann erst wird deiner Asche größerer Ruhm folgen (Nr. 70). Viele dieser Verse dienen aber auch dazu, den Hinterbliebenen Trost zu spenden, etwa mit den Worten: „Fast immer wird das Beste zuerst mit gierigen Händen geraubt, nur das Minderwertige schöpft die Zahl seiner Jahre voll aus“ (Nr. 91), ein Spruch, der uns in seiner modernen, etwas zynischen Variante „Nur die Besten sterben jung“ durchaus vertraut ist. Ganz persönlich und auch heute noch berührend sind dagegen jene Distichen, die eine Mutter an ihren Sohn richtet (Nr. 103): „Warum beweinst Du mich, Sohn? Sterben wir schließlich nicht alle? War ich nicht dem Tod geweiht, und stehst Du nicht hier als ein Sterblicher? Beweine, beweine Dich in Deinem Elend; beweine, beweine Deine Sünden; beweine die meinen, weil ich fern von der Heimat begraben bin. Aber wenn auch der arglistige Tod uns im Körper mit der Sichel getrennt hat, wird uns im Geiste die Liebe niemals auseinanderbringen“. Und natürlich darf in Grabdichtung dieser Art auch das „Memento mori“ nicht fehlen, so heißt es auf dem Grabdenkmal des aus Antwerpen stammenden, 1558 verstorbenen Rota-Auditors Alexander Junius (Nr. 117) eindringlich: „ Rom hatte dem Fremden große Ehren erwiesen, die der Tod dem vorzeitig Verstorbenen geraubt hat. Lerne aus meinem Beispiel, dass der Lohn der Tugend niemals fehle, aber lerne auch, dass man zu jeder Zeit sterben kann“.
4.2 Weihe-, Bau- und Stiftungsinschriften
Die Bewahrung des öffentlichen Gedenkens an Wohltäter und Stifter ist eine der wichtigsten Aufgaben von Inschriften, die vor allem in Kontinuität garantierenden Gemeinschaften – wie der Anima-Bruderschaft – ihre größte Wirksamkeit entfaltet. Abgesehen von den Grabinschriften, in denen per se den Verstorbenen gedacht wird, bieten mit Bautätigkeiten und Stiftungen verbundene Inschriften64) eine ganz besondere Möglichkeit der (Selbst-)Darstellung. In der Anima lässt sich dies anhand der gut dokumentierten Weiheinschriften für die Kapellen der gotischen Kirche eindrücklich illustrieren.
Nachdem am 5. April 1431 mit dem Abbruch der noch aus Zeiten der Anima-Stifter stammenden kleinen Hospitalanlage begonnen wurde, konnte bereits am 26. Mai des gleichen Jahres der Rohbau des neuen Chors geweiht werden, zusammen mit der sogenannten Bäckerkapelle, der vordersten Kapelle im linken Seitenschiff. Bereits am 24. Dezember des folgenden Jahres wird mit der Lambert-Kapelle (in den Quellen auch häufig Koband-Kapelle genannt) eine weitere, nun das Seitenschiff nach Westen abschließende Kapelle geweiht. Erfreulicherweise ist die damals zur Erinnerung an das Geschehen entstandene Weiheinschrift der Kapelle nicht nur abschriftlich in Kopie überliefert, sondern hat sich bis heute erhalten, wenn auch nur als Fragment, das heute in die Wand des Innenhofs des Priesterkollegs vermauert ist (Nr. 6). Die zeilenweise eingehauene Inschrift teilt zunächst die Lage der Kapelle mit, dann folgt eine Aufzählung von Heiligen, denen die Kapelle geweiht ist, und schließlich das genaue Datum der Weihe. Eine Besonderheit stellt schließlich der Schluss der Inschrift dar, in dem jedem Besucher ein Ablass von 40 Tagen gewährt wird, der am Jahrestag der Weihe oder am Festtag eines der genannten Heiligen in der Kapelle betet. Das der Inschrift beigefügte Wappen informiert zudem über den namentlich nicht genannten Stifter der Kapelle, bei dem es sich um den schon erwähnten Christian Koband, Bischof von Ösel, handelt, der diese Kapelle reich bedacht hatte und vor ihrem Altar begraben wurde.
