Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 106† Eberbach, Klosterkirche 1373

Beschreibung

Grabinschrift des Mainzer Erzbischofs Johannes I. aus dem Hause Luxemburg-Ligny. Ein Fragmentstück der linken unteren Ecke der Grabplatte mit dem Rest der Ortsbezeichnung sowie ein weiteres, mit zwei Buchstaben versehenes Stück wohl der linken Längsseite wie auch ein drittes Stück mit nicht mehr zuzuordnendem Buchstaben a 1987 in einem Steinhaufen in der ehemaligen Sakristei aufgefunden, im Inspektorshaus zwischengelagert. Der ursprüngliche Bestattungsort des Erzbischofs in Eberbach wie auch seine Grabinschrift wurden von Helwich nicht angegeben; anderen Quellen1) zufolge lag die Gruft an hervorgehobener Stelle im Kirchenschiff vor den Stufen zum Chor. Bei der Umbettung der Gebeine der beiden anderen Erzbischöfe 1707 und der damit verbundenen Höherlegung des Chorfußbodens wurde die Gruft ungeöffnet belassen, die Grabplatte jedoch versetzt.2) Stramberg übermittelte in seinem „Rheinischen Antiquarius“ nähere Einzelheiten zur Gestaltung der Grabplatte. Sie zeigte die Ganzfigur des Bischofs im Ornat, mit der Mitra auf dem Kopfe und dem Bischofsstab in den Händen, und eine auf dem Rand zwischen Linien umlaufende Grabinschrift.3) Reste dieser Linierung sind auf dem Fragment erhalten. Der Zeitpunkt der Zerstörung ist unbekannt, läßt sich jedoch durch archivalische Quellen einigermaßen bestimmen. Noch 1803 muß diese Grabanlage erhalten gewesen sein, da in den Eberbacher Auflösungsprotokollen vermerkt wurde, der „Grabstein [sei] wo der Subdiaconus zu steht [= stehen] pflegt, in die Mitte gesetzt worden“, während die Gebeine ungestört seit 1707 an ihrem Platz „sub Bresbyterio“ lägen.4) Habel erwähnte 1830, daß die Grabmonumente der drei Mainzer Erzbischöfe noch vorhanden waren, so daß von der Zerstörung des Luxemburg-Grabmals nach diesem Zeitpunkt bis 1834 auszugehen ist. In diesem Jahre verfügte Herzog Wilhelm von Nassau die Rettung und Konservierung der verbliebenen Grabplatten.5) Auf einem in seiner Gestaltung unbekannten Träger, den Helwich vieldeutig als „tabula“ bezeichnete, stand eine Gedenkinschrift für den Verstorbenen (folgende Nr.). Diese Tafel war zu Bärs Zeiten bereits verloren.

Erg. nach Bär.

Maße: H. 38,5, B. 21, Bu. 6,5-7 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. [(Ann)o domini m ccc lxxiii pridie nonas Ap(ri)lis obiit revere(n)dus in Chr(ist)oa) pater d(omi)n(u)s Johannes archiep(iscopu)s] · mogu(n)/t[(i)n(ensis)]b) · cu[i(us) a(n)i(m)a requiescat in s(an)c(t)a pace amen]

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1373, am Tag vor den Nonen des April (4. April) starb der ehrwürdige Vater in Christo, Herr Johannes, Mainzer Erzbischof, dessen Seele im heiligen Frieden ruhe. Amen.

Kommentar

Die Wortergänzung des Fragmentes zu moguntinensis ist eindeutig. In den Eberbacher Inschriftenüberlieferungen kommt der Ortsname Mainz lediglich in Verbindung mit den drei Erzbischöfen (Nrr. 102, 246), bei Eberhard von Oberstein (Nr. 41), Werner von Hagen (Nr. 56) und Otto von Schönburg (Nr. 118) vor. Bei den erhaltenen Grabplatten sind an der fraglichen Stelle keine Fehlstellen vorhanden. Die vier Buchstaben des Fragmentes, vor allem das g, lassen eine Einordnung in das ausgehende 14. Jahrhundert zu, zumal zeitnahe Vergleichsbeispiele6) diesen Datierungsansatz stützen. Auf der ehemals linken Längsseite ist noch eine Haste mit einem auffälligerweise nach links, statt, wie bei einem t zu erwarten, nach rechts geführten Balken erkennbar. Quadrangel dienen als Worttrenner.

Nach dem Tod Erzbischof Gerlachs von Nassau war es Kaiser Karl IV. gelungen, Papst Gregor XI. dazu zu bewegen, unter Umgehung des Mainzer Domkapitels, das sich teils für den von Gerlach noch kurz vor seinem Tod zum Koadjutor bestimmten Adolf I. von Nassau, teils für den Trierer Erzbischof Kuno von Falkenstein einsetzte, den kaisertreuen Bischof von Straßburg, Johannes von Luxemburg-Ligny, zum neuen Mainzer Erzbischof zu berufen.7) Adolf von Nassau wurde hingegen zum Bischof von Speyer ernannt, da der Papst dessen Bischof nach Straßburg überstellt hatte.

