Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 413† Eberbach, Kapitelsaal 1539

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabgedicht auf das Ableben des Abtes Karl Pfeffer. Das kopial überlieferte „Epitaphium“ befand sich an einem „tumulus“ vor dem im Kapitelsaal befindlichen Altar.1)

Nach Helwich.

  1. [Epitaphium reverendi in Christo patris et domini domini Caroli Pfeffers Moguntini abbatis Aperbacensis xxix.a)]b)Quisquis Palladiae non inficienda MinervaeSacra colis titulum marmoris huius ama.Condidit hic abbas tardas sibi Carolus umbrasQui celebris fratrum fletibus esse potest.Mille et quingentas properarant secula messesTrigenaeque hÿemis frigus habebat aquas.Et nonoc) rursus Phaebus currebat ab annoPrimaque sub Jano ceperat ire dies.Cum nigra lanificae ruperunt stamina ParcaeEt petiit coeli spiritus astra poli.Ad priscas apri fuit abbas Carolus aedesDoctrina insignis relligione sacer.Principis ad nutum vixit meruitque favoremSemper et Alberti gratia tuta fuit.Quasque amisit opes quondam domus inclyta divumOfficio potuit restituisse suo.Dant lacrimas fratres et lugent funera cives:Ille sed heu patriae gloria nempe iacet.

Übersetzung:

Epitaph des ehrwürdigen Vaters in Christo und Herrn, Herrn Karl Pfeffers aus Mainz, 29. Abt Eberbachs. Wer auch immer du bist, der du Pallas Minerva unbefleckte Opfer darbringst, laß dir die Aufschrift auf diesem Marmor gefallen. Es barg hier für sich seine lange dauernden Schatten Abt Karl, der berühmt sein kann durch das Weinen der Brüder. Tausend und fünfhundert Jahre hatte die Zeit durcheilt, und die Kälte des dreißigsten Winters fesselte die Wasser, und Phoebus begann seinen Lauf im neunten Jahr, und der erste Tag unter Janus begann heraufzuziehen, als die spinnenden Parzen den dunklen Schicksalsfaden zerrissen und die Seele zu den Sternen des Himmelspoles emporstieg. Karl war Abt am altehrwürdigen Wohnsitz des Ebers, ausgezeichnet an Lehre, heilig im Glauben. Er lebte nach dem Geheiß seines Fürsten Albert, verdiente dessen Gunst stets und besaß dessen sicheres Wohlwollen. Die Reichtümer, die das berühmte Gotteshaus einst verlor, konnte er in seinem Amte wiedergewinnen. Die Brüder lassen die Tränen fließen, und die Bürger betrauern seinen Tod: Jener aber, ach, liegt freilich hier als Ruhm des Vaterlandes begraben.

Versmaß: Neun Distichen.

Datum: 1. Januar 1539.

Kommentar

Die 18 Verse des Grabgedichts könnten in Stein eingehauen worden sein, doch wäre auch eine Ausführung in Metall denkbar. In der fast lückenlosen Reihe der Eberbacher Abtsgrabplatten existiert nur eine inschriftlose Platte aus rotem Sandstein mit der flachreliefierten Halbfigur eines Abtes. Der untere Plattenteil zeigt noch die Befestigungsdübel einer langrechteckigen, möglicherweise aus Metall gefertigten Inschrifttafel und ein passend abgespitztes Feld. Vielleicht ist die Grabplatte mit dem Grabgedicht in Zusammenhang zu bringen. Die von einem unbekannten Autor, wohl einem Konventualen, angefertigte Grabinschrift enthält Anspielungen auf die antike Glaubenswelt.

Karl Pfeffer wurde in Mainz um 1494 geboren.2) Wahrscheinlich ist er mit dem 1522 als Eberbacher Bursenschreiber nachgewiesenen Mönch Karl identisch; möglicherweise bereits seit 1531, sicher seit 1535 war er als Bursar tätig3) und wurde zum Nachfolger Wendelins aus Boppard (Nr. 409) gewählt. Unter seiner Regierung kam es zu einzelnen Verkäufen von Grundbesitz,4) um die Konsolidierung der Klosterfinanzen zu erreichen, worauf die Inschrift anspielt.