Vier weitere Weiheinschriften für die Kapellen des linken und rechten Seitenschiffs haben sich nur in Abschrift erhalten. Es handelt sich um die am 2. Juli 1433 geweihte Anselm-Kapelle (Nr. 7), die interessanterweise ausdrücklich auch PRO ANIMA BONAE MEMORIAE DOMINI HERMANNI TWERG DECRETORVM DOCTORIS geweiht worden ist. Hier wird das Gedächtnis an den Protonotar und Brevenkorrektor Dr. Hermann Dwerg bewahrt, ein weiterer bedeutender Wohltäter der Anima, der allerdings bereits 1430 verstorben war und nicht in der Anima, sondern in S. Maria Maggiore begraben wurde. Am 29. August des gleichen Jahres 1433 konnte mit der Servatius-Kapelle (Nr. 9) die mittlere Kapelle des rechten Seitenschiffs geweiht werden, auch hier verbunden mit dem Gedächtnis an einen für die Anima zentralen Wohltäter. Es handelt sich um Dietrich Niem, einen der ersten Anima-Provisoren, der bereits am 22. März 1418 in St. Servatius in Maastricht verstorben war und dort auch begraben wurde: PRO ANIMA VENERABILIS DOMINI TEODORICI NIEM FAMOSSISIMI LITERARVM APOSTOLICARVM ABBREVIATORIS PATRONI ET DOTATORIS HVIVS HOSPITALIS. Erst am 23. Dezember des Jahres 1449, also einige Jahre nach der Schlussweihe der Kirche, konnte mit der Nikolaus- und Martinskapelle die vorderste und somit letzte Kapelle des rechten Seitenschiffs geweiht werden. Diese Inschrift (Nr. 17) überliefert nun nicht nur das Weihedatum und den genauen Standort des Altars, sondern auch die Namen des weihenden Bischofs und den ihn beauftragenden päpstlichen Vikars von Rom, zudem eine stattliche Liste von Heiligen, nämlich AD LAVDEM DEI OMNIPOTENTIS ET IN HONOREM SANCTI NICOLAI ET MARTINI EPISCOPORVM ET CONFESSORVM AC SANCTARVM AGNETIS ET KATHARINE VIRGINVM ET MARTYRVM CVM RELIQVIIS DE SANCTIS SABA ABBATE ET CONFESSORE ET GEMINIO MARTYRE AC CONSTANTIA VIRGINE.
Merkwürdigerweise fehlen entsprechende Inschriften für die acht Kapellen der heutigen, ab 1500 neuerbauten Renaissance-Kirche; hier finden wir allenfalls Jahreszahlen, wie das M D XIIIII in der Markgrafenkapelle (Nr. 63), die wohl nicht mehr das Ende der entsprechenden Bautätigkeiten markieren. Gelegentlich begegnen uns aber Stifter-Inschriften auf Kunstwerken, mit denen die Kapellen ausgestattet worden waren. Eine dieser Inschriften befand sich offenbar in der Nähe des von Giulio Romano 1521/22 geschaffenen Altargemäldes der Heiligen Familie, das Jakob Fugger (der Reiche) in Auftrag gegeben hatte. Die bisher unbeachtete, durch den spanischen Historiographen Alfonso Chacon bereits Ende des 16. Jahrhunderts aber zuverlässig überlieferte Inschrift (Nr. 77) lautet: IACOBO FOKAER DVOB(VS) MARCIS FRATRI AC FRATRIS FILI[O] B(ONAE) M(EMORIAE) D(EDIT). Direkter Anlass für die Stiftung dürfte der frühe Tod seines Neffen Markus im Jahr 1511 gewesen sein (Nr. 56), der vor der ehemaligen Nikolauskapelle der gotischen Kirche begraben wurde, an der gleichen Stelle, an der schon im Jahr 1478 sein gleichnamiger Onkel (Nr. 38) beigesetzt worden war. Ob sich das DEDIT allein auf die Stiftung des sich seit 1750 im Chor der Kirche befindenden Gemäldes oder auf die geplante Ausmalung und Ausstattung der jetzt Markus-Kapelle genannten Kapelle bezogen hat, bleibt offen. Jedenfalls ist mit dieser Inschrift erstmals die unmittelbare Wirksamkeit Jakob Fuggers für die Anima bezeugt, die bislang lediglich durch die Anfangspassage bekannt war, mit der Giorgio Vasari die Schilderung des bereits bei den Zeitgenossen berühmten Bildes eingeleitet hatte. Und wenn man genau hinschaut, ist heute noch eine ähnliche Inschrift auf dem Sockel der von dem Florentiner Bildhauer Lorenzetto, einem Mitarbeiter Raffaels, geschaffenen Pietà zusehen (Nr. 90); hier heißt es auf der einen Seite IOHANES • SCHVTS / BOHEMVS • HAS • / DVAS • D(ONO) • D(EDIT (Johann Schütz aus Böhmen gab diese beide Figuren als Geschenk) und auf der anderen IACOBVS • DE / BRANDE • FL/ANDRVS P(RO) / SOCERO • F(IERI) C(VRAVIT) (Jakob van Brande aus Flandern hat dies für seinen Schwiegervater machen lassen).
