Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 196† Eberbach, Kreuzgang (1433)/1443?

Beschreibung

Grabinschrift für einen Abt Johannes aus dem Kloster Maulbronn. Der Ort des 1614 überlieferten „tumulus“ wird von Helwich mit „ante capituli locum“ angegeben. Die Gestaltung des Grabmals und der Zeitpunkt seines Verlustes sind unbekannt.

Nach Helwich.

  1. + Concilii missus hic Basiliensis obivitAbbas de Mulbrun correptus febrie IohannesQuem Deus omnipotens suscipe gratificans.1433.

Übersetzung:

Der Gesandte des Basler Konzils starb hier, Johannes, Abt von Maulbronn, vom Fieber dahingerafft. Nimm diesen, allmächtiger Gott, gnädig auf. 1433.

Versmaß: Ein Hexameter, ein Distichon.

Kommentar

Bei der Identifizierung des Toten hilft der Blick in die Maulbronner Überlieferung. Zwei Äbte könnten in Frage kommen: Johannes von Speyer, dessen Bestattung in Maulbronn nicht belegt ist, sowie sein 1443 verstorbener, aber in Maulbronn beigesetzter Nachfolger Johannes von Gelnhausen.1)

Zum Todesjahr 1443 wird Abt Johannes II. von Gelnhausen genannt, dessen Grabmal sich an gleicher Stelle wie von Helwich für Eberbach angegeben im Boden des Maulbronner Kreuzgangostflügels vor dem Kapitelsaal befindet.2) Die drei Distichen der Maulbronner Grabinschrift führen die gleiche Formulierung basiliensis concilii missus wie die Eberbacher Inschrift, rekurrieren also deutlich auf die Tätigkeit des seit 1431 zum Maulbronner Konvent gehörenden Mönches beim Basler Konzil, das ihn zu Verhandlungen mit den Hussiten nach Böhmen entsandte und ihm andere wichtige Aufgaben zuwies.3) Der 1433 zum Abt aufgestiegene Johannes erhielt 1438 die bischöflichen Insignien, resignierte aber schon kurz darauf (1439 oder Anfang 1440). Ein Aufenthalt in Eberbach ist als sicher anzunehmen, da ihn das Generalkapitel im Mai 1442 beauftragte, einen gewissen Johannes „de Ybzsteim“ in sein Profeßkloster Eberbach zurückzubringen.4) Daß er dort einem Fieberanfall erlag, macht eine Bemerkung zum 23. August im Eberbacher Seelbuch wahrscheinlich; dort heißt es, Herr Johannes, „abbas Mulbrunnensis“, sei im Kloster bestattet, „apud nos sepultus“.5) Ist diese Behauptung zutreffend – Bedenken bestehen wegen der späten Fassung des Seelbuches im 18. Jahrhundert und einer anderen Identifizierung –, dann müßte es sich bei der Maulbronner Grabplatte um ein Kenotaph handeln. Die Eberbacher Grabinschrift könnte allerdings auch für den resignierten Maulbronner Abt Johannes von Speyer bestimmt gewesen sein. Dieser, der gleichfalls an das Basler Konzil gesandt worden war, dort allerdings kaum in Erscheinung trat, gab sein Abbatiat recht bald, spätestens 1433, auf. Von seinem weiteren Lebensweg ist nur bekannt, daß ihn das Generalkapitel noch 1451 als „senior“ bezeichnete und zur Stabilitas anmahnte.6) Auch dies läßt an dem in der Grabinschrift belegten Todesjahr 1433 zweifeln. Angesichts der Abweichung der Todesdaten in der Eberbacher Überlieferung (1433, zum 23. August) und auf der Maulbronner Grabplatte (1443, 7. Januar)7) ist eine Identifizierung des Eberbacher Toten nicht ohne weiteres möglich: Da der einzige Gewährsmann Helwich in Eberbach römische Zahlzeichen konsequent als solche wiedergab, scheidet ein Umrechnungsfehler aus; eine Verlesung zu 1433 ist freilich bei arabisch-gotischen Ziffern aus 1453 eher denkbar als aus 1443. Die frische Erinnerung an die Konzilstätigkeit des Johannes von Gelnhausen spricht freilich dafür, daß man ihm die obige Grabinschrift setzte.

Die Grabinschrift fällt völlig aus dem Rahmen der für die Eberbacher Äbte üblichen Anno domini-Stereotypen.

Anmerkungen

  1. Diskutiert bei Yvonne Monsees, Abt Johannes von Maulbronn und seine Grabstätte in Eberbach. Überlegungen zu einer Identifizierung. In: Amrh KG 43 (1991) 101-107.
  2. DI 22 (Enzkreis) Nr. 74 mit Kurzbiographie.
  3. Vgl. aus der vielfältigen Konzilsliteratur L. Walter, Johann von Geilnhausen, Mönch und Abt von Maulbronn auf dem Konzil zu Basel 1431-34. In: Festgabe zum diamantenen Priesterjubiläum Pater Gregor Müller. Bregenz 1926, 121-126; J. Helmrath, Das Basler Konzil 1431-1449. Köln, Wien 1987 (Kölner hist. Abh. 32.) mit Nachweisen zu Johannes von Gelnhausen.
  4. Canivez, Statuta IV 525f.
  5. Roth, Geschichtsquellen III 45.
  6. E. Gohl, Studien und Texte zur mittelalterlichen Geistesgeschichte des Klosters Maulbronn. Phil. Diss. (Masch.) Tübingen 1977, hier Bd. I 181 mit Anm. 192.
  7. Das Datum der Maulbronner Inschrift (wie Anm. 2) ist als 1443 c(ra)stino e(pi)ph(an)ie (7. Januar 1443) aufzulösen. Hilfe gewährte freundlicherweise Dr. Harald Drös, Heidelberg.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 176.
  2. Roth, Geschichtsquellen III 267.
  3. Monsees, Abt Johannes 102.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 196† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0019602.