Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 139 Eltville, Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul 1397/um 1400?

Beschreibung

Wandmalerei mit Bildbeischriften. Kalklasur. Darstellungen der beiden Kirchenpatrone an der Westwand des Langhauses zu Seiten des Triumphbogens; links Petrus mit Schlüssel und Buch, rechts Paulus mit Schwert. Die Heiligen stehen in Kämpferhöhe unter gemalten Baldachinen auf rautengemusterten Fliesenböden, deren flache Sockel jeweils ein Schriftband (A, B) tragen. Oberhalb der Figuren, getrennt durch einen Zahnschnittstreifen, begleiten neun von Engeln gehaltene Wappenschilde den Bogenlauf. Im Scheitel das Wappen des Auftraggebers, flankiert von zwei Gruppen zu vier Wappen. Das 1869 aufgedeckte Wandgemälde, von dem im Auftrage des Grafen zu Eltz durch den Maler Martin aus Kiedrich Pausen und Aquarelle angefertigt wurden,1) zeigt nicht mehr den unverfälschten Originalzustand, sondern wurde nach der Restaurierung der Kirche 1934 zugestrichen und erst 1961 wiederhergestellt.

Maße: B. (Sockel) 95, H. 10, Bu. 5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. A

    · petrus est pastor ovium ·

  2. B

    · paulus est doctor gentium2) ·

Übersetzung:

Petrus ist der Hirte der Schafe (A). – Paulus ist der Lehrer der Heiden (B).

 
Wappen im Scheitel des Bogens:
Johann II. von Nassau, Erzbischof von Mainz (geviert von Erzbistum Mainz und Nassau).
 
Wappen (von links nach rechts):
Nassau-Dietz, Katzenelnbogen, Nassau-Saarbrücken, Sachsen (askanische Linie), Nassau-Vianden, Zollern, Nassau-Wiesbaden, Westerburg.

Kommentar

Der größte Teil der Pfarrkirche entstand zwischen 1342 und 1371.3) Ab etwa 1352 wurde der Chor errichtet und unter Erzbischof Gerlach von Nassau eingewölbt. Die Einwölbung des Hauptschiffes, das wohl zunächst flachgedeckt war, dürfte unter Erzbischof Adolf I. von Nassau (1373-90) durchgeführt worden sein; im Osten zeigt sich nämlich das quadrierte Wappen Mainz-Nassau, wie es sein Vorgänger Gerlach noch nicht führte.4) Die Anbringung der gemalten Wappen im Triumphbogen setzt die abgeschlossene Einwölbung des Hauptschiffes voraus. Sie dokumentieren die Unterstützung der Verwandtschaft Johanns II. von Nassau in den Auseinandersetzungen um seine Erhebung zum Mainzer Erzbischof, die gegen den Willen des Reichsoberhauptes, König Wenzels von Böhmen, eines Teiles des Mainzer Domkapitels und seines Gegenkandidaten Jofried von Leiningen vonstatten ging.5) Zu dieser engeren Verwandtschaft des am 7. Juli 1397 zum Mainzer Erzbischof endgültig ernannten Johann gehörten aus der walramischen Linie des Hauses Nassau Philipp von Nassau-Saarbrücken und der junge Adolf von Nassau-Wiesbaden; als Schwäger Diether VI. von Katzenelnbogen und Reinhard IV. von Westerburg durch seine Ehe mit Katharina von Nassau; aus der ottonischen Familienlinie Johann I. zu Dillenburg und Siegen als Sohn Ottos und der Adelheid von Vianden sowie sein Sohn Johann; schließlich die fränkische Linie der Grafen von Zollern durch Johanns Mutter Margarethe, Burggräfin von Nürnberg.6) Mit der askanischen Linie des Hauses Sachsen war Johann dagegen weitläufig verwandt.7) Durch die Wiedergabe ihrer Wappen wurde der Triumph der nassauischen Partei über den Gegenkandidaten Jofried von Leiningen dargestellt. Das Wappengemälde dürfte also nach der Rückkehr Erzbischof Johanns aus Rom im Juli 1397, vielleicht auch etwas später entstanden sein. Die Datierung der beiden Apostelfiguren ist wegen der überarbeitenden Eingriffe stilistisch und typologisch nicht möglich; es gibt jedoch kein Indiz, ihre Ausführung zeitlich von der Wappenreihe zu trennen.8)

Als ausführender Künstler wird der unbekannte „Meister des Jüngsten Gerichtes“ in der Turmhalle (Nr. 156) angesehen, dem selbst oder seiner Werkstatt auch die Ausmalungen im Heppenheimer Kurfürstensaal9) und in der Lorscher Torhalle10) zugeschrieben wurden.