Für die Kirche selbst haben wir die monumentale, über die gesamte Breite des ersten Obergeschosses laufende Bauinschrift mit der Nachricht über ihre (vorläufige) Fertigstellung im Jahr 1514: TEM/PLVM BEATE • MARIE • DE ANIMA • HOSPITALIS • TEVTONICORVM • M • D • / XIIII (Nr. 61). Ausserhalb der Kirche begegnen uns dagegen Bauinschriften mit völlig anderem Charakter. So wurden aus gutem Grund nach 1484, dem Todesjahr Papst Sixtus' IV., sämtliche Häuser der Anima in Rom mit dem Doppeladler versehen, offensichtlich als Zeichen der kaiserlichen Protektion. Zumindest einer dieser ungewöhnlichen Wappensteine, versehen mit der Buchstabenfolge A E I O V, der Devise Kaiser Friedrichs III. (Nr. 43), hat sich erhalten und befindet sich heute im Innenhof des Priesterkollegs. Vermutlich über dem Eingang zum ehemaligen Hospital war eine Tafel mit der vierzeiligen Hausinschrift DOMVS • HOSPI/TALIS • S(ANCTE) • MARIE / DE • ANIMA THEV/TONICORVM (Nr. 64) eingelassen, die den 1516 fertiggestellten Neubau als Hospital der Deutschen ausweist; auch sie wurde transloziert und ist heute ebenfalls im Innenhof aufgestellt. Zudem waren in die Wände des Hospitals zwei etwa zur gleichen Zeit entstandene, heute aber verschollene Inschriftensteine eingelassen, der eine trug die inhaltlich passenden, aus Jesaia 58,7 entnommene Inschrift EGENOS VAGOSQVE INDVC IN DOMAM TVAM (Bedürftige und Fahrende führe ein in dein Haus) (Nr. 66); der andere die leicht sarkastischen, auffallenderweise auf Deutsch gereimten Verse GEWALT GELT VND GVNST / BRICHT RECHT TREW VND KVNST (Nr. 65); ob dieses Sprichwort lediglich als allgemeingültige Sentenz dienen sollte oder sich möglicherweise doch auf ein bestimmtes zeitgenössisches Vorkommnis bezogen hatte, wäre noch herauszufinden.
Einen Sonderfall hinsichtlich der Bau- und Spruchinschriften stellt schließlich die Casa Sander dar, das 1506 von dem Rota-Notar und späteren Anima-Provisor Johannes Sander erbaute Haus, das sich direkt links an die Anima-Kirche anschließt. Hier finden wir innen wie außen unübersehbar insgesamt zwölfmal den in Stein gehauenen Hinweis auf den aus Nordhausen in Thüringen stammenden Erbauer des Hauses IOANNES SANDER NORTHVSANVS ROTAE NOTARIVS, über dem Eingangsportal erweitert zur kompletten Bauinschrift FECIT MDVIII. Das innen wie außen reich mit Malereien verzierte Haus wurde 1873 stark restauriert, wobei an der gänzlich erneuerten Fassade zum Teil neue, aber auch einige der ursprünglichen Inschriften wieder angebracht wurden. Unter ihnen befindet sich eine als Distichon ausgeführte Inschrift, die das Vergnügen der damaligen Zeit am Spiel mit symbolischen Andeutungen eindrucksvoll wiederspiegelt:
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HEC DOMVS EXPECTET LVNAS SOLESQ(VE) GEMELLOS PHOENICAS NATOS CORRVAT ANTE DVOS
Übersetzung:
Dieses Haus möge darauf warten, dass zwei Monde und zwei Sonnen (gleichzeitig aufgehen); untergehen soll es, bevor zwei Phönixe (auf einmal) geboren werden.
