Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 97 Lorch, Kath. Pfarrkirche St. Martin 1364

Beschreibung

Grabplatte des Ritters Johannes III. Marschall von Waldeck, heute aufrecht an der Ostwand des „Presberger Schiffes“. Rotsandsteinplatte mit der figürlichen Darstellung des gerüsteten Ritters unter einem mit Fialen versehenen, krabbenbesetzten und in eine Kreuzblume auslaufenden Kielbogen. Die flachreliefierte Standfigur trägt einen engen Waffenrock; die Hände ruhen am Schwertknauf und auf dem Wappenschild, den Kopf bedeckt die offene Spitzhaube, der an einer Kette befestigte Helm liegt über der Schulter. Die Füße stehen auf einem nach oben blickenden Hund. In den oberen Zwickeln und unten auf den Ecken je ein Wappen, das Familienwappen auf dem Panzer. Auf dem Plattenrand umlaufende Grabinschrift (A), am linken oberen Plattenrand sind zweizeilig und gegenläufig sechs Wörter eingehauen (B). Das Denkmal ist bis auf leichte Beschädigungen im Fußbereich gut erhalten.

Maße: H. 272, B. 138, Bu. 7 (A), 2,5 (B) cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel (A), gotische Minuskel (B).

Bender_Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [1/2]

  1. A

    + ANNO · D(OMI)NI · M · CCC · LXIIII / O(BIIT) · IOHANNES · MARSCHALC(VS)a) · MILES · DE · WALDECKE · IP(S)O / DIE · BO[NIF]ACIIb) / E(PISCO)PI CVI(VS)c) A(N)I(M)A · REQ(VI)ESCAT · I(N) PACEd) · AMEN ·

  2. B

    ioh(ann)es · nat(us) · sh(ul)ttis · iac(et) · h(ic)e) · / t[...]e)

Datum: 5. Juni 1364.

Wappen:
Marschall von Waldeck ; Marschall von Waldeck; (Brömser von?) Rüdesheim (silbernes Schildhaupt über Blau); 1) Steinkallenfels; Stump von Waldeck.

Kommentar

Die Majuskel zeigt zum Teil spitz zulaufende, ausgeprägte Bogenschwellungen, die üblichen feinlinigen Abschlußstriche bei E, C, M und deutlich ausgebildete Sporen. Die linke Schriftleiste fällt im Vergleich zur restlichen Inschrift durch den weitgehenden Verzicht auf die halbkugelig eingetieften Worttrenner und die eng aneinander gerückten Wörter auf. Die Inschrift (B) wurde in Minuskelschrift gestaltet und von außen lesbar angebracht.

Der Verstorbene entstammte dem Zweig der auf der Burg Waldeck im Wispertal ansässigen Ganerbengemeinschaft. Die Familie gehörte zu den Lorcher Rittergeschlechtern, die als Mainzer Ministerialen aufgestiegen waren; seit dem Ende des 13. Jahrhunderts hatten die Waldeck von Lorch das Mainzer Marschallamt inne und sind im Rheingauer Vizedominat sowie im Lorcher Schultheißenamt belegt.2) Die Eltern des Verstorbenen waren Johannes II. Marschall (†1353), 1319-52 Schultheiß von Lorch, 1350-52 Viztum, und dessen erste Ehefrau, die aus dem Hause Steinkallenfels stammte.3) Johannes III., der wie sein Vater 1354 das Rheingauer Viztumamt innehatte,4) war verheiratet mit Grede, Tochter Hartmuts d.Ä. von Kronberg. Ihre einzige Tochter wurde 1372 Nonne. Die aufgeführten Wappen zeigen unten links dasjenige der Großmutter aus dem Hause (Brömser?) von Rüdesheim, rechts oben das mütterliche Wappen Steinkallenfels und rechts unten ungewöhnlicherweise das Wappen des Stiefgroßvaters Emmerich bzw. das der Stiefmutter des Verstorbenen, Hebela aus der Linie der Wale von Waldeck. Der in Inschrift (B) genannte Johannes dürfte vielleicht der gleichnamige Sohn aus der zweiten Ehe des Johann II. Marschall mit dieser Hebela sein – und damit der Halbbruder des Verstorbenen –, nämlich Johann I. Sooneck von Waldeck gen. von Lorch (†1404). Dieser war 1368-1402 Schultheiß zu Lorch.5)

Das Denkmal war für Klingelschmitt „eines der frühesten Beispiele für die rolandsmäßige Auffassung der Rittergestalten am Mittelrhein“.6) Im Motiv des breitbeinigen Stehens des Ritters zeigt sich die Waldeck-Platte der 1352 errichteten Deckplatte des Gegenkönigs Günther von Schwarzburg im Frankfurter „Dom“ verwandt.7)

Textkritischer Apparat

  1. Schaum-Benedum 189 schreibt MARSCHALC(U)S.
  2. Struppmann, Schaum-Benedum überliefern nur BO(NIFACII); Fehlstelle durch Beschädigung und spätere Ausbesserung.
  3. Schließt ohne Worttrenner direkt an E(PISCO)PI an.
  4. I(N) eng an PACE angefügt ohne Worttrenner.
  5. Rest zweizeilig; von 2. Zeile nur zwei Buchstaben ausgeführt, dann abgebrochen; Befund nicht eindeutig, Auflösungvorschlag tumulatus.

Anmerkungen

  1. Der geteilte Schild zeigt heute unter dem Schildhaupt keine Wappenfiguren mehr, Farben nach Helwich; die Brömser bzw. die von Rüdesheim führten im geteilten Schild unter dem Schildhaupt 3:2:1 gestellte Lilien.
  2. Möller, Stammtafeln AF I 113; seine Genealogie wurde durch Neufunde modifiziert, vgl. Klötzer, Lehenverzeichnis 29 (Stammtafel).
  3. In zweiter Ehe heiratete dieser Johannes um 1340 Hebela, Tochter des Emmerich Wale von Waldeck, die ihm vier Kinder schenkte und 1401 im Kloster Disibodenberg an der Nahe bestattet wurde, vgl. zu ihrer erhaltenen Grabplatte DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 101.
  4. Vgl. Witte 229 Nr. 31.
  5. Vgl. die Genealogie bei Klötzer, Lehenverzeichnis 29.
  6. Klingelschmitt, Gotische Grabmäler.
  7. Schaum-Benedum 27; vgl. Jessica Jaeckel-Badouin, Die Grabplatte Günthers von Schwarzburg im Frankfurter Domchor. In: AmrhKG 48 (1996) 91-108.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 298.
  2. Würdtweinsche Epitaphiensmlg. H. 10 Bl. 6.
  3. Zaun, Landkapitel 325 Nr. 12.
  4. Roth, Geschichtsquellen III 303.
  5. Kdm. 255 Nr. 1 mit Abb. 633.
  6. Schaum-Benedum 189.
  7. Struppmann, Chronik Lorch 96 mit Abb. 3.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 97 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0009705.