Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 524 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul kurz nach 1599

Beschreibung

Großes Epitaph der Elisabeth von Schöneberg (vor dem Sane) mit Grab- und Spruchinschrift, über dem Durchgang zur Marienkapelle an der Südwand des Chores angebracht. Über der unteren Schmuckzone mit geflügelten Puttenköpfen und Fruchtgehängen querrechteckige, am Rand von je einem liegenden, nach außen gewendeten Putto flankierte Inschrifttafel mit der neunzeiligen Grab- und Stifterinschrift (A). In der Mittelzone rundbogig geschlossene, leere, von zwei Säulen flankierte Nische. Auf den beiden Seitenfeldern je eine Ahnenprobe mit acht paarweise angeordneten, tingierten Wappen, darüber auf kleinen Täfelchen die dazugehörigen Beischriften. In der obersten Zone standen ursprünglich zwei Freifiguren (wohl die Allegorien von Glaube und Hoffnung); dazwischen die erhaltene Inschrifttafel mit vierzeiliger Spruchinschrift (B). Darüber hochrechteckiges Bildfeld mit Auferstehungsrelief, darüber auf Rundmedaillon Allianzwappen; als Bekrönung Abbildung des Pelikans mit seinen Jungen. Auf der nicht zugänglichen Rückseite Künstlersignatur (C). Trachyttuff, Inschrifttafeln, Gesimse und Säulchen aus verschiedenfarbigem Marmor. Buchstaben vergoldet.

(C) nach Kremer.

Maße: H. ca. 435, B. ca. 235, Bu. 4-5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/6]

  1. A

    ELISABETAE A SCHONBERGK, FOEMINAE LECTISSIMAE, PIETATIS / AC PVDICITIAE LAVDIBVS INSIGNI, VXORI FIDELISSIMAE AC INCO(M)/ PARABILI, IN SPEM GLORIOSAE RESVRRECTIONIS HIC QVIESCENTI: / NOB(ILIS) ET STR(ENVVS) IOANNES GEORGIVS A BICKEN, DOMI(NVS) IN HAIN, / REVERENDISSIMI ET, ILLVSTRIS(SIMI)a) D(OMINI) D(OMINI) WOLFFGANGI, ARCHIEPIS/COPI MOGVNTINENSIS ETC(ETERA) APVD RINGAVIENSES VICEDOMIN(VS) / MARITVSb) AMARI DOLORIS PLENVS, HAEC FIERI CVRAVIT. / OBIIT IN DIE S(ANCTAE) VRSVLAE ANNO SALVTIS M D XCVIIII / AETATIS 〈...〉.

  2. B

    QVA CHRISTVS FORMA SVRREXIT (ET) ASTRA PETIVITHAC REDIENS IVDEX TOTIVS ORBIS ERITCVNCTA SEPVLTORVM TVNC CORPORA VIVA RESVRGENTSALVVS (ET) IN COELO QVISQVISc) FIDELIS ERIT

  3. C

    G(ERHARD) W(OLFF)

  4. Wappen mit Beischriften:  
    VON WEŸER ZV NIKEINCH DALBERG  
    VON DER LEYEN  SIKINGEN 
    BOVRSTHEITTd)  HELMSTAT  
    DVRKHEMe)  PŸRMONT  
    WILTZf)  GRIFENCLA  
    WALPOTT VON VLMEN  HOENBERCH  
    STVMPFF VON SIMMERREN PALANT  
    CRYEFFg)  DERNh) 

Übersetzung:

Der Elisabeth von Schöneberg, der geliebtesten Frau, ausgezeichnet durch das Lob ihrer Frömmigkeit und Sittsamkeit, der treuesten und unvergleichlichen Gattin, die hier in der Hoffnung der glorreichen Wiederauferstehung ruht, hat der edle und tüchtige Johannes Georg von Bicken, ihr Ehemann, Herr zu Hain und des hochwürdigsten und vornehmsten Herrn, Herrn Wolfgang, Erzbischof zu Mainz, Viztum im Rheingau, voll bitterem Schmerz dieses Denkmal machen lassen. Sie starb am Tag der hl. Ursula (21. Oktober) im Jahre des Heils 1599 im Alter (...) (A). – In der Gestalt, in der Christus auferstanden und in den Himmel gelangt ist, kehrt er zurück und wird der Richter der ganzen Welt sein. Dann werden alle Körper der Begrabenen lebendig wieder aufstehen, und jeder Gläubige wird wohlbehalten im Himmel sein (B).

