Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 565 Wiesbaden-Frauenstein, Kath. Pfarrkirche St. Georg (aus Kloster Eberbach) 1613

Das Reimschema der Inschriften auf der ersten Tafel passt nicht zu der Zeitstellung, da die gereimten Hexameter des hohen und späten Mittelalters mit der Sprache der Renaissance schnell und durchgreifend verschwinden, jüngere Verwendungen in Inschriften in der Regel als Zitate älterer Texte anzusehen sind, vgl. etwa DI 71 (Trier II) Nr. 474.

Beschreibung

Spruch- und Stifterinschrift auf zwei Inschrifttafeln, heute unter einer Muttergottesfigur rechts des Eingangs nebeneinander aufgestellt. Bei Um- und Neubauarbeiten um 1955 fand man unter der barocken Altarverkleidung des jetzigen Hochaltars eine Mensa mit einer außergewöhnlich großen Altarplatte, die dem ehemaligen Eberbacher Hochaltar zuzuordnen ist.1) 1708 war dieser nach Kloster Tiefenthal abgegeben worden, da man in Eberbach einen neuen Altar bei Franz Matthias Hiernle in Auftrag gegeben hatte.2) Die Tiefenthaler Äbtissin verwendete nun ihrerseits von diesem alten Altar nur die beschrifteten Seitenwangen und die Mensa; Hiernle wurde gleichfalls mit der Erstellung eines neuen, barocken Altarretabels für Tiefenthal beauftragt. Nach der Säkularisation gelangte dieser Tiefenthaler Barockaltar mit der romanischen Mensa und einer Schrifttafel nach Wiesbaden-Frauenstein. Diese Tafel mit dem ersten Teil der Inschrift befand sich nach Helwich auf der linken Seite des Eberbacher Hochaltars. Ihr von der rechten Seite stammendes Pendant war im Oktober 1860 an das Wiesbadener Landesmuseum (SNA) abgegeben worden und gelangte erst später nach Frauenstein.3) Schmale, hochrechteckige Platten aus rotem Sandstein mit jeweils einer zwölfzeiligen Inschrift. Buchstaben ursprünglich in Gold auf schwarzem Grund; heute sind die Buchstaben der beiden ungefaßten Steintafeln einheitlich in roter Farbe ausgemalt.

Maße: Links: H. 67, B. 37, Bu. 2-3 cm; rechts: H. 67, B. 36, Bu. 2-3,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. HIC CAPVT INCLINA LATET HICa) / ANIMAE MEDICINA.HIC DEVS EST TANTVS NATVS / DE VIRGINE QVANTVS.LANGVENTIVM MEDICVS ET / VERVS ANIMAE CIBVS.NATVS DEI PATRIS ET FILIVS / VIRGINIS MATRIS.SALVTIS HIC PASTVS ET VERV(M) / DOMINI CORPVS.SACRVM ALIMENTVM NOBILIS=/SIMVMQ(VE) SACRAMENTVM, //IGNEVS AEQVATO TRANSIT SOL / PONDERE LIBRAM.VIBRAT ET OCTOBER CLARO / SVA LVMINA COELO.ECCE VALENTINVS PRIMVS, / QVI FRONTE TIARAM,ATQ(VE) PEDVM MANIBVS DVM / PONTIFICALE TENERET.IN PATRIS AETERNI SANCTAE / ET GENETRICIS HONOREM.HAEC MONVMENTA SVO IVSSIT / SPLENDESCERE NVTV.

Übersetzung:

Hier beuge das Haupt, hier liegt der Seele Medizin verborgen. Hier ist Gott so groß, wie er von der Jungfrau geboren, Arzt der Schwachen und wahre Speise der Seele, eingeborener Sohn Gottes, des Vaters und der Sohn der jungfräulichen Mutter, hier ist des Heiles Nahrung und der wahre Leib des Herrn, heilige Speise und edelstes Sakrament. – Die feurige Sonne steht über der Waage, wenn das Gewicht ausgeglichen ist, und der Oktober läßt sein Licht am klaren Himmel leuchten. Siehe, Valentinus, der Erste, der auf der Stirn die Mitra und in Händen den Abtsstab (!) trägt, ließ zu Ehren des ewigen Vaters und der heiligen Gebärerin dieses Denkmal auf sein Geheiß erglänzen.

Versmaß: 12 Hexameter, die ersten sechs leoninisch ein- und zweisilbig; Chronostichon (1613).

Kommentar

Die Inschriften sind überwiegend in scriptura continua ausgeführt. Der Anfang jedes Hexameters wird durch Versalien gekennzeichnet. Die Verse drei, fünf und sechs weisen prosodische und metrische Fehler auf. Der erste Hexameter auf der zweiten Tafel enthält ein Chronogramm mit der Angabe des Herstellungsjahres und grenzt zusammen mit dem zweiten Hexameter kunstvoll den Stiftungstag ein.4)

Abt Valentin I. Molitor (Nr. 575) amtierte von 1600 bis 1618. Er gab die Anfertigung und eine reichere Ausstattung des neuen Hochaltars mit Kelchen und Paramenten in Auftrag.5) Die Verse stammen vermutlich von demselben Mönch, der eine inschriftlich nicht realisierte Elegie auf den Tod des Abtes verfaßte.6)

Textkritischer Apparat

  1. Sehr eng auf das Zeilenende gestellt.

Anmerkungen

  1. Vgl. August H. Meuer, Der Hochaltar von Eberbach in der Kirche zu Frauenstein. In: Rhein. Volksztg. vom 25. Juli 1931; Ferdinand Kutsch, Der Hochaltar in der Kirche zu Frauenstein – aus Eberbach. In: Nass. Ann. 66 (1955) 266-269.
  2. Vgl. ausführlich Döry, Hochaltar 479-492.
  3. Rossel, Kirche 9 mit Anm. 28.
  4. Gemeint ist die Tag-Nachtgleiche im Herbst, d.h. der 21. September; auffälligerweise bezieht sich die Inschrift auch auf den Oktober, möglicherweise auf den Tag der Altarweihe.
  5. Vgl. auch Catalogus ed. Roth, Geschichtsquellen III 143: „amplissima altaria erecta calicibus, ampullis quam aureis, quam argenteis (...) pluvialibus, casalis, dalmaticis sacraria instructa sunt“.
  6. Vgl. Catalogus ed. Roth, Geschichtsquellen III 144-146.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 153.
  2. Rossel, Kirche 9.
  3. Kutsch, Hochaltar 268.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 565 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0056503.