Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 244 Eberbach, Klosterkirche 1474
Beschreibung
Gereimte Anrufung, Spruchinschrift und Gußjahr auf Glocke im Vierungsdachreiter, auf der Südseite des Glockenstuhls. Die schlichte Marienglocke zeigt ein von Kordelstegen begrenztes Schriftband mit der einzeiligen Inschrift, am Textende eine nicht erkennbare Medaille, sonst schmucklos.
Maße: H. 108, Dm. 112, Bu. 4 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
maria · gottes · szellea) ·hab · in · hvtb) · was · ich · vbber · schelle ·anno · d(omi)nic) · mo · cccco · lxxiiiid)
Versmaß: Deutscher Reimvers.
Textkritischer Apparat
- Sattler Helle.
- Sattler mir.
- Fehlt bei Sattler; dort arabische Zahl.
- Nach der Zahl eine Medaille.
Anmerkungen
- Vgl. Walter 204 mit Anm. 3. Nach Zaun, Landkapitel 217 trug auch die 1855 von Philipp Rincker für die Winkeler Pfarrkirche neu gegossene Glocke denselben Wortlaut.
- Rossel, Kirche 11 schrieb von vier Glocken im Hauptturm, so auch aufgrund der Auflösungsprotokolle Sattler, Sanierung 1, 298-300. Der von ihm in diesem Zusammenhang angegebene Beleg HHStAW 22/1779 (Haushaltsrechnung von 1779!) ist falsch. Es dürfte sich tatsächlich um eines der Eberbacher Auflösungsprotokolle gehandelt haben, vgl. unten Anm. 5.
- HHStAW 22/628 „Liber continens nomina professorum Eberbacensium ab Anno 1750“, darin vorgebundenes Blatt.
- Ebd. Einer am Ende der Hs. nachgebundenen Notiz zufolge lautete die Inschrift einer nicht näher identifizierten Glocke mit der Aufzählung von sechs Glockentugenden, abgefaßt in leoninischen Hexametern: Laudo Deum verum plebem voco convoco clerum / defunctos ploro pestem fugo festa decoro. Der Text ist aber innerhalb einer gelehrten Sprüchesammlung überliefert und stammt daher wohl nicht von einem lokalen Inschriftenträger, vgl. auch Einleitung Kap. 6. Zu den Glockentugenden vgl. Walter 187.
- Vgl. Einleitung Kap. 2.3.
Nachweise
- Habel, Notizbuch.
- Rossel, Kirche 11.
- Falk, Marienverehrung 204.
- Eberbach im Rheingau (1986) [198].
- Sattler, Sanierung 1, 299 Abb. 19 (n. Rossel) u. 300.
- Monsees, Rheingauer Glocken 5 mit Abb. 3.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 244 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0024403.
Kommentar
Die sehr gleichmäßig gegossene Minuskelschrift der Marienglocke ist ornamental geprägt. So ist der obere Bogenabschnitt des a in den Buchstaben hineingeschwungen; beim e berührt das obere Bogenende die Haste und läuft dann in eine Zierform aus; beim h ist das untere Ende der rechten Haste nach links ausgezogen. Die Balken von g und t sind mit langen, rechts ansetzenden und gerollten Zierstrichen versehen. Als Worttrenner dienen Quadrangel.
Der Glockenspruch bezieht sich auf Maria als Gottesgebärerin. Er findet sich mehrfach auf Marienglocken: beispielsweise auf der 1306 datierten Glocke zu Ersingen in Württemberg, auf den Züricher Glocken von 1419 und 1421, ferner auf den Glocken zu Großsteinheim, Kronberg von 1466 und Friedberg von 1470.1)
Die Eberbacher Marienglocke blieb als einzige der ehemals im Dachreiter der Vierung hängenden Glocken erhalten. Sowohl die dortigen Platzverhältnisse als auch die im Glockenstuhl noch vorhandenen Hängevorrichtungen lassen ein Geläut von nicht mehr als drei Glocken zu, wenngleich in Archivalien der Säkularisationszeit von vier bis fünf Glocken die Rede ist.2) Welche Eberbacher Glocken in der Mitte des 18. Jahrhunderts neu gegossen wurden, ist mangels eindeutiger archivalischer Zeugnisse nicht mehr zu verifizieren. Zumindest weihte man am 6. Oktober 1757 die zweite Glocke zu Ehren der Gottesmutter,3) und 1769 zwei neue Glocken St. Markus und St. Johannes Baptista.4) Auf dem Dachreiter des Langhauses befand sich das in seiner Gestaltung unbekannte Meßglöckchen, das wie die übrigen Glocken der Verschleuderung des Inventars nach 1803 zum Opfer fiel.5)