Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 223 Breithardt, Ev. Kirche 1464

Beschreibung

Meister-, Herstellungs- und Spruchinschrift sowie Gußjahr auf der zweitgrößten Glocke des Geläutes. Inschrift einzeilig auf der Schulter zwischen Rundstegen umlaufend, auf der Flanke figürlicher Schmuck in Form zweier Pilgerzeichen: Das Aachener zeigt die thronende Gottesmutter mit Engeln, die dem Kind Szepter und Reichsapfel reichen; darüber in kleinerem Relief das Gewand Mariens;1) beide Motive sind mit einem gotischen Architekturrahmen zusammengefaßt. Auf der gegenüberliegenden Seite das Pilgerzeichen von Ste. Catherine-du-Mont bei Rouen in Gestalt der gekrönten hl. Katharina mit Rad, Buch und Palmwedeln.2) Fünf Zierstege am Wolm, zwei auf dem Schlagring.3) Gewicht 575 kg. Gut erhalten.

Maße: H. m. Krone ca. 101, Dm. 97,5, Bu. 2,5-3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

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Versmaß: Deutscher Reimvers.

Kommentar

Die schlanken, gedrängten Minuskelbuchstaben bestimmen das insgesamt unausgeglichen wirkende Schriftbild.4) Das gegenüber anderen Hachenburg-Glocken hier singulär auftretende Meisterzeichen auf einer eigenen, kleinen Marke wird einmal als Worttrenner nach in verwendet. Ansonsten zeigt die Glocke die von dem Gießer gewöhnlich verwendeten, schlichten Quadrangel zur Worttrennung.

Die in der Inschrift thematisierte Kreuzverehrung ist eine Variante des von Tilmann von Hachenburg üblicherweise gebrauchten Spruches in ere godes luden ich, der im vorliegenden Fall mit dem Kirchenpatrozinium verbunden wurde. Der Glockenguß stand in engem Zusammenhang mit der spätgotischen Erweiterung (Choranbau) der romanischen Wehrkirche. Als Stifter, möglicherweise auch einer zweiten, verlorenen Glocke, ist der spätere Mainzer Kanzler Adolf von Breithardt anzunehmen.5)

Textkritischer Apparat

  1. Zwischen beiden Worten kleine runde Marke mit Meisterzeichen Tilmanns, nach Köster Typ W 2.

Anmerkungen

  1. Es handelt sich in der Tat um das dreikreisige Aachener Pilgerzeichen, vgl. Köster, Tilmann von Hachenburg 63 F 2. Luthmer bezeichnete es als hl. Rock Christi, doch ist diese Identifizierung angesichts der Tatsache, daß der Rock erstmals am 3. Mai 1512 der Öffentlichkeit gezeigt wurde, kaum zutreffend, vgl. zu den Ausstellungen des Rockes: Tunica Domini. Eine Literaturdokumentation zur Geschichte der Trierer Heilig-Rock-Verehrung. Bearb. v. H. Krämer, hrsg. v. M. Embach. Trier 1991 (Mitt. u. Verz. aus d. Bibl. d. Bischöfl. Priestersem. 6.); vgl. auch zur frühen Verwendung auf einer Glocke DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 234.
  2. Pilgerzeichen bei Köster 83f. Nr. F 29 und Taf. VII Abb. 40.
  3. Vgl. Beschreibung bei Köster, Tilmann von Hachenburg 140 G 29. Schmuck hier anders als die von Hachenburg zwischen 1447 und 1462 verwendeten Stechpalmenfriese mit Früchten, vgl. hierzu die Übersicht bei Poettgen, Kölner Glockengießer 22f.
  4. Köster 33 Nr. S 1 mit Bemerkungen zu den von Hachenburg benutzten Schrifttypen. Demzufolge weist die Breithardter Glocke die „eigentliche Gebrauchsschrift“ des Gießers, eine dichtgedrängte Textura, auf.
  5. So Köster 140; vgl. zu seiner Stiftung eines Wandtabernakels in Breithardt Nr. 278.

Nachweise

  1. Lotz (1880) 47.
  2. Luthmer (1914) 174; (1921) 123.
  3. Köster, Tilmann von Hachenburg 139f. Nr. G 29.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 223 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0022301.