Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 107† Eberbach, Klosterkirche 1373?/vor 1604

Beschreibung

Memorialinschrift für den Mainzer Erzbischof Johann von Luxemburg-Ligny. Es handelte sich bei dem Inschriftenträger um eine Holz-, Stein- oder Pergamenttafel,1) die nahe der Grabstätte im Chor der Klosterkirche aufgehängt war; die Tafel war im 18. Jahrhundert noch vorhanden.2)

Nach Serarius.

  1. Anno domini m ccc lxxiiia) pridie nonas aprilis obiit reverendus in Christo pater et dominusb) Ioannes de Lutzelburg, sancti Pauli comes, Argentinensis episcopus primum, deindec) Moguntinusd) archiepiscopus domino Gerlaco de Nassaw archiepiscopo Moguntinensi tunc succedens, in Altavilla veneno intoxicatus vita defungitur in aliud seculum receptus.

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1373, am Tag vor den Nonen des April (4. April) starb der ehrwürdige Vater in Christo und Herr, Johannes von Luxemburg, Graf von Saint Pol, zunächst Bischof von Straßburg, folgte er dann zu Mainz als Erzbischof dem Mainzer Erzbischof Gerlach von Nassau nach; in Eltville vergiftet, schied er aus dem Leben und wurde in eine andere Welt aufgenommen.

Kommentar

Der durch zeitgenössische Zeugnisse nicht beglaubigte tödliche Giftanschlag wird zum ersten Mal von Johannes Trithemius erwähnt. Er zweifelte das aufgrund des jähen Todes des Erzbischofs zu unbekanntem Zeitpunkt entstandene und aus unbekannter Quelle stammende Gerücht an: „quod verum sit, an falsum scire non possum“ schrieb er in seinen Annales Hirsaugienses,3) während er in seiner Sponheimer Chronik zum Jahr 1372 (!) bemerkte: „in castro Altavillensi veneno (ut videbatur) intoxicatus“.4) Caspar Bruschius war 1551 in seinem Kurzbericht über Erzbischof Johann ebenfalls von einem mutmaßlichen Giftmord ausgegangen.5) In der „Aurea Moguntia“ des 17. Jahrhunderts heißt es wohl unter Zugrundelegung von Bruschius, daß der plötzliche Tod des Erzbischofs „nicht ohne Argwohn empfangenen Giffts“ vorstellbar sei.6) Dort wird weiterhin ohne Angabe von Quellen gemutmaßt, Johanns zweiter Nachfolger auf dem Erzstuhl, Adolf I. von Nassau (†1390), sei in den Verdacht geraten, den Giftmord initiiert zu haben, da ihm der unvermittelte Tod des Vorgängers politisch nützlich gewesen sei. Auch der Eberbacher Anonymus von 1704/07 setzte seiner Mitteilung der Grabinschrift des Erzbischofs den Vermerk „obiit in Altavilla veneno intoxicatus“ hinzu. Die Tatsache, daß alle Zeugnisse nur gerüchteweise von einem Giftmord sprechen, ist kein Beweis für eine späte Herstellung der Inschrift. Deren Information zum Gifttod braucht auch nicht in einem solchen politischen Zusammenhang gesehen zu werden, sondern der Zusatz sollte wahrscheinlich den plötzlichen, also unvorbereiteten Tod des Erzbischofs verdeutlichen helfen und somit auch auf etwaige Besonderheiten der Totenliturgie hinweisen; die auf der Grabplatte nicht unterzubringenden biografischen Kurzinformationen sollten dann die Würdigkeit des Verstorbenen – unbedeutend wie er war (vorherige Nr.) – untermauern. In diesem Falle wäre eine Entstehung der Inschrift nicht lange nach dem Todesfall anzusetzen, wenngleich die erste Nachricht zur Inschrift von 1604 stammt und Formular sowie falscher Grafentitel7) ebenfalls eher später vorstellbar sind.

Textkritischer Apparat

  1. Joannis, Gudenus korrigieren Trithemius, dort MCCCLXXII.
  2. Helwich überliefert dominus doppelt.
  3. Bei Helwich verlesen demum.
  4. Helwich Moguntinensis.

Anmerkungen

  1. Von Joannis als „in tabella olim fuisse appensum“ bezeichnet, vgl. Joannis, Rer. Mog. I 683 Anm. 1, bei Helwich nur als „tabula“ bezeichnet.
  2. Bär wies in seinem Manuskript zur Eberbacher Geschichte deutlich darauf hin, während die Herausgeber seines Werkes 1851/55 anmerkten, daß das Grabmal des Erzbischofs wie auch die Gedächtnistafel verschwunden seien, vgl. Bär, Eberbach I 52 Anm. 70.
  3. Ann. Hirsaug. II 260, zit. nach REM.
  4. Chron. Spon. II 331, zit. nach REM.
  5. Caspar Brusch, Chronick oder kurz Geschichtsbuch aller Erztbischoven zu Mayntz welche dem Bisthumb Maintz als Suffraganien zugethan (...). Franckfort 1551, X: „starb zu Eltfeld also gählingen nit ohn arkwon des gifftes“.
  6. Zit. nach REM.
  7. Der in die Inschrift eingeflossene Grafentitel für Erzbischof Johann von Luxemburg ist nach Joannis (Anm. p zu Stammtafel ad 682) falsch, da der Bruder des Ebfs., Guido, durch seine Ehe mit Mathilde „comitissa S. Pauli“ (Joannis, Anm. m zu Stammtafel ad 682) diesen Titel trug, nämlich „comes de Liney et S. Paul etc. / heres comitatus S. Pauli“.

Nachweise

  1. Serarius V 861.
  2. Helwich, Syntagma 151.
  3. Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 78.
  4. Joannis, Rer. Mog. I 683 nach Serarius.
  5. Gudenus 114 § XV.
  6. Aufhebungsprotokoll 18 Nr. I.
  7. Roth, Geschichtsquellen III 253.
  8. REM II 2 Nr. 3005.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 107† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0010703.