Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 433(†) Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin (1548)/1550
Beschreibung
Großes Epitaph für den kaiserlichen Feldmarschall Johann Hilchen von Lorch. Das Renaissancedenkmal aus rotem, farbig gefaßtem Sandstein befindet sich an der Südwand des Langhauses. Über dem profilierten, niedrigen Sockel erhebt sich die Figurennische mit wappenbelegten Rahmenleisten. In der Nische befindet sich die überlebensgroße Standfigur des barhäuptigen, gerüsteten Verstorbenen im Gebetsgestus, zu seinen Füßen ein liegender, zu ihm emporschauender Hund. Zu Häupten der Rittergestalt mittig gesetzt der Helm mit Federbusch, rechts auf dem Rand der Wappenschild, links nochmals kleinerformatig die dazugehörige Helmzier. In der querrechteckigen Zone darüber befindet sich die zehnzeilige, über die gesamte Feldbreite geführte, aufgemalte Memorialinschrift. Den oberen Denkmalabschluß bildet ein Dreiecksgiebel, darauf drei Kugeln; im Giebelfeld ein Puttenkopf mit leerer Schriftrolle. Auf den Rahmenleisten befinden sich je vier Wappen mit Beischriften, rechts oben aufgelegter Wappenschild ohne Beischrift. 1838 durch Freifrau Amalie von Plettenberg erstmalig, 1880 durch Freiherr Ferdinand von Hausen erneut überarbeitet1) und farbig gefaßt, dabei Schrift schwarz aufgemalt.
Maße: H. ca. 450, B. 150-177, Bu. ca. 4-5, Beischr. 2 cm.
Schriftart(en): Kapitalis.
HIE · LIGT · DER · EDEL · VND · GESTRENG · HER · IOHAN · HIELCHEN · VO(N) · LORCH · / RITTER · BEI [ZEI]TENa) · SEINES · LEBENS · RO(MISCHEN) · KAEISER · MAI(ESTÄ)T · VND · DES · HEI/LIIGEN · ROMISCHEN · REICHS · IN · DEN · ZV̈GEN · GEGEN · DEM · ERB/FEINDT · DEN · DV̈RCKEN · VND · DEM · KÖNIG · ZV · FRANCREICH · IN · DEN / IAREN · M · D · XXXXII · III · VND · IIII · OBERSTER · VELTMARSCHALCKb) · GE/WESEN · SONST · NOCH · VII · ZVG · HELFEN · DVN · SEINES · ALTERS · / LXIIII · IAR · VFF · DEN · XV · APRILIS · IM · IAR · M · D · XXXXVIII · ZV · LORCH · / IN · SEINER · BEHAVSVNG · IN · GOT · CHRISTLICH · VERSTORBEN · DES / SELEN · GOT · GNEDIG · VND · BARMHERTZIGK · SEIN · WOLLE · AMEN · / 1 · 5 · 5 · 0 ·
HILCHIN, VALDER/DORF, DITZ, HILCHIN; BELLERS/HEIM, SCHONB/ERGK, REINBER/GK, WILLST/ORF2) |
Hilchen von Lorch | |
Hilchen von Lorch | Bellersheim |
Waldersdorff | Schönberg auf Wesel |
Dietz | Rheinberg |
Hilchen von Lorch | Kolb von Wilsdorf |
Textkritischer Apparat
- 1880 fehlerhaft zu BEIRETEN übermalt; BEI ZEITEN richtig bei Helwich, Bodmann, Stramberg, Zaun. Offen bleibt die korrekte Schreibweise, ob BEI mit I oder Ÿ, letztere Version bei Helwich, Bodmann, Stramberg.
- Befund heute R statt K.
Anmerkungen
- Auf dem Sockel des Denkmals steht die Renovierungsinschrift ERNEUERT / RESTAURIRT 1880 / v. HAUSEN; erw. bei Mertens, Züsch 636.
- Helwich bemerkte „diese Anchen seindt ganß versetzt im Epitaphio, müßen deswegen corrigirt und also gesetzt werden“. Seine korrigierte Reihenfolge: Hilchen von Lorch, Diez, Schönburg auf Wesel, Bellersheim; Walderdorf, Hilchen, Kolb von Wilsdorf, Rheinberg.
- Adam III. Vogt von Hunolstein zu Züsch war der älteste Sproß Adams II. und Elisabeths von Ratsamhausen. Nach seinem Tode 1540 nahm Maria ihren Witwensitz in Merxheim, wo sie die Reformation einführte. Nach ihrem Tod am 5. Oktober 1561 fand sie neben ihrem Mann in der Gruft der dortigen Ev. Kirche ihre Grabstätte, vgl. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nrr. 287, 288.
- Etwa das posthum für Franz I. von Sickingen in Landstuhl errichtete Denkmal, vgl. DI 20 (Karlsruhe) XXVf.
- Ebd., vgl. auch dort Nrr. 189, 190; zum 1542 entstandenen Landstuhler Denkmal vgl. Die Kunstdenkmäler der Pfalz. IX. Stadt u. Lkr. Kaiserslautern. Bearb. v. Anton Eckardt u. Torsten Gebhard. Unveränd. Nachdr. d. Ausg. München 1942. München, Berlin 1975 (Die Kunstdenkmäler v. Bayern. Reg.bez. Pfalz.) 278 Abb. 191. Zu Forster s. DI 12 (Heidelberg) Nrr. 247, 248, 260, 281.
