Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 102(†) Eberbach, Klosterkirche 1371
Beschreibung
Grab- bzw. Tumbendeckplatte für Erzbischof Gerlach von Mainz, in ein baldachinbekröntes Wandnischengrabdenkmal an der Chornordwand (Plan K Nr. 20) integriert. Rotsandstein. Ursprünglich lag die Deckplatte horizontal auf der vor der Wand liegenden Grabkammer, worüber sich die aufwendig gestaltete Baldachinarchitektur erhob. Einen Eindruck von dem ehemaligen Aussehen des Grabmals gibt die Zeichnung von Heinrich Dors wieder, der das Grabmal vor seiner Zerstörung sah. Der heute sich an die Wand anlehnende, reich gegliederte zweizonige Vorbau stand früher in Grabplattenbreite vor der Wand. Drei Säulen stützen die sich darüber erhebenden, nebeneinanderstehenden, mit reichem Maßwerk geschmückten Wimperge. In den Zwickeln sind die Figuren des thronenden David mit den Löwen links und des über einen geflügelten Drachen und einen Hund(?) schreitenden Jesaias rechts dargestellt. Beide Figuren halten heute unbeschriftete Spruchbänder. Zwischen ihnen steht in der Mitte der Wimpergzone unter einem eigenen Baldachin die Ganzfigur der gekrönten Gottesmutter. Die beiden Außenseiten des Denkmals zeigen rechts die Ganzfigur des Apostels Petrus mit Schlüssel und Buch auf einer Blattwerkkonsole und als Pendant links den hl. Paulus mit dem Schwert und Buch.1) Ursprünglich standen an der Rückwand der Anlage je zwei weibliche Heilige auf Konsolen.2) Auf der Grabplatte aus hellrotem Sandstein ist die mit dem Bischofsornat bekleidete, halbreliefierte Figur des Erzbischofs mit Bischofsstab und Buch dargestellt. Der Kopf ruht auf einem bequasteten Kissen. Die s-förmig geschwungene Gestalt ist in eine mit Kielbogen und Kreuzblumenabschluß versehene Architektur eingestellt. Zu Häupten der Figur zwei nicht ursprüngliche Wappenschilde; die Flügel der an dieser Stelle einst vorhandenen Engel sind noch sichtbar. Die ehemals den Stein auf dem Rand umlaufende, von Helwich (A1) und Dors überlieferte Grabinschrift war auf der dem Betrachter zugewandten Längsseite eingehauen und mit Goldfarbe? ausgemalt. Sie ist noch erhalten, allerdings durch die Einlassung der Platte in die Wandfläche nicht mehr zugänglich. Nach dem Umbau des Grabmals 1707 wurden die Wappen angebracht und der Inschrifttext auf der breiten, sichtbaren Randzone in goldenen Buchstaben aufgemalt;3) davon sind nur mühsam zu entziffernde Buchstabenreste (A2) vorhanden. Fotos des LfD zeigen den Stein zur Zeit der Restaurierung 1937 noch mit einem alles überdeckenden Anstrich, dem auch diese Buchstaben zum Opfer gefallen waren.
Nach Dors, die Querseiten nach Helwich (A1); Autopsie (A2).
Maße: H. 277, B. 137, Bu. ca. 3,5, gemalt 6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
- A1
Anno domini m · ccc / lxxi · pridiea) · ydus · febr(uarii) · o(biit) · reuerendus · in · Chr(ist)ob) · p(ate)r · dominusc) · Gerlac(us)d) de · nass(aw) · quondam · archiep(iscop)us · Mogu(n)tin(us) · cuius / · anima requiescat in pace.
- A2
[...] archiep(iscop)us Magun[tinensis] cui(us) anima req(ui)escat in pa[ce]
Datum: 12. Februar 1371.
Erzbistum Mainz; Nassau. |
Textkritischer Apparat
- Kdm. sinnentstellend verlesen zu jon(?) die.
- Am Stein nach Dors xpo.
- dominis verschrieben bei Dors.
- Joannis Gerlaco.
Anmerkungen
- Vgl. hierzu Beeh, Typus 11-20, der sich nur am Rande mit dem Grabmal Gerlachs befaßt. Die Figuren der Madonna und der beiden Apostel wurden 1928 in der Ausstellung „Religiöse Kunst aus Hessen und Nassau“ in Marburg gezeigt, vgl. Katalog 37f., auch Pinder, Würzburger Plastik 94ff., Fischel 81ff.
- Vgl. Zeichnung Dors.
- Bär/Stoff, Eberbach III 138; auch mitgeteilt im Nachlaß Rossel (HHStAW 1098 II 35): „non sculptus sed pictis literis inscriptio“.
- Vgl. hierzu Fritz Pfeil, Der Kampf Gerlachs von Nassau mit Heinrich von Virneburg um das Erzstift Mainz. Darmstadt 1910; biografische Belege u.a. bei Wilhelm Sante, Gerlach, Graf von Nassau, Erzbischof von Mainz 1346-1371. In: Nass. Lebensbilder I (1940) 33-49; kurz belegt bei Holbach II 544f.
- Fritz Vigener, Kuno von Falkenstein und Erzbischof Gerlach von Mainz in den Jahren 1354-1358. In: Mitteil. d. Oberhess. Geschichtsvereins N.F. 14 (1906), 1-43.
- Vgl. REM II 1, 630-632 über Tod, Begräbnis, Anniversarien; ein Hauptgrund für die Wahl dieses Grabplatzes lag in der erzbischöflichen Residenz im benachbarten Eltville vor dem Hintergrund der politischen Konstellationen; zum erzbischöflichen Sitz vgl. Gerlich, Residenz; zur politischen Situation ders., Nassau, passim.
