Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 540 Mainz, Landesmuseum
(aus Kiedrich, Kath. Kirche St. Valentin)
Um 1601 oder kurz danach?

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Altarretabel mit Engelsgruß, Bibelsprüchen und Wappenbeischriften für Gernand von Schwalbach und seine Frau Anna von Hohenstein (Nr. 538). Ehemaliger Standort in der Kirche unbekannt; Besitz der Familie von Ritter zu Groenesteyn, dann 1947 auf einer Auktion in Wiesbaden erworben und 1952 an das Kunstgeschichtliche Institut der Mainzer Universität geschenkt, dort 1955 restauriert und 1960 aufgestellt, heute in den Schausammlungen des Landesmuseums.1) Dreiteiliges Retabel mit beweglichen Flügeln über von zwei Konsolen flankiertem Sockel, darauf querrechteckige Kartusche mit Spruchinschrift (A). Auf den Außenseiten der Flügel unbeschriftete Darstellung des Sündenfalls, innen der Engelsgruß: rechts der Verkündigungsengel mit Schriftband (B), der sich der in einem Innenraum sitzenden Maria nähert. Ihre Hand ruht auf einer aufgeschlagenen Bibel, deren Seiten mit schreibschriftlich aufgemalten Bibelzitaten (C) versehen sind. Im rundbogigen Mittelteil des Retabels vollplastische Kreuzigungsgruppe aus Alabaster. Das Kreuz selbst steht auf dem durch einen Totenschädel, Gewürm, Schwerter und Knochen gebildeten Kalvarienberg; am Kreuzstamm heute verlorenes Stundenglas. Auf der Rückwand gemalte Stadtvedute mit gebirgigem Landschaftsprospekt; im oberen Rundbogen weiteres Alabasterrelief mit dem segnenden Gottvater im Wolkenkranz. Auf den beiden Längsseiten des Schreins befinden sich je acht aufgemalte Ahnenwappen mit Beischriften auf kleinen Schriftbändern. Material Tannenholz, in Mischtemperatechnik bemalt; Plastiken aus Alabaster, ehemals farbig gefaßt.2)

Maße: H. 206, B. 183, Bu. 0,5-3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A, B), schreibschriftliche Kursive (C), Fraktur (Wappenbeischriften).

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/6]

  1. A

    DEO TRINO ET VNI · S(ACRVM) ·

  2. B

    AVE MARIA GRACIA PLENA3)

  3. C

    [...] soll / Der schl/ana) de(n) kop / zertretenb) // Du solttc) gott / Deinen Herren / lieben von ga/nsem Deinem Hertzen vndtt Deinen nesten / alsz dich selbst4)

  4. Wappen mit Beischriften:  
    Schwalbach Hohenstein 
    Hevsenstam Rodte) 
    Brendell vo(n) / Homborg merstorfff) 
    Wais von / Fawerelichd) Schönborn 
    Brambach Erlenheidt von Saulheim 
    Brendell von / Homborg Selbach 
    Kalb von Rei/nheim Hattstein 
    Hoheweissel Weÿer zu nie/kendich 

Übersetzung:

Dem dreifachen und einen Gott geweiht (A). – Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade (B).

Kommentar

Die Ahnenprobe erweist das Ehepaar Gernand von Schwalbach und Anna von Hohenstein (Nr. 583) als Auftraggeber. Nicht auszuschließen ist jedoch, daß die überlebende Ehefrau aus Anlaß des Todes ihres Mannes das Retabel stiftete. Durch Gernands Enkelin, einzige Tochter und Erbin des Sohnes Wolf Adam von Schwalbach, die 1640 Stephan Ritter von Groenesteyn heiratete, kam das Retabel in den Besitz der Familie von Ritter zu Groenesteyn.6) Es dürfte gemeinsam mit anderen Altären während der Renovierung der Kirche in den Jahren 1860-65 entfernt worden sein.

Der Künstler des in der Tradition kleiner hölzerner Epitaphaltäre (Mainzer Dom, Aschaffenburger Stiftskirche) stehenden, gemalten Altaraufsatzes7) ist zwar unbekannt, doch weisen Stilmerkmale auf eine Mainzer oder Aschaffenburger Werkstatt hin. Für die Schreinplastiken wurde der Umkreis des Johannes Juncker namhaft gemacht.8) Lühmann wies bereits auf die Kartusche und Inschrift (A) in der Predella hin, mit denen möglicherweise die Originalinschrift übermalt wurde.9) Sie vermutete in dieser älteren Inschrift die von Helwich mitgeteilten Grabinschriften des Ehepaares.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! So für Schlang.
  2. Lesung nicht ganz eindeutig.
  3. Für sollst.
  4. Fauerbach.
  5. Roth von Burgschwalbach.
  6. Rotes Schildhaupt; d.i. Wertorff, s.a. Nr. 583.

Anmerkungen

  1. Frdl. Hinweise von Herrn Dr. Horst Reber, Mainz; vgl. auch Lühmann, Flügelaltar 437.
  2. Lühmann, ebd. 448 mit Anm. 16.
  3. Vgl. Lc. 1,28.
  4. Mt. 22,37 mit Dtn. 6,5 und Mt. 19,19.
  5. Lühmann, Flügelaltar 440, auch zum folgenden.
  6. Ebd. 438-440; vgl. auch Humbracht Taf. 269.
  7. Lühmann, Flügelaltar 456.
  8. Vgl. ausführlich ebd. 466f.-478.
  9. Ebd. 456.
Addenda & Corrigenda (Stand: 30. September 2021):

               
Wappen
Schwalbach Hohenstein
Heusenstamm Roth von Burgschwalbach
Brendel von Homburg Wertorff
Wais von Fauerbach Schönborn
Brambach Erlenhaupt von Saulheim
Brendel von Homburg Selbach
Kalb von Reinheim Hattstein
Hohenweisel Weyer zu Nickenich

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 540 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0054009.