Die Petrus zugeordnete Beischrift resümiert die gängige und auch von seinen Nachfolgern in Rom immer wieder benutzte Vorstellung von der Übertragung des Hirtenamtes durch Christus, der, selbst „guter Hirte“, Petrus dreimal aufforderte: „Weide meine Schafe“.11) Im ersten Brief an Timotheus nennt sich Paulus selbst „doctor gentium in fide et veritate“.2) Damit wird der beim Paulusbild üblichen Gepflogenheit entsprochen, sein Attribut des Buches oder der Schriftrolle mit Inschrifttexten zu schmücken, die seinen Briefen entnommen sind; hier wählte man eine Schriftleiste dazu aus, da das Buch merkwürdigerweise fehlt. In zahlreichen Beispielen werden die beiden Heiligen gemeinsam dargestellt, wobei Petrus vielfach rechts von Paulus auf der Ehrenseite steht.12)

Anmerkungen

  1. Kremer, Bausteine 72 Anm. 78. Die Aquarellkartons befinden sich im Pfarrarchiv und wurden Bearb. freundlicherweise von Herrn Hans Kremer zugänglich gemacht.
  2. 1. Tim. 2,7.
  3. Vgl. Einleitung Kap.2.1.
  4. Kremer, Bausteine 44-46; zum Wappen vgl. u.a. Jürgensmeier 128.
  5. Vgl. Anton P. Brück, Vorgeschichte und Erhebung des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau. In: AmrhKG 1 (1949) 65-88, hier 73f.
  6. Vgl. Europ. Stammtafeln I Taf. 152 zu den Burggrafen von Nürnberg.
  7. Seine Urgroßmutter mütterlicherseits war Helene, Tochter des Herzogs Albrecht von Sachsen, die zweite Ehefrau Friedrichs III. von Zollern, Burggraf zu Nürnberg, vgl. Europ. Stammtafeln NF I Taf. 68 (Askanisches Haus), Taf. 144 (Zollern) und Taf. 152.
  8. Feldtkeller, Wiederaufdeckung 80 erwähnt die durch die Freilegung der Wandmalereien heute reduzierte Binnenzeichnung der Apostel; er setzt die Ausmalung der Kirche allgemein ins 15. Jh. ohne nähere Begründung.
  9. Kdm. 135. Vgl. Heinrich Winter, Die Engelfresken im Heppenheimer Kurfürstensaal. In: Hess. Hefte 5 (1955) H. 12, 441ff; vgl. auch Alfred F. Wolfert, Die Wappen im Kurfürstensaal des mainzischen Amtshofes in Heppenheim. In: Geschbll. Kr. Bergstraße 26 (1993) 123-126, der eine Spätdatierung der Wappenmalerei auf etwa 1423ff. vorschlägt.
  10. Zur Interzessionsdarstellung in der Lorscher Torhalle vgl. DI 38 (Lkr. Bergstraße) Nr. 39 mit der vorsichtigen Zeitstellung E. 14./A. 15.Jh., während Schupp, Wandmalereien die Entstehungszeit zwischen 1397 und 1400 setzt; vgl. auch die in Vorbereitung befindliche Mainzer Dissertation von Susanne Kern, Wandmalerei im Mittelrheingebiet vom 13. bis zum 16. Jahrhundert.
  11. Io. 21, 15-17 u. 10,2.
  12. Zu Paulus vgl. LCI 8 Sp. 127-147, hier 134; zu Petrus ebd. Sp. 158-174.

Nachweise

  1. Feldtkeller, Wiederaufdeckung 78f. (Abb.)

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 139 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0013902.