- Roth, Geschichtsquellen III 16: „anniversarium celebrabitur in choro iuxta sepulturam cantando cum panno sericeo et 4 candelis, ut consuetum est festo s. Valentini martyris“. Das Seelgedächtnis wurde auch in den Klöstern Klarenthal bei Wiesbaden, vgl. Otto, Necrologium Nr. 72, in Klarenfeld bei Diez und im Stift St. Peter und Alexander zu Aschaffenburg begangen, vgl. REM II 1, 631f.
- Eintrag in Diarium Bursae 64f.
- Das Grab des dritten Mainzer Erzbischofs Johannes von Luxemburg-Ligny (Nr. 106f.) im Chor blieb ungeöffnet.
- Hahn, Diss. Eberbach 149-155.
- Frdl. Hinweis Prof. Dr. Dethard v. Winterfeld und Frau Dr. Claudia Meier, Mainz.
- Sie stand auf einem Pergamentzettel, der auf eine Tafel aufgezogen war. Das Täfelchen war an dem Behälter befestigt, der die bei der Leichensektion entnommenen Blasensteine enthielt („Ad istos haec tabula membranacea appensa“), vgl. Einleitung Kap.6.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 147.
- Catalogus fol. 19v; ed. Roth, Geschichtsquellen III 107; IV 110.
- Dors, Genealogia 107f. Nr. 13 m. Abb. 26.
- Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 87.
- Bär, Epitaphiensmlg. fol. 1.
- Würdtwein, Epitaphienbuch 233.
- Joannis, Rer. Mog. I 680.
- Gercken 111.
- Aufhebungsprotokoll 18 Nr. II.
- Roth, Geschichtsquellen III 253.
- Bär/Stoff, Eberbach III 138 Anm. 19.
- Beitr. Gesch. Erzstift 25.
- Roth, Nass. Epitaphienbuch 555 Nr. G.
- REM II 1 Nr. 2796.
- Kdm. 79 Abb. 632.
- Monsees, Bemerkungen 69 u. Abb. 3.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 102(†) (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0010203.
Kommentar
Gerlach von Nassau entstammte der Ehe seines gleichnamigen Vaters, Sohn König Adolfs, mit Landgräfin Agnes von Hessen. Obwohl er nur die niederen Weihen besaß, erhob ihn Papst Klemens VI. am 7. April 1346 zum neuen Mainzer Erzbischof, nachdem er den amtierenden, treu zu König Ludwig dem Bayern stehenden Heinrich von Virneburg für abgesetzt erklärt hatte.4) Allerdings fiel es Gerlach schwer, in den Besitz des Erzbistums zu gelangen, besaß doch Heinrich im Domkapitel und in Kuno von Falkenstein treue Anhänger. Die Lebensgeschichte Gerlachs ist durchzogen von der Auseinandersetzung mit Heinrich von Virneburg und dem Mainzer Domkapitel bis zum Tode Heinrichs am 21. Dezember 1353. Im Ringen zwischen Karl IV. und dem Gegenkönig Günther von Schwarzburg stand Erzbischof Gerlach zu Karl IV., den er unterstützt und gewählt hatte. Durch den mit Kuno von Falkenstein im Jahre 1354 geschlossenen Friedensvertrag besserte sich die Lage im Erzstift merklich.5) In Gerlachs Regierungszeit fällt die Verabschiedung der „Goldenen Bulle“, wobei der Erzbischof eine bedeutsame Rolle spielte und langfristig die Mainzer Position im Reich stärken konnte. Noch kurz vor seinem Tode bestimmte er seinen Neffen Adolf von Nassau zum Koadjutor. Die Beisetzung des am 12. Februar in Aschaffenburg an den Folgen der gewaltsamen Behandlung seines Blasensteinleidens verstorbenen Gerlach erfolgte schon zwei Tage später in der Abteikirche von Eberbach, indem man vielleicht dem Wunsch des Erzbischofs Folge leistete.6) Die Anniversarfeier für den „fautor et promotor fidelissimus“ versprach der Konvent stets am Beisetzungstag „iuxta sepulturam“ zu halten, wie es der Brauch sei.7)
Im Frühjahr 1707 wurde unter Abt Michael Schnock mit der Kirchenrenovierung begonnen, bei der man den unmittelbar „underm chor stehenden“ Altar versetzte. Am 26. September öffnete man die Grabanlage Gerlachs, dessen „noch gantz ordentlich mit kreuzweiß übereinandergeschlagenen händen“ erhaltenes Skelett in „einem von quatersteinen auffgemauertem sarck“ lag.8) Man barg die Knochen in einem Eichenkasten, der wieder eingemauert wurde. In gleicher Weise verfuhren die Mönche mit dem Skelett des Erzbischofs Adolf II. von Nassau.9) Die Gerlach-Grabplatte mauerte man zusammen mit der zunächst vor dem Hochaltar in den Boden versenkten Grabplatte Adolfs II. (Nr. 246) später aufrecht in die verflachte Nische in der Nordwand ein und stellte einen Teil der Baldachinstücke davor, die um ein Sockelstück erhöht wurden.10) Die seitlichen Maßwerkteile wurden entfernt. Die figürliche Darstellung der Platte Gerlachs wird eine knappe Generation vor seinem Tod angesetzt.11)
Nahe bei dem großen Grabmonument („iuxta tumulum“) befand sich eine nicht näher beschriebene, im 18. Jahrhundert bereits verlorene Tafel („tabula“) mit einem langen Grabgedicht (folgende Nr.). Eine weitere, den Blasensteinen beigefügte, verlorene Pergamenttafel enthielt die Angabe der Todesursache des Erzbischofs.12)