Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 151 Kiedrich, Kath. Pfarrkirche St. Valentin 3.V.-E.14.Jh.

Beschreibung

Name als Inschrift auf einbahnigem Glasfenster im Nordseitenschiff mit der Darstellung des knienden, mit Tonsur versehenen Stifters zu Füßen des Kirchenpatrons St. Valentin. Das unbeschriftete Fenster rechts daneben zeigt den zweiten Kirchenpatron, den hl. Dionysius, nur neben ihm ein Wappen. Die großformatige, im Ornat mit Mitra, Buch und Stab dargestellte Valentinsfigur steht auf der rechten Seite des linken Fensters. Das sich über dem Kopf des Stifters entfaltende Band mit der Namensinschrift folgt in seinen Schwüngen der gotisch gebogenen Heiligenfigur. Beide Gestalten sind eingebunden in eine von Kirchenfassaden abgeleitete Maßwerkarchitektur aus Mauerwerk, Fialenbekrönung, krabbenbesetzten Doppelwimpergen und Zwillingsfenstern. Farbfassung original.

Maße: H. ca. 700, Bandlänge ca. 40, H. ca. 5, Bu. 2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/2]

  1. + HELFRICVSa) · P(RES)BITERb) · IBIDEM ·

Übersetzung:

Helfrich, Priester allhier.

Wappen:
Bechtolsheim.

Kommentar

Das Helfrichfenster stellt eines der wenigen erhaltenen Zeugnisse der in ihrer Ikonographie weitgehend unbekannten Verglasung der ersten Hallenkirche dar.1) Die Mehrzahl der gotischen Fenster wurde um 1830 durch den damaligen Pfarrer Mund ohne überlieferten Verbleib verkauft.2) Ob der heutige Standort des Fensters auch der ursprüngliche war, läßt sich nicht mehr rekonstruieren, da im Zuge der von Baronet Sutton in Auftrag gegebenen und von Jean de Béthune aus Gent und Joseph Overrath aus Tilff bei Lüttich vorgenommenen Neuverglasung in den Jahren 1870 (untere Seitenschiffsfenster) und 1878 (Chor) nicht näher beschriebene Umsetzungen vorkamen.

Der als Stifter des Fensters ausgewiesene Priester Helfrich ist quellenmäßig nicht belegt.3) Die Szene steht eindeutig in Bezug zu dem Kirchenpatron, dessen Kopfreliquie von einem Eberbacher Abt nach Kiedrich gestiftet wurde, womit die Grundlage zu einer rasch aufblühenden Wallfahrt gelegt war.4)

Die Altäre am Ostende der beiden Seitenschiffe wurden um 1380(?) (Johannes d. T. im Norden) und 1382 (Katharina im Süden) errichtet.5) Es ist also davon auszugehen, daß die Hallenkirche um/kurz nach 1380 benutzbar war, womit ein Anhaltspunkt für die Entstehung des Helfrichfensters vorhanden wäre. Dabei wird man berücksichtigen müssen, daß der Einbau kostspieliger Fenster wohl eher einige Jahre später durchgeführt wurde, zu einem Zeitpunkt also, als im Zuge der aufblühenden Wallfahrt die notwendigen Mittel für eine Farbverglasung vorhanden gewesen sein dürften. Gleichwohl wurde wegen der Verarbeitung älterer Stilelemente eine Entstehung um 1370 vorgeschlagen.6)

Die Majuskelschrift zeigt das unziale T mit nur nach links überstehendem, gewelltem Balken und ein M ohne Mittelschaft. Die dreiecksförmigen Spitzen in den Scheiteln der Bogenschwellungen bei D und E sind kennzeichnend für die späteren Majuskeln in der 2. Hälfte des Jahrhunderts.7) Da nicht alle Bogenschwellungen dreieckig ausgeformt, die Abschlußstriche der E an den Enden verschieden gebildet sind, I einmal mit und dreimal ohne Nodus vorkommt, die Cauda des R einmal geschwungen und umgebogen und einmal auf einen Bogen reduziert ist, bestehen doch erhebliche Zweifel an der Originalität aller Buchstaben. Als Worttrenner dienen Punkte.

Textkritischer Apparat

  1. Bislang falsch als HENERICUS gelesen.
  2. Kein Kürzungszeichen sichtbar.

Anmerkungen

  1. Vgl. hierzu Staab, Baugeschichte; ders., Kiedrich im Rheingau 4-12.
  2. Staab, Baudenkmäler.
  3. Liste der Pfarrer bei Zaun, Kiedrich 142f. Daß dieser einige urkundlich belegte Namen nicht kannte, vermerkt Staab, Baugeschichte 55, dem Neunennungen zu verdanken sind. Wohl aber gibt es im Kiedricher Anniversarium des 15. Jh. zum 27. Januar das „Anniversarium [...] domini henrici presbiteri“, womit ein weiterer Kiedricher Priester belegt wäre.
  4. Vgl. Einleitung Kap.2.3.
  5. Staab, Kiedrich im Rheingau 4f. u. ders., Baugeschichte 60.
  6. Frdl. Hinweis Dr. Daniel Hess, CVMA Freiburg; künftig in CVMA Hessen/Rheinhessen.
  7. Vgl. DI 29 (Worms) LXf.; auch DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) XLVI.

Nachweise

  1. Staab, Baudenkmäler 32.
  2. Köck 86 m. Abb. 42.
  3. Monsees, Inschriften St. Valentinus 124.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 151 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0015100.