Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 382 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1520

Beschreibung

Ölberggruppe mit Bibelsprüchen. Die Figurengruppe ist an die nördliche Außenwand der Pfarrkirche in einer Wandnische unter einer Nische mit flachem Rundbogenbaldachin angebaut. Im Vordergrund der Nische kniet Christus im Gebet, die ausgebreiteten Hände zum Engel emporstreckend, der an der östlichen Wand kleinfigurig dargestellt ist. Im rechten Nischenteil nach Westen hinter Christus befindet sich die Sitzgruppe der schlafenden Jünger Jakobus und Johannes, am Berghang rechts die Häschergruppe, links Petrus mit dem Schwert, im Hintergrund illusionistische Stadtansicht Jerusalems. Auf dem Halssaum des Gewandes Christi apokalyptische Inschrift (A), an der unteren Gewandborte fragmentarisch erhaltener Bibelspruch (B). Unter der Nische auf kleiner Rechtecktafel aus gelbem Sandstein vierzeilige, moderne Inschrift (C). Reste einer alten Farbfassung an einzelnen Figuren, insgesamt leichte Verwitterungsspuren.

Maße: Christusfig. H. ca. 145, Bu. 2-3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis (A,B).

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/3]

  1. A

    ALPHAa) ET O(MEG)A ·

  2. B

    T[RI]ST(E)b) EST A(N)I(M)A · MEA VSQVE · AD · MORTEM1) · SVSTc)

  3. C

    APPARVIT · AVTEM · ILLI · ANGE=/LVS · DE · COELOd) · CONFORTANS · EVM / ET · FACTVS · EST · IN · AGONIA · / PROLIXIVS · ORABAT2) · M · D · XX ·

Übersetzung:

Alpha und Omega (A). – Betrübt ist meine Seele bis zum Tode (B). – Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und als er in Todesangst fiel, betete er inständiger. 1520 (C).

Kommentar

Die Steintafel mit dem Bibelspruch (C) wurde offenbar als Kopie einer älteren verlorenen Vorlage neu angefertigt; daß es sich um eine völlige Neuschöpfung ohne Vorlage handeln könnte, erscheint angesichts der auf höheres Alter rekurrierenden Schriftformen, der Worttrenner und der Jahreszahl unwahrscheinlich. Typisch für eine moderne Entstehung sind neben der Regelmäßigkeit der Ausführung und dem guten Erhaltungszustand die extrem schlanke Proportion, außerdem das R mit nur leicht konvexer Cauda und das L mit starkem Balkensporn wie bei den nachgearbeiteten Passagen des Taufsteins (Nr. 373).

Das bis ins 14. Jahrhundert noch selten als künstlerisches Thema auftretende Gebet Christi im Garten Gethsemane wurde seit dem Spätmittelalter vermehrt in den Passionszyklen bildnerisch umgesetzt. Dabei erfuhr die Darstellung der Todesangst Christi zunehmende Bedeutung.3) Schließlich entstanden seit dem beginnenden 15. Jahrhundert vor dem Hintergrund wachsender Einflußnahme der Mystik auf die Volksfrömmigkeit und der Zunahme von Passions- und Todesangstandachten unzählige Gethsemane-Reliefs bis hin zu den vollplastischen Ölberggruppen, die um 1500 weitere Verbreitung fanden.4)

Der Eltviller Ölberg gehört zu den Gruppen des sog. Matthäus-Markus-Typus, d.h. er zeigt drei begleitende Jünger, statt der wohl 11 Jünger des Lukas-Evangeliums.5) Inschrift (B) ist dementsprechend dem Matthäus-Evangelium entnommen.

Von der Forschung wurde die Eltviller Gethsemane-Gruppe bisher dem Backoffen-Umkreis zugeschrieben. Während Kautzsch den Ölberg zu den Arbeiten eines nahen, selbständigen Backoffen-Schülers zählte,6) sah Kratz ihn als Arbeit eines direkten Mitgliedes der Werkstatt an. Kdm. nannte die Gruppe gleichfalls als „selbständige Arbeit der Backoffen-Schule“.7) Lühmann-Schmid schrieb angesichts eindeutiger Datierung und stilvergleichender Untersuchungen den Gesamtentwurf und die Figuren des Christus und des hl. Petrus Peter Schro zu. In den gröber gearbeiteten Assistenzfiguren erblickte sie einfache Werkstattarbeiten.8) In ihrer Haltung erinnern die Jünger Johannes und Jakobus an Dürers um 1498 geschaffenen Ölberg der Großen Passion, während motivische Ähnlichkeiten zu der Gruppe am Speyer Dom von um 1509 und der von Ersingen in Baden von um 1510 gesehen wurden.9)

Textkritischer Apparat

  1. Unteres Hastenende des P fehlt.
  2. Teil des Bogens vom R erhalten, Rest des Buchstabens zerstört, E nicht vorhanden, auch kein Kürzungszeichen.
  3. Text bricht hier ab. Er ist nach Mt. 26,28 zu ergänzen: SVSTINETE HIC ET VIGILATE MECVM.
  4. O klein über E.

Anmerkungen

  1. Mt. 26,38.
  2. Lc. 22,43.
  3. Vgl. Artikel „Ölberg“ in LCI 3 Sp. 343-349, hier 343f.
  4. Umfassend behandelt von Munk, Ölberg-Darstellung, hier 34f.
  5. Ebd. 7ff. aufgrund der entsprechenden Einordnung von Maria Bartmuss, Die Entwicklung der GethsemaneDarstellung bis um 1400. Phil. Diss. Halle (Saale) 1935.
  6. Kautzsch, Backoffen 53f.
  7. Kratz, Eltville I, 15; Kdm. 140.
  8. Lühmann-Schmid 1, 29-31, hier 30. Die Gethsemane-Gruppe wurde von Göltzer nicht in seine Auseinandersetzung mit der Backoffen-Nachfolge einbezogen.
  9. Munk, Ölberg-Darstellung 179f. Nr. 102.

Nachweise

  1. Kratz, Eltville I 15.
  2. Lühmann-Schmid 1, 29.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 382 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0038201.