Was soviel heißen soll wie: Beide Ereignisse werden nie eintreten, daher wird gewünscht, dass das Haus für alle Zeiten Bestand haben möge.
Durch zahlreiche Inventarverzeichnisse65) sind wir über die ehemalige Ausstattung der Anima gut unterrichtet; sie reichen vom späten Mittelalter bis weit in die frühe Neuzeit hinein und verdienten es in ihrer Gesamtheit wissenschaftlich erfasst und analysiert zu werden. Denn die Aufnahme des heutigen Bestandes führt zu einer traurigen Erkenntnis: In der Sakristei befinden sich – mit Ausnahme des (inschriftlosen) Barbara-Reliquiars und eines im Jahr 1605 angefertigten Kelchs – nur noch liturgische Gerätschaften und Paramente aus der zweiten Hälfte des 19. und des 20. Jahrhunderts. Dieser im Blick auf die lange Geschichte der Anima ernüchternde Befund dürfte mit Sicherheit auf die um 1800 erfolgte Besetzung und Plünderung der Anima durch französische Truppen zurückzuführen sein66), ein großer Verlust, der sich ähnlich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ereignet hatte. Denn durch Vergleiche von vor und nach dem Sacco di Roma angelegten Inventarverzeichnissen sind wir in der Lage, die im Jahr 1527 entstandenen Verluste an liturgischem Gerät gut nachzuvollziehen. Für die mit Inschriften versehenen Geräte heißt dies: Unwiederbringlich verloren sind ein von Dietrich von Niem, einem der Mitbegründer der Anima, um 1418 gestifteter und mit seinem Namen versehener Kelch mit Patene (Nr. 3), ein ebenfalls namentlich bezeichneter Kelch mit Patene, den der 1449 in Florenz verstorbene Dr. Anselm Fabri, Rat Kaiser Friedrichs III. und Referendar der Päpste Eugens IV. und Nikolaus V. der Anima hinterlassen hatte (Nr. 18), ein Kelch mit Stifterinschrift des 1464 verstorbenen, aus dem Bistum Regensburg stammenden Rotanotars Rudolf Swentener (Nr. 26), zwei vor 1514 entstandene, mit den Initialen P. A. bzw. S. P. versehene Kelche (Nrn. 58, 59). Bei einer silbervergoldeten Monstranz, verziert mit dem Anima-Bild, der Darstellung der Jungfrau Maria mit den beiden armen Seelen (Nr. 57), könnte es sich um eine gemeinsame Stiftung der beiden Anima-Provisoren Johannes Burckard und Johannes Copis gehandelt haben. Ebenso verloren sind drei jeweils für einen Priester, einen Diakon und einen Subdiakon angefertigte Messgewänder aus Brokat, die der damalige Mainzer und Magdeburger Erzbischof und spätere Kardinal Albrecht von Brandenburg mit seinem Wappen und Namen versehen lassen (Nr. 62) und um 1514 der Anima gestiftet hatte. Verloren ist auch ein Altartuch, ein Antependium aus grünem Damast (Nr. 75), auf dem sich der Stifter Johannes Büren, Mainzer Dekan und Prokurator an der Pönitentiarie mit Wappen und Namen verewigt hatte. Ende 1528 wurden wohl als erster Ersatz für das Verlorengegangene ein mit dem Mariengruß versehenes Antependium (Nr. 85) angeschafft, sowie eine hölzerne Monstranz (Nr. 86), die vermutlich notdürftig vergoldet worden war.