Versmaß: Zwei Distichen (B).

Wappen:
Schöneberg-Braunsberg-Brohl.
        
Weyer zu Nickenich Kämmer von Worms gen. von Dalberg
Von der Leyen Sickingen
Burtscheid Helmstatt
Eckbrecht von Dürkheim Pyrmont
Wiltz Greiffenclau zu Vollrads
Waldbott von Ulmen Puller von Hohenberg
Stumpf von Simmern Pallant
Kroev Frei von Dehrn

Kommentar

Die präzise gearbeitete Kapitalis orientiert sich in einigen Punkten wie etwa Linksschrägen- und Bogenverstärkung an klassischen Vorbildern; unklassisch erscheinen dagegen E mit kurzem Mittelbalken, G mit eingestellter Cauda, M mit zur Zeilenmitte reichendem Mittelteil, R mit geschwungener Cauda. AE, NE und OE sind durchweg ligiert. Hinzu kommen Quadrangel, Doppelstriche und Kommata als Interpunktionszeichen sowie leicht erhöhte Versalien bei den Eigennamen und Titeln. Auffälligerweise fehlt der Nachtrag der geplanten Altersangabe.

Das Epitaph1) trägt allein die Ahnenprobe der Verstorbenen. Das große Wappen im Giebel gehört ihren Eltern Johann von Schöneberg und Clara von Braunsberg-Brohl, Tochter des August von Braunsberg und der Katharina Kämmerer von Worms gen. von Dalberg.2) Die linke Denkmalsseite zeigt die Wappen der Vorfahren väterlicherseits, die rechte Seite diejenigen der Mutterlinie. Bei beiden Hauptlinien geht ein Wappen (Stumpf von Simmern und Frei von Dern) eine Generation weiter zurück.

Das aufwendig gestaltete Epitaph ist durch die Signatur als Werk des Mainzer Bildhauers Gerhard Wolff3) ausgewiesen. Wolff, als Sohn des Steinmetzen Endres Wolff wohl kurz nach 1557 geboren, erscheint bereits 1581 als Bildhauer beim Bau der Mainzer St. Gangolfskirche4) und wurde 1607 als Mitglied des Stadtrates aufgenommen. Neben Arbeiten im Mainzer Dom – Wolff fertigte 1586/87 die untergegangene Kanzel – schuf er weitere Prunkepitaphien in Marburg, Wertheim am Main5) und in Rüdesheim (Nr. 518).

Textkritischer Apparat

  1. Zweites L kleinerformatig über den Balken des ersten L gestellt.
  2. T aus verhauenem H.
  3. Ein I zu E verrestauriert.
  4. Burtscheid.
  5. Eckbrecht von Dürkheim.
  6. Kdm.: Wiltz von Waldeck.
  7. Kroev.
  8. Frei von Dern.

Anmerkungen

  1. Ohne Inschriftzitat besprochen von Hans Kremer, Ein signiertes Werk des Mainzer Bildhauers Gerhard Wolff in Eltville am Rhein. In: MzZschr. 50 (1955) 38.
  2. Vgl. Humbracht Taf. 211 (Schöneberg).
  3. Zu Wolff vgl. Strübing, Wolff; Thieme-Becker Bd. 36, 198; Kremer, Werk; Heinzelmann, Genealogische Randnotizen 60-62.
  4. Vgl. zur St. Gangolphskirche Fritz Arens, Die Schloßkirche St. Gangolph zu Mainz. Mainz 1940.
  5. So etwa das 1590-92 entstandene Wandgrabmal des Landgrafen Ludwig IV. Testator von Hessen und dessen Gemahlin Hedwig von Württemberg in der Lutherischen Kirche zu Marburg, vgl. Heinzelmann, Genealogische Randnotizen 60-62, sowie das sog. Ebersteinsche Epitaph von 1590-91 in der Ev. Stadtkirche zu Wertheim am Main, vgl. hierzu DI 1 (Main- und Taubergrund) Nr. 276 und Schuster, Wolff 31-37.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 244f.
  2. Würdtwein, Epitaphienbuch 367 (teilw.).
  3. Zaun, Landkapitel 40f.
  4. Roth, Geschichtsquellen III 240.
  5. Kdm. 138f. Nr. 5.
  6. Kremer, Werk 38.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 524 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0052407.