Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 528† Eberbach, Kreuzgang 16.Jh.?

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Spruchinschrift unter dem Bildnis der Muttergottes1) an nicht näher bezeichnetem Ort im Kreuzgang. Möglicherweise stand die Inschrift auf einer Tafel oder war als Wandmalerei ausgeführt. 1629 kopial überliefert.

Nach Hensel.

  1. Salve vera dei mater decus addita divisQuae nobis et opem ferre patrona potes.Quam nitido caput ingenuum diademate fulgetQuo bis sex visu sydera clara nitent!O vultus oculosque tuos o dulcior illo esMelle quod in ceris Attica sudat apis!2)Quanta capit de te sanctus spectacula coetusFert divis vultus gaudia quanta tuus!Consedere simul sanctissima concio et omnesAd hominem vultus opposuere suos.O veneranda parens summus quam presul honoratCardineique diu quam coluere patres.Supplex pontificum te semper turba beabitEt faciet clerum glorificare suum.Multa sacerdotes mater tibi vota parabuntCum coenobialis cetera turba viris.

Übersetzung:

Sei gegrüßt, wahre Mutter Gottes, die du den Heiligen als Zierde beigegeben worden bist und uns als Patronin Hilfe zu bringen vermagst. Wie erstrahlt das edle Haupt vom glänzenden Diadem, auf dem zweimal sechs helle Sterne funkelnd zu sehen sind! O an Antlitz und an Augen bist du süßer als jener Honig, den die attische Biene in den Wachswaben hervorschwitzt! Wie ergreift dein Anblick die heilige Versammlung, und wieviel Freude bringt dein Antlitz den Heiligen! Sogleich setzte sich die heiligste Versammlung zusammen, und alle richteten ihr Antlitz auf den Menschen. O verehrungswürdige Mutter, die der höchste Bischof verehrt und die schon lange die Kardinäle ehren. Demütig wird dich immer die Schar der Bischöfe preisen, und sie wird ihren Klerus dich rühmen lassen. Die Priester werden dir, o Mutter, viele Gebete darbringen und mit diesen Männern die übrige klösterliche Schar.

Versmaß: Acht Distichen.

Kommentar

Eine genaue zeitliche Einordnung ist nicht möglich. Zwar wurden die Kirche und der Kreuzgang in der Zeit um 1500 ausgemalt,3) doch scheint es zu gewagt, die Anbringung der Inschrift damit in Beziehung zu setzen. Für eine Entstehung der Inschrift im 16. Jahrhundert spricht, daß im Bearbeitungsgebiet und in den angrenzenden Gebieten erst nach 1500 Inschriften mit ungereimten Hexametern oder Distichen die Regel sind, während im 14. und 15. Jahrhundert üblicherweise gereimte Hexameter und Distichen verwendet werden.4) So zeigt die 1491 datierte Inschrift unter einem Marienbild in der Eberbacher Kirche (Nr. 280) noch leoninisch zweisilbig rein gereimte Hexameter. Eine Datierung auf die Zeit vor 1502 ist auch deshalb weniger wahrscheinlich, weil sich Ovids „Tristien“ in dem Eberbacher Bibliothekskatalog von 15025) nicht nachweisen lassen.

Der unbekannte, wahrscheinlich dem Konvent angehörende Autor verwendete in seinem Marienlob die bekannte Metapher des „glänzenden Diadems“ mit den zwölf Sternen als Umschreibung für die von der Glorie umgebene Gottesmutter.6) Auffallend ist die strenge Abfolge der kirchlichen Hierarchie vom Papst bis zum einfachen Klosterbruder, die alle im Marienlob versammelt sind.

Anmerkungen

  1. Hensel: „Sequentia Carmina scripta sunt infra imaginem beate Virginis in ambitu“.
  2. Ovid, Trist. V 4, Vers 29f. Frdl. Hinweis von Frau Dr. Ute Ecker, Mainz.
  3. Vgl. Einleitung Kap.2.1.
  4. Vgl. Nr. 103 bei Anm. 5.
  5. Ocul. mem. II fol. 95r ff.
  6. Vgl. dieses Bild in Nr. 319.

Nachweise

  1. Hensel in: Liber seniorum fol. 91, ed. Roth, Geschichtsquellen III 170f.
  2. Eberbach im Rheingau (199, teilw.).
Addenda & Corrigenda (Stand: 18. Oktober 2021):

Ergänzung zum Kommentar: Susanne Kern schreibt über die Metapher der Gottesmutter Maria als Biene, dass dieses Bild nicht selten in der marianischen Dichtung anzutreffen ist. Es wird auch im Melker Marienlied von 1130 verwendet („Wabe, die von Honig trieft“) Auch verwendet Cäsarius von Heisterbach dieses Bild und sagt „cuius vincunt labia Favum in dulcedine“. Im 15. Jahrhundert erhält der hl. Bernhard den Beinamen „doctor mellifluus“. Seitdem wurde er als Patron der Bienen- und Wachszieher angerufen. S. Kern, Wandmalerei Kloster Eberbach, Ms. S. 5, Anm. 23.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 528† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0052809.