Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 64† Eberbach, Kreuzgang 1346/15.Jh.?

Beschreibung

Gedächtnisinschrift für Prior Ensfrid auf einer in ihrer Gestaltung unbekannten Tafel unweit der Begräbnisstätte im Kreuzgang vor dem Eingang zum Kapitelsaal, eingeleitet mit den Worten: „De eo extant hi versus in tabella parva ante capituli locum“.

Nach Helwich.

  1. Anno domini millesimo ccco xlvio xviio kalendas Aprilis obiitEnffridusa) quippe prior et pater optimus ipse,Qui iuvenum forma fuit atque senum bona norma.Hac iacet in tumba sed regnans sorte iocundab)Enffridusa) gratus, venerabilis, amplificatus,Exemplum vitae, doctrinae formula rite,Strenuus in cultusc) iacet hac tellure sepultusInclitus imbutor Enffridusa) in ordine tutor,Officio dignus, varia virtute benignus,Cuius in hac fossa requiescunt corporis ossa.

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1346, an dem 17. Tag vor den Kalenden des April (16. März) starb Ensfrid, Prior freilich und selbst der beste Vater, der von der Gestalt der Jungen war und die gute Regel der Alten besaß. Er liegt in diesem Grab, doch herrscht er durch ein günstiges Schicksal. Teurer, ehrwürdiger, herrlicher Ensfrid, Beispiel für das Leben, Vorschrift der rechten Lehre, eifrig im Gottesdienst, er liegt in dieser Erde begraben. Der berühmte Lehrer Ensfrid, Bewahrer der Regel, seines Amtes würdig, durch mannigfaltige Tugend gütig. In dieser Grube ruhen die Gebeine seines Körpers.

Versmaß: Neun Hexameter, der erste und dritte unrein, die übrigen zweisilbig rein gereimt.

Kommentar

Zusätzlich zur Grabplatte? (vorherige Nr.) wurde offenbar eine Tafel mit einem ausführlicheren und konkreteren Totenlob versehen. An die knappe Information über Ensfrids Sterbedatum schließt sich der Hinweis auf seine Tugenden, die Bewahrung der rechten Observanz und Regeltreue sowie vielfältige Fähigkeiten als Lehrer an. In der sprachlichen Gestaltung des Totenlobes lassen sich Anklänge an ähnlich gereimte Lobgedichte von (Mainzer) Erzbischofsepitaphien feststellen. So wurde in Eberbach das figürliche Grabdenkmal des Erzbischofs Gerlach I. von Nassau mit einer separaten Inschrifttafel (Nr. 102f.) ergänzt, die gleichfalls mit einem ausführlichen Grabgedicht zum besonderen Lob des Toten versehen war. Daher dürfte das vorliegende Totenlob für Ensfrid ebenfalls zur Ergänzung der Platteninschrift gedient haben und als Rechtfertigung des Begräbnisses des Priors an vornehmem Platz im Kreuzgang statt auf dem Mönchsfriedhof konzipiert gewesen sein. Die grobe zeitliche Einordnung orientiert sich an dem Befund, daß Inschriften mit gereimten Hexametern oder Distichen im Mainzer Bereich und auch darüber hinaus vornehmlich in der Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert verwendet wurden; danach ist gereimte Hexameterdichtung nur noch vereinzelt belegbar.1) Daß sowohl die Tafel für Ensfrid als auch die für Gerlach vorzugsweise in die Nähe der Todesdaten bzw. kurz nach der Entstehung der beiden Grabmäler plaziert wurden, resultiert aus der sprachlichen Schichtung und der Überlegung, daß sie ihre oben beschriebene Funktion nur im engeren zeitlichen Umfeld des Begräbnisses erfüllen konnten.2)

Die Verlesungen bei beiden Denkmälern Enfrids deuten auf Verwendung gotischer Minuskeln hin.

Textkritischer Apparat

  1. Stoff Ensfridus.
  2. Stoff iucunda.
  3. Helwich schrieb sinnentstellend incultus.

Anmerkungen

  1. Frdl. Hinweis Dr. Sebastian Scholz, Mainz; vgl. ausführlich die Ergebnisse der Auswertung von Inschriftenbänden [DI 2 (Mainz), 12 (Heidelberg), 16 (Rhein-Neckar-Kreis), 22 (Enzkreis), 23 (Oppenheim), 29 (Worms), 30 (Calw), 34 (Lkr. Bad Kreuznach), 38 (Lkr. Bergstraße)] im Zusammenhang mit dem 56zeiligen Grabgedicht für Erzbischof Gerlach bei Nr. 103.
  2. Zum nur sporadisch belegbaren konkreten Totenlob seit dem 12. Jh., seinem Aufkommen, seiner möglicherweise typischen Verteilung und zur Erklärung besonderer Umstände ist bisher wenig bekannt.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 175f.
  2. Stoff, Selige 23.
  3. Roth, Geschichtsquellen III 267.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 64† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0006405.