Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 79 Kiedrich, Kath. Pfarrkirche St. Valentin 1352

Beschreibung

Grabplatte des Ritters Gerhard von Scharfenstein und seiner Frau. Ehemalige Bestattung mitten im Chorbereich (Plan Kiedrich Nr. 10), die Platte 1614 von Helwich nicht aufgenommen, heute aufrecht an der Westwand des Chores neben der Südsakristei angebracht. Mündlicher Überlieferung zufolge soll sich bei der Erhebung der Grabplatte von ihrem ursprünglichen Platz gezeigt haben, daß der Stein auch rückseitig in Zweitverwendung bearbeitet war.1) Rotsandsteinplatte mit dem Flachrelief des nebeneinanderstehenden Paares unter Doppelbogen, der in eine mittig gestellte, zwischen das Paar gesetzte Lilie ausläuft. Links ist der Ritter im Vollharnisch mit dem vor die Leibesmitte gelegten Langschwert und dem mit Wappen versehenen Schild abgebildet; rechts neben ihm seine Ehefrau in zeittypischer Tracht mit langem Kleid, Schleier, Rise und Nuschenmantel; ihre Hände sind im Gebetsgestus aneinandergelegt. Zu Füßen des Paares in den Ecken je ein Wappen. Grabinschrift des Ritters zwischen Linien auf der linken Randleiste mit Beginn rechts unten, von innen zu lesen; Grabinschrift seiner Ehefrau nicht ausgeführt. Oberes Plattenviertel abgeschlagen, Reliefs vor allem im Gesichts- und Schulterbereich abgetreten.

Maße: H. 220, B. 121, Bu. 4,5-5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/1]

  1. Anno d(omi)ni M · ccc · liia) [iiiib)] id(us) / Septe(m)b(r)is · o(biit) · Gerhard(us) · miles ·de · scharpe(n)stein cui(us) · a(n)i(m)a · req[ui]esc[at] i[n]c) pace · ame(n)

Datum: 10. September 1352.

Wappen:
Scharfenstein (mit den Steinen); Ried oder Schetzel von Lorch; Wolfskehl.

Kommentar

Von den Majuskelversalien besitzt das trapezförmige A eine gebogene, mäßig gerundete linke Haste bei leicht nach innen gebogener rechter Haste; beim unzialen M ist durch die Abtretung nicht mehr erkennbar, ob es einen Abschlußstrich besaß oder ob die Bögen unten offen endeten. Die Schluß-s in Septembris und miles sind stark gebrochen. Die deutlich schon dem Vier-Linien-Schema verhaftete Minuskelschrift gehört mit den Eberbacher und Rüdesheimer Platten zu den frühen Ausprägungen im Bearbeitungsgebiet.2) Als Worttrenner dienen kleine, halbkugelig eingetiefte Punkte.

Die bislang nicht identifizierte Ehefrau dürfte die Grabplatte in Auftrag gegeben haben. Nach ihrem Tod unbestimmbare Zeit nach dem ihres Mannes unterließ man die Ausführung ihrer Grabinschrift, vielleicht weil keine Erben mehr vorhanden waren, die den Auftrag hätten erteilen können.

Die Genealogie der verschiedenen Zweige der Scharfensteiner Burgmannen bleibt weitgehend unbekannt. Mehrere Linien wurden nach ihren unterschiedlichen Wappenfarben als die Grünen und die Schwarzen bezeichnet. Aufgrund des erhaltenen Wappens dürfte Gerhard von Scharfenstein der Linie mit den Steinen angehört haben. Von 1347 datiert der Verkauf von Gülten und Gefällen, die er von den Herren von Eppstein erworben hatte, an das Mainzer Albansstift.3)

Textkritischer Apparat

  1. Am zweiten i eine Abplatzung, die den Befund wie ein verstümmeltes x erscheinen läßt.
  2. Vier obere Quadrangelreste machen diese Ergänzung wahrscheinlich.
  3. i nur schwach auszumachen.

Anmerkungen

  1. Frdl. Hinweis von Herrn Dr. h.c. Josef Staab. Zaun, Geschichte Kiedrich 119 schrieb, daß der Stein „so ausgetreten war, daß blos Namen und Zahl noch mühsam zu entziffern ist“, Helwich habe den Stein wegen der Kinderbänkchen übersehen. Möglicherweise sah aber Helwich nur die heute verborgene Rückseite einer Zweitverwendung – das könnte man nur durch Abnahme des Steines herausfinden.
  2. Vgl. Einleitung Kap. 5.4.
  3. Regest bei Roth, Geschichtsquellen I 435 Nr. 27 zu 1347 August 20.

Nachweise

  1. Monsees, Inschriften St. Valentinus 119 m. Abb. 64.
  2. Staab, Grablege 112 Nr. 10.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 79 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0007904.