Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 321† Rauenthal, Kath. Pfarrkirche St. Antonius E.15./A.16.Jh.

Beschreibung

Wandmalereizyklus mit Spruchinschriften zu Szenen aus dem Leben des hl. Antonius Eremita (Antonius Abbas), insgesamt 16 Bilder, aufgeteilt zu je acht Bildern an jeder Seite der Gewölbekappen des Chores bis zur Fensternische an der linken Hochaltarseite. Die Bilder (1-16) waren durch rotbraune Friese voneinander getrennt; über jedem Bild befand sich eine weiße Kartusche mit der sich auf die jeweilige Szene beziehenden Inschrift (A-Q) in schwarzen Buchstaben. Die Wand unter den Bildern zeigte ein gemaltes Muster, dazwischen verliefen Schriftbänder mit der später zu datierenden Anrufung (R) des Heiligen. Die Wandgemälde wurden 1884 auf Initiative des Frühmessers Stoll von Restaurator Wittkop freigelegt, jedoch kurz darauf wieder übertüncht. Schrift wohl gotische Minuskel.

Nach Zeitungsbericht Wandgemälde.

1. Der junge Antonius hört vor dem Altar kniend die Worte des Priesters.

  1. A

    Sant Antonius der heilig eiynsiedela) hort in de kirchen daz ewangelium der vollkummenheit.

2. Der junge Heilige reicht den vor ihm knienden Armen Brot; neben ihm ein Sack mit Geld, das er ebenfalls verteilt.

  1. B

    darnach gab er alles was er hat armen leuten un behielt nur seine rechte notdurfft.

3. Antonius kniet vor einem alten Einsiedler, der ihn bei sich aufnimmt.

  1. C

    wo er einen andechtigen sah leben daz behielt er un nam von im alle sunderliche gnad.

4. Antonius empfängt von dem alten Eremiten das Einsiedlergewand.

  1. D

    Zu hand ward er ein eynsiedel un lies gut und ere durch got.

5. Antonius wird vom Teufel in der Gestalt eines wilden Tieres in der Wüste heimgesucht.

  1. E

    den eynsiedeln allen gieng er voran an wuerdigkeit und leyd gar vil vom boesen geyst.

6. Antonius betet stehend, vor ihm krümmt sich der Teufel in Gestalt eines häßlichen, schwarzen Kindes.

  1. F

    einesmals lies unser here in den boesen veind sehen in der gestalt eines schwartzen kinds.

7. Antonius wird in der Wüste von einem Freund besucht, der ihm Brot und Wasser reicht.

  1. G

    er ass nur einmal in de tag gesaltztes brod und trank ein wenig wassers darzu.

8. Antonius wird in der Nacht von vier Teufeln heimgesucht. Sie schlagen ihn und versetzen ihn in Todesangst.

  1. H

    eines nachtes da kam eine grosse schar der boesen geyst zu im und zerissen im allen seinen leyb.

9. Antonius nimmt den Wanderstab und zieht weiter in die Tiefe der ägyptischen Wüste.

  1. I

    dann gieng er weiter in die wüsten bis zu dem berge kolzin genant un hier blieb er.

10. Antonius predigt den Brüdern, die ihm in die Wüste gefolgt waren.

  1. K

    einesmals da kamen vil brueder zu sant Antonio un baten in daz er sy mit seiner göttlichen lere speyset.

11. Heidnische Priester suchen Antonius auf, um ihn von seinem christlichen Glauben abzubringen.

  1. L

    in der zeit kamen vil ketzer zu sant antoni un wolten mit im streiten über die göttliche geschrifft.

12. Antonius trifft den hl. Paulus in der Wüste. Beide erhalten von einem herbeifliegenden Raben ein Brot.

  1. M

    da es nun essens zeyt war da kam ein rab un bracht ein brod daz waz zwir gross als eines andern tags.

13. Antonius bestattet den verstorbenen hl. Paulus in einem Grab, das von zwei Löwen gegraben worden war.

  1. N

    da kamen zwen lewen un machten ein Gruben un sant antonius begrub sant paulus.

14. Antonius liegt auf dem Sterbelager.

  1. O

    darnach ward sant antoni siech un starb seliglichen da fur sein sel zu den ewigen freuden.

