Santa Maria dell’Anima: Antikensammlung*

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DIO 03 Anhang 1: Santa Maria dell’Anima, Rom (2012)

A1, Nr. 4 Santa Maria dell’Anima, Innenhof 101-200

Beschreibung

Kleiner Grabaltar für Tineia Antonia, unediert. Dedikantin ist ihre Schwester Tineia Hygia. Das Denkmal hat eine Gesamthöhe von 79 cm, wovon die Basis 20 cm, das Inschriftenfeld 34 cm und der Giebel 25 cm einnehmen. An der Basis ist der Altar 32 cm breit, der Giebel beträgt an der breitesten Stelle 30 cm. Die hederae distinguentes sind separat von der Inschrift in den Giebel eingraviert. Der Text der Inschrift ist schlicht gehalten und gibt nach der einleitenden Formel D(is) M(anibus) lediglich den Namen der Verstorbenen und der Dedikantin sowie deren verwandtschaftliche Beziehung an. Abgesehen von der ersten umfasst jede Zeile ein mit konstanter Buchstabengröße und geradlinig geschriebenes Wort. Die zweite Schräghaste der auslautenden Buchstaben A ist zum Hastenende hin langgezogen gegenüber den anlautenden und in der Mitte eines Wortes stehenden Buchstaben A. Die Cauda bei G liegt linksschräg über dem Bogenende und ist sehr klein ausgeführt. Ihr Ende fällt nicht wie üblich mit dem unteren Bogenende zusammen. Anzunehmen ist, dass der Steinmetz zunächst die ebenfalls mögliche Schreibweise Hycia verwendete und im Anschluss noch eine Cauda einfügte. Der Balken des T ist gerade und alle Balken bei E sind sehr kurz ausgeführt. Der obere Teil des Y besteht aus zwei symmetrischen Schräghasten. Ein Worttrenner in Form eines Dreiecks befindet sich zwischen D(IS) und M(ANIBVS).

Maße: H. 34, B. 24,5, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Scriptura actuaria.

Dr. Eberhard J. Nikitsch [1/2]

  1. D(IS) • M(ANIBVS) / TINEIAE / ANTONIAE / SORORI / TINEIA / HYGIA

Übersetzung:

Den Totengöttern. Der Schwester Tineia Antonia von Tineia Hygia.

Kommentar

Allein mit den Informationen, die diesem Grabaltar zu entnehmen sind, ließe sich nicht viel aussagen und dem jetzigen Standort im Innenhof der Anima ging mindestens ein anderer unbekannter voraus1). Die im zweiten Jahrhundert in Abkürzung sehr gebräuchlich gewordene Sakralformel D(is) M(anibus) gibt einen ersten Hinweis auf die Datierung. Weiteren Aufschluss kann der Gentilname der Tineii2) bringen. Stehen die beiden hier genannten Schwestern in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einem der bekannten Tineii3)? Das Cognomen der Tineia Hygia weist auf eine Herkunft aus dem griechischen Osten hin, und somit ist eine direkte verwandtschaftliche Beziehung zu den senatorischen Quinti Tineii4) nicht wahrscheinlich. Vielmehr kommen diese als patroni der Verstorbenen und ihrer Familie in Frage. In diesem Zusammenhang fällt Q. Tineius Q. f. Sab. Her[mes(?)]5) auf, der durch eine stadtrömische Inschrift6) bekannt ist. Aus ihr erfahren wir auch von der Existenz seiner Tochter Tineia Hiero- -. Die Inschrift gibt weiter an, dass er aus dem bithynischen Nikomedeia stammte und der Tribus Sabatina angehörte; Namen und Tribus übernahm er von dem, der ihm das römische Bürgerrecht verliehen hatte, in der Regel ein höherer römischer Beamter oder Stadthalters7). Mit Q. Tineius Sacerdos8) findet sich in den Reihen der senatorischen Tineii ein Statthalter der Provinz Bithynia-Pontus in dem Jahr 199 n.Chr., auf den die Namensgebung zurückgeführt werden könnte9). Doch hält Salomies dieses Datum für zu spät und nimmt einen in dieser Provinz tätigen früheren Q. Tineius aus der 1. Hälfte des 2. Jhs. an.10) Bemerkenswert ist aber, dass die Schwester, Tineia Antonia, einen römisches Namen trägt. Es ist müßig zu spekulieren, ob beide Angehörige des genannten Q. Tineius Q. f. Sab. Her[mes(?)] sein könnten. Nach den Buchstabenformen gehört die Inschrift wohl noch in das 2. Jh. n.Chr

Anmerkungen

  1. Wie von einigen anderen Inschriften im Innenhof bekannt ist, stammen sie aus Antiquariaten. Sicherlich trifft das auch in diesem Fall zu.
  2. Zur Namensherkunft siehe SCHULZE, Eigennamen, S. 159 und 374.
  3. Zu den Tineii vgl. GROAG, Edmund [u a. ], PIR², A 222-235.
  4. Siehe das Stemma bei GROAG, Edmund [u a. ], PIR², S. 66.
  5. DEVIJVER, Prosopographia, T 20 schlägt daneben noch Her[on] vor. Andere griechische Namen kommen derweil nicht in Frage, da der Platz auf dem Inschriftenträger nur eine kurze Wortform zulässt.
  6. CIL VI 3499.
  7. SALOMIES, Tineii, S. 200.
  8. PIR², A. 229.
  9. SALOMIES, Tineii, S. 200.
  10. SALOMIES, Tineii, S. 200f. Anders dagegen DEVIJVER, Prosopographia, T 20, der Q. Tineius Her[mes (?)] in die Zeit der Severer oder später rechnet.

Zitierhinweis:
DIO 03 Anhang 1, Santa Maria dell’Anima, Rom, A1, Nr. 4 (Sebastian Moos), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-dio003r001a1000401.

* gesammelt und bearbeitet von Paul Sebastian Moos