- Die Grabinschriften beginnen ebenfalls mit HIE LIGT (Hans von Sickingen, DI 20 (Karlsruhe) Nr. 189) oder HIE LIEGT BEGRABEN (ebd. Nr. 190).
- Vor allem gemeinsam mit Sickingen gegen Landgraf Philipp von Hessen 1513 und gegen den Trierer Erzbischof Richard von Greiffenclau 1522 und 1523, ausführlich geschildert bei Friedrich Otto, Johann Hilchen von Lorch. In: Nass. Ann. 24 (1892) 1-20, hier 3-9.
- Ebd. 20.
- Ebd. 12.
- Ebd. 15; auch Struppmann, Chronik Lorch 52.
- Vgl. Möller, Stammtafeln AF III Taf. CXIV.
- Otto, Johann Hilchen 16-18.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 296.
- Würdtweinsche Epitaphiensmlg. H. 10, Bl. 1.
- Würdtwein, Epitaphienbuch 380.
- Bodmann 1, 335 Anm. b.
- v. Stramberg, Rheinischer Antiquarius II 10 wie bei Nr. 223.
- Lotz (1880) 307.
- Otto, Johann Hilchen 19-20.
- Mertens 122.
- Zaun, Landkapitel 324.
- Roth, Geschichtsquellen III 301.
- Luthmer (1907) Abb. 90.
- Kdm. 256f. Nr. 6 Abb. 647.
- Struppmann, Chronik Lorch 48f. mit Abb. S. 50; 94.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 433(†) (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0043300.
Kommentar
Die durch die Übermalung von 1880 in ihrem Charakter stark beeinträchtigte und in einzelnen Schreibweisen verunechtete Inschrift rekurriert in der breit proportionierten Kapitalis gleichwohl auf zeitgenössische Formen. Auffällig ist freilich das überbreite M mit schräggestellten Hasten und tief herabgezogenem Mittelteil. Als Worttrenner sind durchweg Quadrangel verwendet.
Das wohl von Hilchens einziger Tochter Maria, seit 1529 Ehefrau des Adam III. Vogt von Hunolstein,3) in Auftrag gegebene Epitaph wurde zwei Jahre nach dem Tod ihres Vaters fertiggestellt. Als ausführende Werkstatt ist diejenige der Sickinger Grabmäler von 1547 in der Kath. Pfarrkirche St. Magdalena in Sickingen anzunehmen, der noch weitere Denkmäler zuzuschreiben sind.4) Alle Arbeiten dieser Werkgruppe zeichnen sich durch eine hohe Qualität in der bildhauerischen Arbeit bis hin zur meisterhaften Gestaltung der Renaissanceschrift aus. Verbindungslinien lassen sich ziehen zu der in Neumarkt, Amberg und Heidelberg für den Heidelberger Hof unter Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz (†1556) tätigen, wohl mit Konrad Forster verbundenen Werkstatt.5) Zumindest die Denkmäler für Hans von Sickingen (†1547), zweiter Sohn von Hilchens Freund und Waffengefährten Franz I., und für seine Frau Lucia von Sickingen (†1547) weisen in Typus, Schriftgestaltung und Text große Ähnlichkeit zu dem Hilchen-Grabmal auf.6)
Der Verstorbene, 1484 als Sohn des Johann II. Hilchen und der Elisabeth von Walderdorff (Nr. 359) geboren, war von Jugend an mit Franz von Sickingen befreundet, was ihn zwischen 1510 und 1523 in diverse Fehden verwickelte7) und 1523 im Zusammenhang mit dem Kriegszug gegen Trier in Gefangenschaft brachte. In der Inschrift werden diese Fehden einschließlich des Schmalkaldischen Krieges mit NOCH VII ZVG HELFFEN DVN zusammengefaßt.8) Nach dem unglücklichen Ausgang der Trierer Fehde wandte sich Hilchen der kaiserlichen Seite zu, beteiligte sich am Feldzug gegen die Türken, die Wien 1529 belagerten, und wurde 1532 als Hauptwachtmeister mit der Sorge über die Wachen im kaiserlichen Lager betraut.9) 1533 wurde er Rat, Hauptmann und näherer Vertrauter des protestantischen Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg und nahm 1534 am württembergischen Feldzug gegen den hessischen Landgrafen Philipp teil. An dem inschriftlich erwähnten Türkenkrieg von 1542 beteiligte sich Hilchen als reichsoberster Feldmarschall ebenso wie an den Feldzügen gegen König Franz I. von Frankreich in den Jahren 1543 und 1544.10) Johann Hilchen war mit Dorothea von Rüdesheim verheiratet.11) Zwei Jahre vor seinem Tod begann er mit der Errichtung des Familiensitzes, (Hilchenhaus Nr. 427), die ihn bei den im Vorfeld der Auseinandersetzungen mit dem Schmalkaldischen Bund getroffenen Unterstützungs- und Werbungsabsprachen in finanzielle Bedrängnis brachte.12) 1548 gehörte Hilchen zu den Teilnehmern des Reichstages zu Augsburg im Gefolge des Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg.