Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 280† Eberbach, Klosterkirche 1491

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Spruchinschrift über dem Bild der Gottesmutter, nach Helwich „in fine templi“ nahe beim Allerheiligenaltar, also im Westen des Kirchenschiffes. Nähere Angaben zur Gestaltung der Inschrift fehlen.

Nach Helwich.

  1. 1491a)Hic caput inclina supplex nam stella marinaPraesidet hic digna teque iuvare benignaInvenies veniam veniens salutare MariamProcul eris a ve corde si dixeris ave.

Übersetzung:

Hier neige demütig das Haupt, denn der Meeresstern steht hier würdig und gütig, dir zu helfen. Du wirst Verzeihung finden, wenn du kommst, Maria zu grüßen. Fern wirst du vom Unglück sein, wenn du von Herzen ein Ave gesprochen haben wirst.

Versmaß: Hexameter, leoninisch zweisilbig rein.

Kommentar

Die Bezeichnung Mariens als Gestirn („stella maris“) basiert auf den Vorstellungen des Venantius Fortunatus und dem Vesperhymnus „Ave Maris stella“ des 7./8. Jahrhunderts. Der Meeresstern ist zudem Teil der marianischen „Tota pulchra“-Darstellung in der Lauretanischen Litanei, die seit dem späten 15. Jahrhundert begegnet.1) Möglicherweise handelte es sich bei der Eberbacher Maria um einen sehr frühen Reflex auf die Lauretanische Litanei.2) Die Ausführung der Inschrift als Wandmalerei erscheint recht wahrscheinlich, da der Kirchenraum spätestens im 15./16. Jahrhundert farbige Ausmalungen erhielt3) und ein weiteres, undatiertes Marienlob als Spruchinschrift auf einer nicht näher zu bestimmenden Kreuzgangswand aufgemalt war (Nr. 528).

Textkritischer Apparat

  1. Helwich überliefert gotische Ziffern in Nachahmung.

Anmerkungen

  1. Der mit den Worten „tota pulchra“ beginnende Satz entstammt dem Hohelied 4,7 und gab dem speziellen marianischen Motiv den Namen; zur Lauretanischen Litanei vgl. LCI 3 Sp. 27-31, hier Sp. 28; zu dem Stichwort „Stern“ vgl. LCI 4 Sp. 214. Zur Verschreibung der Deutung des Namens der Maria aus ihrer hebräischen Urform statt „stilla maris“ zu „stella maris“ vgl. Jean Fournée, Les thèmes iconographiques de l‘Immaculée Conception en Normandie. In: Virgo Immaculata. Acta congr. mariologici Marianae Romae anno 1954, Rom 1957, XV 71; auch Beissel, Verehrung 341f.; vgl. auch W. Delius, Geschichte der Marienverehrung. München, Basel 1963, hier 115f.
  2. Vgl. auch die erst im 19. Jh. entstandene „tota pulchra“-Darstellung in der Kiedricher Valentinskirche, s. Gros, Tota pulchra 134f. zu den theologischen Grundlagen und zur Bilddeutung. Möglich wäre freilich auch eine Muttergottes-Darstellung wie etwa im Stifterbild von 1409 im Chorbereich von Kloster Bebenhausen. Es zeigt die stehende Gottesmutter im Strahlenkranz auf der Mondsichel, vgl. Mathias Köhler, Die Bau- und Kunstgeschichte des ehemaligen Zisterzienserklosters Bebenhausen bei Tübingen. Stuttgart 1995 (Veröff. d. Komm. f. Geschichtl. Landeskde. i. Baden-Württ. Reihe B, Forschgn. 124.) Taf. 24.
  3. Einsingbach, Eberbach (1986) 12; florale Malerei im Kapitelsaal um 1500, vgl. ebd. 22. Daß sogar die Gewölbekappen des Mönchsdormitoriums mit Rankenmotiven ausgemalt waren, brachten die 1992 im Zuge der Eberbacher Sanierungsarbeiten vorgenommenen Putzuntersuchungen ans Tageslicht. Zum Marienlob vgl. Hensel, in: Liber seniorum fol. 90v.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 171.
  2. Roth, Geschichtsquellen III 264.
  3. Eberbach im Rheingau (1986) [198].
Addenda & Corrigenda (Stand: 05. Oktober 2021):

Kommentar: Maria als Meerstern ist kein „früher Reflex auf die Lauretanische Litanei“ (wie DI) sondern schon früh in der geistlichen Dichtung des MA zu finden und eher ein Ausfluß aus den marianischen Dichtungen des hl. Bernhard, der dem Vergleich Mariens mit dem Meerstern eine längere Abhandlung widmete. Vgl. Sermo 12 stelles oder de duodecim praerogativis B.M.V., Migne PL 183, 430. Zur früheren Verwendung des Namens stella maris vgl. Beissel, Verehrung (1909) 91 (Notker, Sequenzen, 93 (Hrotsvita von Gandersheim, Dichtung). Vgl. auch Migne PL 183, 55-88 vier Homilien zum Lobpreis der jungfräulichen Muttergottes, Ansprache des hl. Bernhard auf das Fest Mariae Geburt: „Nimm Maria hinweg, diesen Stern des Meeres.“ Kern, Wandmalerei Kloster Eberbach, Ms. S. 5 Anm. 23.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 280† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0028009.