Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 323† Wehen, Ev. Kirche (aus ehem. Kloster Marienhausen? oder Kloster Eberbach?) 15./A.16.Jh.?

Beschreibung

Spruchinschrift und Anfang des Engelsgrußes auf Glocke. Näheres zur Gestaltung unbekannt, Schrift späte gotische Majuskel oder frühhumanistische Kapitalis,1) Gewicht ca. 510 kg.2)

Nach Luthmer.

Maße: Dm. 92, Bu. 4,5 cm.

  1. O · REX · GLORIAa) · VENI · CUM · PACE · AVE · MARIA3).

Kommentar

Der erste Teil der Inschrift wurde im Spätmittelalter häufig auf Glocken als Friedensruf angebracht.4) Er wurde hier verknüpft mit dem Beginn des Engelsgrußes. Da der Friedensruf vermehrt eher auf älteren Glocken vornehmlich des 14. oder frühen 15. Jahrhundert Verwendung findet und nur selten später nachzuweisen ist,5) ist die hier vorgeschlagene Zeitstellung nicht zwingend; sie orientiert sich allein an Luthmers Aussage zur Schrift und seinem Hinweis auf die Zeit um 1500. Der Spruch läßt sich häufig in Verbindung mit der gotischen Majuskel nachweisen; die Glocken des 15. Jahrhunderts, die den Spruch noch tragen, sind hingegen durchweg in gotischer Minuskel beschriftet. Eine frühere Entstehung der Glocke ist also keinesfalls auszuschließen, zumal die frühhumanistische Kapitalis auf erhaltenen Glocken des Kreisgebietes erst für 1513 (Nrr. 363, 364) belegt ist.

Die Gemeinde Wehen hatte schon vor der Auflösung des Klosters Marienhausen um Überlassung von Ausstattungsgegenständen nachgesucht; Hintergrund war der geplante, 1810 begonnene Neubau der Wehener Kirche.6) Per Beschluß vom 1. März 1811 erhielt sie dann eine Glocke, die Turmuhr, die Orgel, Kirchenstühle und die Kanzel aus Marienhausen.7) Allerdings soll einer Einzelüberlieferung zufolge auch eine Eberbacher Glocke nach Wehen gekommen sein,8) über die jedoch nichts näheres bekannt ist.

Textkritischer Apparat

  1. Sic! statt GLORIE.

Anmerkungen

  1. Luthmer bezeichnet die Schrift als „gotische Majuskeln, (...) Charakter um 1500“.
  2. Angabe nach Luthmer.
  3. Vgl. Lc. 1,28.
  4. Vgl. Beispiele bei Walter 162f.
  5. Frdl. Hinweis Dr. Eberhard J. Nikitsch auf die Untersuchung von Jörg Poettgen, Mittelalterliche Glocken an Glan und Nahe. Eine unbekannte Glockengießerwerkstatt in Speyer. In: Westricher Heimatbll. 27 (1996) Nr. 3, 3-44. Poettgen weist nach, daß der Spruch zwar noch im 15. Jh. vorkommt, dann aber in der Regel keine Majuskelschrift, sondern gotische Minuskel verwendet wird.
  6. Die 1359 erbaute Vorgängerkirche wurde 1810 abgerissen und durch den 1812 vollendeten Bau von Carl Florian Goetz ersetzt, vgl. Dehio Hessen (1982) 883.
  7. Nicht aus Kloster Nothgottes, wie Dehio Hessen (1982) 883; eine andere Marienhäuser Glocke ging an die Kath. Pfarrkirche (St. Bonifatius?) zu Wiesbaden, während die dritte und die vierte Glocke an die Gemeinde von St. Justinus in Höchst gelangten, vgl. Acta Verwendung Marienhausen, darin Resolution vom 17. und 18. Juni 1811.
  8. Allein einer Notiz in Acta Vertheilung Eberbach zufolge soll eine nicht näher bezeichnete Eberbacher Glocke an die Gemeinde Wehen gekommen sein; der Vorgang wird allerdings nicht erwähnt bei Sattler, Sanierung 1, 298f. Es könnte sich dabei gleichwohl um eine Barockglocke gehandelt haben.

Nachweise

  1. Luthmer (1921) 129.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 323† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0032307.