Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 101 Eberbach, Klosterkirche (aus Kapitelsaal) 1369

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabplatte des Abtes Heinrich III. von Eberbach, ursprünglich im Kapitelsaal, heute in der südlichen Seitenschiffkapelle unter dem Fenster (Plan Äbte Nr. 1). Große Rotsandsteinplatte mit der Ritzzeichnung der Standfigur des Abtes. Bekleidet mit dem Ordenshabit, hält er den in eine verzierte Krümme auslaufenden Stab in der rechten Hand. Das Gesicht ist leicht nach rechts gewendet, die linke Hand umfaßt das Regelbuch. Die Inschrift umläuft den Stein auf dem Rand zwischen Linien, Randzone beschädigt, Platte nach Zerschlagung wieder zusammengefügt mit großer Bruchlinie über der unteren Plattenmitte; dabei Verlust einiger Buchstaben.

Maße: H. 199, B. 104, Bu. 6-6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: Dr. E.Nikitsch [1/1]

  1. + · C · ter · milleno · minus · vno septu/agenoa)· Abbas · h[ei]nricusb) moritur pietatis amicus ·Idib(us) / apr[ilis] lugetc) hunc puer at(que) / virilisd) ·Cui(us) nu(n)c flatu(m) iubeat deus esse beatu(m) ·am(en)

Übersetzung:

Tausenddreimalhundert und siebzig weniger eins (1369), an den Iden des April (13. April) starb Abt Heinrich, Freund der Frömmigkeit, vom Knaben wie vom Manne betrauert, dessen Seele Gott nun selig sein lasse. Amen.

Versmaß: Vier leoninische Hexameter, zweisilbig rein.

Kommentar

Der Beginn der Hexameter wird jeweils durch Majuskelversalien angezeigt. Die Minuskelbuchstaben g und p haben Unterlängen, das e ist oben mit einem feinen Strich fast geschlossen wie auch das doppelstöckige a.

Angesichts der Ausprägung der Minuskel kann eine zeitnahe Herstellung der Platte als sicher gelten. Ihre Textfassung bildete mit anderen metrischen Inschriften (Nrr. 21, 63f., 66) in Eberbach jedoch keine lebendige Tradition, sondern wurde für die Grabinschriften von Äbten und Laien von dem Anno domini-Formular verdrängt.

Typologisch gehört die Heinrich-Platte, die wohl das erste erhaltene Zeugnis für die Sepultur eines Eberbacher Abtes im Kapitelsaal darstellt, zu den figürlichen Ritzzeichnungen des 14. Jahrhunderts und steht am Anfang einer Entwicklung, die zu der Angleichung an die zeittypischen Relief- und Architekturformen laikaler Denkmäler hinführt.1)

Über die Herkunft des Verstorbenen berichten die „Series abbatum“, daß Heinrich aus Köln stammte und 1353 die Nachfolge des 1352 vom Amt zurückgetretenen Abtes Nikolaus (Nr. 83) antrat. Während seines Abbatiates konnte er die Leistungen des Abtes Wilhelm (Nr. 65) weiterführen und Eberbach in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Position konsolidieren. Besondere Freundschaft verband Abt Heinrich III. mit Erzbischof Gerlach von Nassau (folgende Nr.).2)

Textkritischer Apparat

  1. Obere Hälfte von septua zerstört, nur Unterlängen und Quadrangel erhalten.
  2. Vom n nur rechte Haste vorhanden; Vorname aufgrund des Hastenabstandes eher wie angegeben statt henricus.
  3. Verschlagung oder Beschädigung bei lu; die erste Silbe prosodisch unrein kurz gemessen, kein Kürzungszeichen sichtbar für lugent wie Helwich.
  4. Bär überliefert senilis.

Anmerkungen

  1. Zur Entwicklung des Grabbildes vgl. Monsees, Entwickung 27.
  2. Series abbatum fol. 88f.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 176.
  2. Catalogus fol. 18; ed. Roth, Geschichtsquellen III 106.
  3. Series abbatum fol. 89.
  4. Bär, Eberbach I 130 Anm. 70.
  5. Bär/Stoff, Eberbach III 122 Anm. 45.
  6. Roth, Geschichtsquellen III 267.
  7. Lotz (1880) 88.
  8. Foto LfD N 10547.
  9. Meyer zu Ermgassen, Untersuchungen 51 Anm. 81.
  10. Monsees, Entwicklung 27f.
Addenda & Corrigenda (Stand: 01. Oktober 2021):

Neuer Standort: Die Platte steht an der Nordwand des Nordseitenschiffs, links des Eingangs.
Kommentar: Weitere bemerkenswerte Details der Schrift sind das durch waagerechtes Abknicken des linken Bogenendes geschlossene a und das unten in einer Spitze endende v.
Im März 1359, also sechs Jahre nach seiner unkanonischen Wahl, erhielt Heinrich durch Bischof Philipp von Cavaillon Dispens, so nach NUB I, 3 Nr. 2929.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 101 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0010105.