Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 119 Eberbach, Klosterkirche 1381

Neuer Standort: Die Grabplatte befindet sich aktuell im Nordflügel des Kreuzgangs. Sie ist aufgestellt im zweiten Joch von Westen.

Beschreibung

Grabplatte der Agnes von Scharfenstein, ursprünglich in der Kirche vor dem Bartholomäus- und Andreasaltar neben der verlorenen Platte ihres Gatten Nikolaus, heute im Boden der inneren Nordquerhauskapelle verlegt (Plan K Nr. 17). Grabplatte aus rotem Sandstein mit flachreliefierter Ganzfigur der Verstorbenen in zeittypischer Tracht mit langem Kleid, Knopfärmeln, bodenlangem Nuschenmantel mit in Ellbogenhöhe untergeschlagenen Enden und Schleier, zu Füßen der Figur ein emporblickender, kleiner Hund. Architekturrahmung aus Fialentürmchen, oben ein krabbenverzierter Kielbogen mit Kreuzblumenbekrönung, in den oberen Zwickeln je ein erhabener Wappenschild. Auf dem Rand durch die Zerstörungen beeinträchtigte Grabinschrift zwischen Linien. Platte mittig quer gebrochen mit Beschädigungen der Randzone und Verlust der linken unteren Ecke.

Maße: H. 241, B. 125,5, Bu. 8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/1]

  1. + ANNO · D(OMI)NI · Mo CCCo · LXXXI · / O(BIIT) · NESE · KEM(M)ERER · RVDOLFES · DOCHTIRa) · CLAS · VO(N) · SC/HARPENSTEIN · RITHTER[S]b) /· [V]F DE(N)c) · DINSDAG · VOR · VNSERd) · F[R]AVWE(N)e) DAG · NATIVITAS

Datum: 3. September 1381.

Wappen:
(Schwarze von) Scharfenstein; Silberberg? (2:1 Leopardenköpfe über Sparren).

Kommentar

Der Buchstabenbefund zeigt eine schmale, durch den langen Text und den zur Verfügung stehenden Platz gedrängte Majuskelschrift mit dreieckig ausgeformten Bogenschwellungen. Als Worttrenner dienen halbkugelig vertiefte Punkte. Die sonst übliche Fürbittformel für den Seelenfrieden am Ende des Inschrifttextes fehlt. Die Grabplatte ist besonders bemerkenswert durch die hier erstmalig auftauchende Verwendung der deutschen Sprache auf einem erhaltenen Denkmal und zwar in der Form des lateinisch-deutschen Sprachwechsels: Nach lateinischem Datum und Sterbeformel folgen die deutsch abgefaßten, ausführlicheren Informationen zu Herkunft und Familienstand der Verstorbenen.

Der Vater der Verstorbenen, Rudolf zum Silberberg,1) war als Kämmerer und Ratsherr der Stadt Mainz ein angesehener Mann. Er verheiratete seine Tochter2) mit dem in Kiedrich ansässigen, nach Bodmann aus der Linie der Schwarzen von Scharfenstein stammenden Ritter Nikolaus von Scharfenstein, der mehrfach als Wohltäter Eberbachs ausgewiesen ist. Das Ehepaar stiftete 1349 die an die Kirche im Süden angebaute Kapelle mit dem Altar, vor dem es beigesetzt wurde.3) Nikolaus verstarb bereits 1357 (Nr. 87).4) Seine Witwe förderte bis zu ihrem Tode Klöster und Stifte.5) Dem Eintrag im Eberbacher Seelbuch zum 4. Dezember zufolge war der Konvent zur regelmäßigen Gedenkfeier für das Andenken der Verstorbenen verpflichtet.6)

Textkritischer Apparat

  1. Helwich dochter; Bodmann Dochtar.
  2. Kdm. RITTERS; Helwich ergänzte hier RITHERS HAUSFRAW, ebenso Bodmann, obwohl der Befund gegen das Wort an dieser Stelle spricht. Richtig dagegen Bär. Das Schluß-S ist nicht mehr erkennbar.
  3. DEN fehlt bei Helwich.
  4. Am Stein leicht nach unten verlängerte rechte Haste; Kdm. UNSERER.
  5. Infolge von Beschädigungen und Bruchlinien sind das R und das U stark in Mitleidenschaft gezogen, so daß der Befund nur mühsam erschlossen werden kann. Trotzdem dürfte Helwich das U übersehen haben.

Anmerkungen

  1. Helwich in seinen Marginalien: Rudolf zum Dillenburg. Dieser ist urkundlich u.a. in Zusammenhang mit dem Mainzer Domsänger Eberhard von Oberstein belegt, vgl. Registereinträge zu Urk.StMz.
  2. Humbracht, Taf. 216 nennt sie mit dem Zunamen „Salmännin“.
  3. Überliefert von Bodmann 1, 356, hiernach NUB I 3 Nr. 2573.
  4. Zaun schrieb dem Ehepaar wohl irrig nur einen Sohn zu, nämlich den im Testament des gleichfalls in Eberbach beigesetzten Ritters Hanzelin von Geroldstein (Nr. 46) genannten Nikolaus von Scharfenstein, der als Eberbacher Konventual den Rang eines Priors bekleidete, vgl. Zaun, Kiedrich 78. Humbracht Taf. 216 ermittelte dagegen drei Söhne, Bruno, den späteren Propst zu Höchst, Wilhelm d.Ä. und Wilhelm d.J., sowie eine Tochter namens Katharina ∞ Dieter Kämmerer von Worms. Diese Zuschreibung dürfte aufgrund der urkundlichen Belege (vgl. Anm. 5) wahrscheinlicher sein.
  5. So bestätigte u.a. Abt Hermann von St. Alban zu Mainz 1365 die Schenkung von drei Morgen Weinberg zu Budenheim, die Agnes gemeinsam mit ihrem Schwiegersohn, Ritter Dieter Kämmerer von Worms, dem Kaplan der dem Albansstift zugehörigen Budenheimer Marienkapelle machte, vgl. Hess. Urk. V Nr. 453 zu 1365 September 29.
  6. Roth, Geschichtsquellen III 57.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 160.
  2. Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 82.
  3. Bär, Epitaphiensmlg. fol. 2.
  4. Würdtwein, Epitaphienbuch 238.
  5. Bodmann 1, 356.
  6. Roth, Geschichtsquellen III 259.
  7. Beitr. Gesch. Erzstift 28.
  8. Monsees, Grabdenkmäler 119 m. Abb. 4.
  9. Dies., Totengedächtnis- und Bauinschriften 32.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 119 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0011908.