Zitationshinweis:
DIO 3, Santa Maria dell’Anima, Einleitung, 4. Inschriften und Inschriftenträger (Eberhard J. Nikitsch), in: inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001e008.
- Bis heute fehlt es an einer grundlegenden vergleichenden Arbeit, in der die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften Roms nicht nur epigraphisch und philologisch, sondern auch kunst- und kulturhistorisch analysiert werden; erfreulicherweise liegen aber bereits in den philologisch geprägten Studien von L. Kajanto sowie den grundlegenden Aufsätzen von W. Koch zur stadtrömischen Epigraphik (die allerdings über das beginnende 15. Jahrhundert nicht hinausgehen) ausgezeichnete Vorarbeiten vor. Weiterführende Beobachtungen bieten die beiden von W. Koch und F.-A. Bornschlegel auf der Epigraphik-Tagung Rom 2012 unter dem Titel „Schriftentwicklung und Schriftrezeption im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rom“ gehaltenen Referate, die 2014 im „Archiv für Diplomatik“ publiziert werden sollen. Zudem darf seitens der Kunstgeschichte keinesfalls der von Blittersdorf/Garms herausgegebene zweibändige Katalog der mittelalterlichen figürlichen Grabmäler in Rom und Latium vergessen werden, auch wenn er sich (aus guten Gründen) auf den Zeitraum 1267 bis 1433 beschränkt. »
- Vgl. dazu Koch, Epigraphik 34f. »
- Vgl. ausführlich Kajanto, Dating pass. zur Entwicklung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Datierungen in Rom. »
- Vgl. dazu Kajanto, Studies 17 und Koch, Epigraphik 36f. »
- Vgl. dazu Kajanto, Dating 46ff. – Das Tagesdatum wird im vorliegenden Material in Regel durch fortlaufende Tageszählung angegeben, nicht selten aber auch (mit wachsender Häufigkeit im 16. Jahrhundert) in der klassischen Form nach Kalenden, Nonen oder Iden, den Fixtagen der Antike (vgl. Nrn. 22, 34, 36, 54, 67, 70, 72, 76, 83, 87, 89, 93, 94, 95, 99, 101, 102, 105, 107, 108, 112, 115, 116, 117, 118, 120). »
- Die ersten Beispiele für Rom lassen sich bereits in den frühen 1430er Jahren nachweisen, vgl. dazu ausführlich Kajanto, Origin 17ff. sowie ders., Studies 20f. und 24ff. mit ausführlichen Diskussion der unterschiedlichen Merkmalen von mittelalterlichen und renaissancezeitlichen Epitaphen. »
- Kajanto, Origin 25 bemerkt wohl zurecht, dass sich sowohl in der Anima als auch auf dem Campo Santo die neue Form des Grabdenkmals relativ spät durchsetzt und begründet dies mit der offenbar stärkeren Verbundenheit der aus dem nordalpinen Bereich stammenden Kleriker mit den ihnen vertrauten mittelalterlichen Formen. »
- Auch dies ist ein spezielles Merkmal renaissancezeitlicher Usancen, vgl. dazu Kajanto, Origin 25ff. »
- Vgl. dazu die Belege bei Koch, Epigraphik 38f. sowie bei Kajanto, Latin verse inscriptions 44ff. mit dem Hinweis auf Forcella, der für Rom zwischen 1000 und 1500 mehr als 220 metrische Inschriften überliefert, wobei die speziell humanistische Dichtung in den 1440er Jahren einsetzt. »
- Vgl. dazu ausführlich Kajanto, Studies 82ff. – Das früheste römische Beispiel (etwa für glorifizierenden Nachruhm) dürfte sich in einer Grabinschrift aus S. Maria in Aracoeli aus dem Jahre 1463 nachweisen lassen, vgl. dazu ebd. 84. »
- Vgl. zu diesem Komplex ausführlich die entsprechenden Kapitel bei Kajanto, Studies pass. »
- Eine vorzügliche Analyse der römischen Prosa-Weiheinschriften des 11. bis 13. Jahrhunderts bietet nun die kürzlich erschienene Studie von Blennow, Consecrative Inscriptions. »
- S. o. Kap. 3.2. »
- Vgl. dazu ausführlich Schmidlin, Anima 659ff. »