Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 342 Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin 1507

Hinweis zu Text bei Anm. e: Nach der Struktur des priamelartigen Textes muss am Beginn des vierten Verses ein kurzes Wort fehlen, das wie der Rest inhaltlich an die Kiedricher Gerechtigkeitsspirale (Nr. 349, 1) anknüpft. Es bietet sich also die Ergänzung zu strit an.

Beschreibung

Spruchinschriften auf dem Rest eines Gestühls, heute im Südseitenschiff an der westlichen Turmwand aufgestellt. Acht Stallen ohne Betpult, davor eine zweite Reihe von Stallen, die in sechs und zwei geteilt sind, aus alten Teilen unter Verwendung eines neuen Dorsals mit barocken Umarbeitungen gefertigt. Das aus dunkel gebeizter Eiche bestehende Gestühl trägt an der nördlichen Hochwange das Datum (A), an der nördlichen Betstuhlwange eine offensichtlich zweiteilige, fragmentarische Spruchinschrift (B von oben nach unten), ebenso an der südlichen Hochwange Rätselinschrift (C) auf verschlungenen, eingeritzten Schriftbändern. Die Hochwangen wurden oben gekürzt, die Südwange des Betpultes ist beschnitten. Die von Luthmer erwähnten1) Inschriftfelder am Dorsal sind verloren.

Maße: H. (A) 220, (B, C) 117, B. (A) 46, (B, C) 40, Bu. 4-6 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/6]

  1. A

    anno / domi[ni] / 1507

  2. B

    karitas · ist · doita) ·ivstit[ia gr]oß notb)[l]vcc) · ist · gebornd) ·[...]ite) · ver · lorn

  3. C

    wer · was · das · derf) · sein · nit · vergas ·ro[t]g) · was · manes · was · dash)

Versmaß: Deutsche Reimverse.

Kommentar

Im Wechsel von langem und rundem Schluß-s, in der Bildung des w aus einem v und einer rechts angesetzten Schräghaste sowie in einem wie r gebildeten e (wer) zeigen sich die Eigentümlichkeiten des Schriftherstellers. Quadrangel sind als Worttrenner verwendet.

Das Gestühl wurde in der kunsthistorischen Forschung unterschiedlich bewertet. Die Meinungen divergierten von der Hypothese einer Verwandtschaft zur Falckener-Werkstatt bis zur völligen Ablehnung dieser Zuschreibung.2) Tiemann betonte die Nähe der Minuskelbuchstaben zu den Steinmetzarbeiten der Lorcher Grabdenkmäler und vermutete süddeutsche Handwerker, die unabhängig von der Falckener-Werkstatt nach Lorch geholt worden seien.3) Der Gestühlsrest ist jedenfalls so weit von den Arbeiten Falckeners entfernt, daß sein Wirken auszuschließen ist. Thematisch schöpft Inschrift (B) freilich aus demselben Gedankengut wie die Kiedricher Gerechtigkeitsspirale (Nr. 349) von 1510.

Textkritischer Apparat

  1. Sobel falsch fil wil ist dort.
  2. Sinnentstellende Lesung von Sobel wistum · vor · got.
  3. Ergänzung im Sinne von Lug und Trug aus Zusammenhang, unterer Schaftrest des i (?) unter Scharnier erkennbar. Sobel irrig das.
  4. Sobel verlesen zu gebott.
  5. Fehlt bei Sobel; zu ergänzen wäre nach dem Beispiel des Kiedricher Gestühls: glavb hat strit bzw. glavb ist im strit, Vorschlag Dr. Rüdiger Fuchs. Möglich wäre freilich auch die Ergänzung mit warheit, bei dieser Ergänzung wäre der vierte Vers analog zum zweiten ohne Prädikat, frdl. Vorschlag von Frau Dr. Christine Wulf, Göttingen.
  6. Sobel ar[m].
  7. Ergänzung infolge fehlenden Hastenabschlusses nicht eindeutig; der Rest des Satzes nach vergas fehlt bei Sobel. Bedeutung: „rate“.
  8. Zu verstehen im Sinne von: „Wer war das, der seiner nicht vergaß? Rate, was für ein Mann war das?“, frdl. Hinweis Dr. C. Wulf.

Anmerkungen

  1. Luthmer (1907) 112.
  2. Vgl. Nachweise bei Sobel 151-153. Sobel 153 schied den Gestühlsrest aus den Arbeiten Falckeners aus.
  3. Tiemann, Mittelrheinische Plastik 36.

Nachweise

  1. Sobel 152.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 342 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0034203.