15. Antonius‘ Leichnam wird von zwei Brüdern in einem verborgenen Grab bestattet.

  1. P

    da begruben makarius un amathas den heylichen leychnam daß er keinem menschen wissentlich were.

16. Durch göttliche Offenbarung wird das Grab aufgefunden, und die Gebeine des Antonius werden feierlich nach Alexandrien überführt.

  1. Q

    da hoben die iünger den wirdigen leychnam sant antoni auff un furten in das heremitori.

  2. R

    Nun helf uns der lieb heilig Herr und Nothelfer sanckt Antonius von Gott erwerben, daß wir auf Erden Menschen werden nach Gottes Lob befreit von den Anfällen der bösen Geister, bewahrt von der hölligen Pestilenz, gesegnet Haus und Flur und dass wir darnach mit ihm besitzen das ewige Leben. Bitt für uns du unser großer Schutzpatron im Leben und im Tod. Amen.

Kommentar

Der Zyklus beruhte auf der Verehrung des Rauenthaler Kirchenpatrons, des hl. Einsiedlers, Vaters der Mönche, Dämonenbezwingers und Wundertäters Antonius des Eremiten, der als bedeutendster Vertreter des ägyptischen Mönchtums und als einer der Vierzehn Nothelfer und Krankheitspatron galt.2) Den Hintergrund für die Ausmalung bildete die Vita des Heiligen, der um 271 etwa 18-20jährig sein Eremitentum begann. Der im Bearbeitungsgebiet und darüber hinaus einmalige Zyklus gehörte zu den einst umfangreichen Bilderzyklen, die seit der Hochgotik entstanden waren. Er enthielt alle wichtigen Stationen der Vita Antonii: seinen Entschluß zum Eremitentum, die Abkehr von der Welt und den Aufenthalt bei dem alten Einsiedler, die zweimalige Versuchung durch Teufel und Dämonen, den Besuch des 90jährigen beim hl. Paulus Eremita und dessen Begräbnis, ferner die Schilderung des Todes des Heiligen und der Bestattung seiner Leiche durch zwei Mönche.

Die zeitliche Einordnung des Zyklus geht von dem bauhistorisch gesicherten Datum der Fertigstellung der Gewölbe 1492 (Nr. 286) aus.3) Solche ausführlichen Antonius-Zyklen wurden neben Darstellungen des Heiligen als Einzelfigur4) andernorts noch bis ins beginnende 16. Jahrhundert hinein geschaffen, während später Einzelszenen der Vita, vor allem die Versuchung des Heiligen,5) vor dem Hintergrund der konfessionellen Spannungen des 16. Jahrhunderts herausgelöst wurden.6) Angesichts von Restaurierungsproblemen darf eine Buchstabengenauigkeit zwar nicht vorausgesetzt werden, doch stimmt die erkennbare Sprachstufe zur Datierung um die Jahrhundertwende. Inhaltlich sind die Inschriftentexte unverdächtig. Viel später ist die Inschrift (R) anzusetzen, da ihre Sprache eine wesentlich modernere Stufe bietet. Eine nähere Eingrenzung dieses Textes im 17. bis 18. Jahrhundert ist jedoch nicht möglich.

Textkritischer Apparat

  1. Sic!

Anmerkungen

  1. Herrn Hans Wagner, Rauenthal, ist hier für die frdl. Überlassung seiner Abschrift des Zeitungsartikels zu danken.
  2. Vgl. LThK I 667-669; LCI 5 Sp. 205-217.
  3. So auch der Augenzeuge der Aufdeckung nach Malerei und Schriftformen.
  4. Im Nachbarraum Pfalz und Rheinhessen haben sich nur wenige solcher Wandmalereien mit der Einzelfigur des Antonius eremita erhalten, vgl. Glatz, Wandmalerei 349 (Registereinträge).
  5. Vgl. A. Weissenhofer, Die Darstellung der Versuchung des hl. Antonius in der bildenden Kunst. In: Mitt. d. Ges. f. vergleich. Kunstforschg. 8 (1956) 93-95.
  6. RDK IV Sp. 1020-1031, hier 1022.

Nachweise

  1. Die alten Wandgemälde in der Kirche zu Rauenthal. In: Beilage Nr. 153 zum Nassauer Boten vom 25. Dez. 1884.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 321† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0032101.