Die letzte bekannte Urkunde des nur zwei Jahre amtierenden Erzbischofs Johann trägt das Datum des 18. Februar 1373 und wurde in Eltville ausgestellt.8) Zwar ist Eltville als Sterbeort durch sichere Zeugnisse nicht belegt, aber doch höchstwahrscheinlich. Daß der Tod des Erzbischofs unerwartet eintrat, wird durch das Fehlen jeglicher Seelgerätstiftung oder testamentarischer Verfügung gestützt. Dieser unvermittelte Tod gab Gerüchten von einem möglichen Giftmord Nahrung, in den angeblich sogar Johanns Nachfolger, Adolf von Nassau, verwickelt gewesen sein soll (folgende Nr.). Während im „Liber animarum“ des Mainzer Domstifts der Todestag nicht verzeichnet ist,9) vermerkte das Eberbacher Necrologium den Vornamen und den Titel des Verstorbenen.10)

Mit der Grabplatte des Luxemburgers war die Diskussion um das angeblich in Eberbach befindliche Grab des Mainzer Erzbischofs und Klosterstifters Adalbert I. von Saarbrücken verknüpft.11) Bär äußerte diesbezüglich die Vermutung, daß Pater Schäfer in seiner Abtschronik „Adelberten mit Johann I. verwechselt“ und den damals noch vorhandenen, gut leserlichen Grabstein des Luxemburgers für denjenigen des tatsächlich in der Mainzer Palastkapelle St. Gotthard bestatteten Adalbert gehalten habe.12)

Textkritischer Apparat

  1. Gekürzt xpo.
  2. Kein Kürzungsstrich (mehr) vorhanden.

Anmerkungen

  1. Anonymus 78: „ante gradus presbiteri in medio“; auch Diarium bursae Bd. 44, 66: „vor der Ampel mitten in Chor“.
  2. Das Diarium Bursae 65f. und 78 beschrieb die Umbettung 1707. Man erhob nur die Grabplatte und versetzte sie, beließ die Knochen aber an Ort und Stelle, während man die Skelette der beiden anderen Erzbischöfe in zwei Eichenkästen geborgen und wieder vermauert hatte, vgl. ebd. 64f. und 77.
  3. Joannis berichtet von der Grabplatte knapp „Adest vero etiamnum lapis, in medio chori solo impositus, cum hac circum effigiem Joannis exsculptam inscriptione“.
  4. Zur Situation nach 1803 vgl. Einleitung Kap. 2.3.; Habel, Nachtrag 93 in d. Anm.; Aufhebungsprotokoll 18; auch HHStAW 22/553, 123.
  5. Monsees, Grabdenkmäler 105.
  6. Beispielsweise bei den etwas jüngeren Grabplatten des Wolf Brendel von Osthofen (†1386) in DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 72; des Gerhard von Steinkallenfels (†1393) ebd. Nr. 74; vgl. auch die Grabplatte des Eberbacher Abtes Jakob (Nr. 135).
  7. Vgl. den kurzen Überblick bei Jürgensmeier 142f.; Gerlich, Anfänge passim. In den ungünstigen Beurteilungen seiner Zeitgenossen wird der Erzbischof als „ein Kind in Bezug auf die Sitten [...], unfähig zu regieren“ bezeichnet, so etwa von Johann von Königstein in seinem Chronicon Moguntinum, zit. nach REM II 2 Nr. 3014; auch Kurzbiografie in 1000 Jahre Mainzer Dom 84.
  8. Regest in REM II 2 Nr. 2996.
  9. Auch ein Jahrgedächtnis für Johann ist nicht bekannt, vgl. REM ebd.
  10. Roth, Geschichtsquellen III 25.
  11. Die Nachricht von einer Bestattung Johanns im Mainzer Dom findet sich auch bei Trithemius, Ann. Hirsaug. II 260.
  12. Bär, Eberbach I 49-85, hier 69 Anm. 95, vgl. auch die Untersuchung „Das Grab des Erzbischofs Adelbert I. in der Gothardscapelle am Dom zu Mainz“ von Friedrich G. Habel als Herausgeber des Bärschen Werkes, in: Bär, Eberbach I 86-127.

Nachweise

  1. Trithemius, Chron. Spon. 331.
  2. Helwich, Syntagma 151.
  3. Gall. Christ. V 503.
  4. Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 78.
  5. Bär, Epitaphiensmlg. fol. 1.
  6. Würdtwein, Epitaphienbuch 233.
  7. Joannis, Rer. Mog. I 683 nach Trithemius.
  8. Gudenus 114 § XV.
  9. v. Stramberg, Rheinischer Antiquarius II 11 wie bei Nr. 569.
  10. Roth, Geschichtsquellen III 253.
  11. Beitr. Gesch. Erzstift 25.
  12. REM II 2 Nr. 3007.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 106† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0010605.