Abt Karl gehörte zum Kreis des erzbischöflichen Geheimen Rats, daher die Formulierung ad nutum vixit mit der Erwähnung des Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg (1490-1545). Im Eberbacher Seelbuch ist Pfeffer als 28. Abt, nicht 29., wie bei Helwich, unter dem Todestag der Inschrift eingetragen.5)

Textkritischer Apparat

  1. Catalogus ed. Roth XXIIX.
  2. Offenbar Bestandteil der Inschrift.
  3. Helwich nouo.

Anmerkungen

  1. Catalogus: „Ante altare in aede capitulari ad rectum ingressum ipsius cineres venerandi sub tumulo hoc cum inscriptione conditi sunt“.
  2. Nach Rossel, Ms. Bär 291 gab Pfeffer sein Alter zum Zeitpunkt der Wahl mit 41 Jahren an.
  3. Vgl. Amtslisten bei Schnorrenberger 127 (Bursenschreiber), 125 (Bursar).
  4. Verkäufe in (Ober-)Wesel, Bacharach, Nierstein, Dexheim und Diebach, vgl. Rossel (wie Anm. 2) 298.
  5. Roth, Geschichtsquellen III 11. In den Series abbatum fol. 103 wird Karl Pfeffer zudem als „Carolus abbas XXXVII“ geführt.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 179.
  2. Catalogus fol. 37v; ed. Roth, Geschichtsquellen III 121; IV 119f.
  3. Roth, Geschichtsquellen III 269f.
Addenda & Corrigenda (Stand: 06. Oktober 2021):

Nr. 413(†)Eberbacher Klosterkirche, früher wohl Kapitelsaal1539

Beschreibung

Figurengrabplatte (Kenotaph?) aus rotem Sandstein im Nordseitenschiff. Flachrelief einer Abtsfigur mit Buch und Stab unter Rundbogen, in den Zwickeln florales Beiwerk. Die quer über den Unterkörper der Grabfigur gelegte Aussparung in Form einer tabula ansata war ursprünglich mit einer Metalltafel versehen, die einen mehrzeiligen Inschriftentext trug, vermutlich ein längeres Grabgedicht. Dieser Text wurde von einem Denkmal im Kapitelsaal abgeschrieben.1)

Zwar ist die Person des Verstorbenen aus dem heute sichtbaren Bestand nicht zu identifizieren, doch ergibt sich aufgrund mehrerer Indizien eine vorsichtige Zuschreibung an Abt Karl Pfeffer, den Nachfolger des nur kurz amtierenden und 1535 verstorbenen Abtes Wendelin. Über Pfeffers vierjährige Amtszeit ist wenig bekannt. Immerhin widmete der trauernde Konvent bzw. sein Amtsnachfolger, Abt Johannes V. Bertram, dem unüblich auf den Klosterfriedhof bestatteten Abt ein längeres Grabgedicht, das der Mainzer Domvikar Georg Helwich als „Epitaphium abbatis“ in der Reihe der Amtsträger im Kapitelsaal überlieferte. Die hier vor Augen stehende auffällige Gestaltung der Figur mit über den Körper gelegter Inschrifttafel findet sich in der Nachfolge des römischen Grabmals für den berühmten Kardinal Nikolaus von Kues (†1464) verschiedentlich auf Grabmälern durchweg des 1. Drittel des 16. Jahrhunderts,2) unter anderem auch in Kues (Lkr. Bernkastel-Wittlich) als Herzgrab. Daher dürfte die Figurenplatte die des Abtes Karl Pfeffer sein, die das von Helwich überlieferte Gedicht trug – nur auf einer Metallplatte mit entsprechend kleinen Buchstaben konnte man den langen Text unterbringen. Dann ist die Platte an der falschen Stelle in der heutigen Reihe der Abtsgrabplatten im Westen des nördlichen Seitenschiffs mitten zwischen den Platten des 17. Jahrhunderts eingeordnet. Ein Vorkriegsfoto des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen zeigt, dass die tabula ansata damals zugeputzt und das Gewand des Abtes ergänzt war.

  1. [Epitaphium … iacet.

Der erste Absatz des Kommentars ventilierte schon die aufgrund der Neudatierung der inschriftlosen Platte nun gewissere Zuschreibung.

Textkritischer Apparat

Anmerkungen

  1. 1.Catalogus: „Ante altare in aede capitulari ad rectum ingressum ipsius cineres venerandi sub tumulo hoc cum inscriptione conditi sunt“.
  2. 2.Vgl. DI 111 (Mayen-Koblenz I) Nr. 158 mit weiterführender Literatur, bes., Eberhard J. Nikitsch: Ein neuer Grabmalstyp für Kleriker im Rhein/Main/Mosel-Gebiet zwischen Spätgotik und Renaissance. Import, innovation oder Variation? In: Christine Magin, Ulrich Schindel, Christine Wulf: Traditionen, Zäsuren, Umbrüche. Inschriften des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit im historischen Kontext. Beiträge zur 11. Internationalen Fachtagung für Epigraphik, vom 9. bis 12. Mai 2007 in Greifswald. Wiesbaden 2008, 263–276.

Nachweise

  1. Monsees, Grabmäler in Kloster Eberbach, Nr. 24 m. Abb., ohne Zitat.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 413† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0041306.