Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 373 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1517

Beschreibung

Heiligennamen und Jahreszahl auf Taufstein. Graugelber Sandstein, mehrfach restauriert, 1960 aus der Marienkapelle an den heutigen Standort im Turmuntergeschoß verbracht. Über der quadratischen Grundplatte erhebt sich der Schaft, der mit vollplastischen, übereck gesetzten, Schriftbänder haltenden Evangelistensymbolen verziert ist. Allein das Schriftband des Matthäus zeigt noch den zugehörigen, aufgemalten Evangelistennamen (A), die anderen drei Namen sind verloren. Die Unterseite der Beckenschale ist mit geometrischen Blenden und Schlitzbandvoluten unter Einfügung geflügelter Tritonengrotesken geschmückt. Die eigentliche Bildzone wird durch den umlaufenden Zahnschnittfries eingeleitet. Das hohe Becken zeigt Flachreliefs von jeweils einem Apostelpaar, ausgehend von dem mittig gesetzten Einzelbild von Christus als Weltenrichter, dem die Datierung (B) und auf dem oberen Beckenrand die Inschrift (C) beigefügt sind; rechts1) neben ihm sein Lieblingsjünger Johannes, links der Kirchenpatron Petrus mit Andreas. Jedem Apostelpaar sind die auf dem oberen Rand eingehauenen Namensinschriften (Felder mit Beginn von links im Uhrzeigersinn auf dem Becken umlaufend D-K, innerhalb der Einzelfelder Lesung jeweils von links nach rechts) zugeordnet. Eine Vorlinierung ist in den ungefaßten Teilen erkennbar; Farbfassung der Schauseite nach alten Farbspuren wiederhergestellt, alle anderen Bilder ungefaßt.

Maße: H. m. Sockel ca. 145, Felder H. 38, B. 39-41, Dm. ca. 100, Bu. 3 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/6]

  1. A

    [M]ATHEVS ·

  2. B

    M · D · / XVII ·

  3. C

    [SALVATOR · MVNDI ·]a)

  4. D

    · S(ANCTVS) · ANDREAS · S(ANCTVS) · PETRVS ·

  5. E

    · S(ANCTVS) · THOMAS · S(ANCTVS) · PHILIPVS

  6. F

    · S(ANCTVS) · SIMON · S(ANCTVS) · IACOBVS MINOR

  7. G

    [· S(ANCTVS) ·] PAVLVS [· S(ANCTVS) · NIKOLAVS ·]a)

  8. H

    · S(ANCTVS) · IVDAS · THADEVS · S(ANCTVS) · MATHE[VS]a)

  9. I

    · S(ANCTVS) · BARTHOLO(M)EVS · S(ANCTVS) · MATHIAS ·

  10. K

    · S(ANCTVS) · IOHAN[NES]b) · [S(ANCTVS) · IAC]OBVSc) ·

Kommentar

Der Qualität der bildnerischen Ausführung, die in engem Zusammenhang mit den gesicherten Arbeiten des Bildhauers Peter Schro steht,2) entspricht die Verwendung der an klassischen Vorbildern orientierten, vorlinierten und sorgfältig ausgeführten Kapitalis in geringer Einschlagtiefe. Das M zeigt auf die Grundlinie herabreichenden Mittelteil, das R eine konkave, fast stachelartige Cauda; die Buchstaben A, M, N, V weisen zudem eine leichte Linksschrägenverstärkung auf. Fein ausgeführte Sporen betonen die Buchstabenenden. Dagegen sind im Schriftbild des Salvator-Feldes (C) und bei dem Nikolaus-Feld (G) einige Unregelmäßigkeiten auszumachen. Hier sind Linksschrägenverstärkungen nicht konsequent umgesetzt, rundes O ist nicht nachzuweisen, M und N in MVNDI sind von minderer Ausführungsqualität, eine Bogenverstärkung beim S ist nicht vorhanden. Die Sporen von L und T sind sehr stark ausgeprägt, die Cauda des R konvex. Diese Einzelbefunde zeigen eine moderne Überarbeitung der betreffenden Schriftleisten an. Als Worttrenner wurden kleine Dreiecke verwendet, in Inschrift (C) Quadrangel.

Das stilistisch im Übergang von der Spätgotik zur Renaissance stehende Kunstwerk3) weist ein eindeutiges theologisches Programm auf. Im Vordergrund stehen das Taufsakrament und das Evangelium als Grundlage der Kirche, dargeboten in den auf der Grundplatte ruhenden Evangelistensymbolen. Die sich an der Antike orientierenden Girlandenornamente und das heidnisch-groteske Beiwerk der Beckenunterseite läßt sich nicht allein aus der Zeitströmung des beginnenden 16. Jahrhunderts heraus als motivisch beliebtes Zierwerk verstehen, sondern könnte mit Lühmann-Schmid als darüber hinausgehender allegorischer Hinweis auf „die unter der Herrschaft Christi gebändigten Kräfte der vergänglichen Welt“ verstanden werden.4) Die Apostel als erste Verkünder des Evangeliums und zugleich Spender des Taufsakraments begleiten auf den Beckenwänden in der im frühen 16. Jahrhundert beliebten, paarigen Reihenfolge5) das hervorgehobene Hauptmotiv des Christus Salvator. Die Paare entsprechen der in der Apostelgeschichte aufgeführten Reihe unter Auslassung des Verräters Judas und unter Hinzunahme von Paulus, der hier auch als lokaler Kirchenpatron besondere Verehrung erfuhr. Die Aufnahme des hl. Nikolaus in den Kreis der Apostel erklärt sich aus lokaler Tradition6) und dürfte zugleich als Fingerzeig auf den mutmaßlichen Stifter gewertet werden. Dieser stammte mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der als Wohltäter der Pfarrei vielfach tätigen Familie Gelthaus von der Jungen Aben(d); in Frage kommen dürfte der 1498 bis 1517 als Kaplan der außerhalb der Stadtmauer gelegenen, 1804 niedergelegten Nikolauskapelle nachgewiesene Adam Gelthaus.7)

Textkritischer Apparat

  1. Erneuert.
  2. NES erneuert, auf altem Foto noch vorhanden.
  3. IAC erneuert, Epitethon auf altem Foto erkennbar.

Anmerkungen

  1. Vom Betrachter aus gesehen; der Lieblingsjünger sitzt natürlich richtig zur Linken Christi.
  2. Lühmann-Schmid 1, 17-19.
  3. Kiesow, Gotik 195.
  4. Lühmann-Schmid 1, 19 Anm. 20.
  5. RDK I Sp. 811-829.
  6. Der hl. Nikolaus war der Patron für die Eltviller Spitalskapelle und Stadtkaplanei, vgl. hierzu Zaun, Landkapitel 48-54. Zur Eltviller Nikolaustradition gehörten der entsprechende Altar und ein verlorenes Heiligenfresko in der Pfarrkirche.
  7. Kratz, Eltville I 170 mit Bezug auf Humbracht Taf. 46, worin Adam Gelthaus d.J. allein als Altarist am Nikolausaltar in St. Quintin zu Mainz genannt wird; Zaun, Landkapitel dagegen erwähnt Adam Gelthaus in Eltville nicht.

Nachweise

  1. Zaun, Landkapitel 37.
  2. Foto Postkarte Kath. Pfarramt Eltville.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 373 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0037302.