Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 56 Eberbach, Klosterkirche 1341
Neuer Standort: Das Grabplattenfragment befindet sich aktuell im Westflügel des Kreuzgangs. Es ist im dritten Joch von Süden als rechter von zwei Steinen aufgestellt.
Beschreibung
Fragment der Grabplatte des Geistlichen Werner von Hagen, ursprünglich vor dem Katharinenaltar, heute im Boden der mittleren Ostkapelle des nördlichen Querhauses (Plan K Nr. 15). In das leicht eingetiefte Bildfeld ist die Figur des Verstorbenen eingestellt. Da die untere Plattenhälfte fehlt, blieb nur das Brustbild erhalten. Werner von Hagen ist im Meßgewand, den Kelch vor der Brust haltend, mit unbedecktem Haupt und offenen Augen abgebildet. Der fialenflankierte, Krabben tragende Kielbogen mit Kreuzblume umrahmt die Figur. Die Ritzlinien oberhalb der Krabben sollen Mauerwerk darstellen. In den Zwickeln sitzt je ein erhabener Wappenschild. Die Platte aus schwarzgrauem Schiefer ist stark abgetreten mit Verlust der oberen Textzeile. Ein Foto des LfD gibt den erheblich besseren Zustand in den dreißiger Jahren wieder.
Erg. nach Helwich und Foto LfD.
Maße: H. ca. 140-145, B. 134, Bu. 6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel.
[Anno domini m · ccc ·]a) / xlib) · kalendasc) · iunii · o(biit) [dominus Wernerus de Indagine sacerdos deuotus canonicus maioris ecclesiae Maguntinae cuius] anima · requiescat · in · paced) · amene)
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1341, an den Kalenden des Juni (1. Juni) starb Herr Werner von Hagen, demütiger Priester, Kanoniker des Domes zu Mainz, dessen Seele in Frieden ruhe Amen.
Hagen; Erzbistum Mainz (Rest des Rades erkennbar). |
Textkritischer Apparat
- Lesung Foto LfD N 10510.
- Oberer Teil der i-Haste erkennbar sowie die beiden oberen Quadrangel des x; l voll sichtbar. Auszuschließen sind Schmuckmotive wie etwa Rosetten in der oberen Ecke, da die weit auseinanderstehenden Buchstaben dies nicht möglich machen.
- Sic! So auch Helwich statt kalendis.
- Hasten und Brechungen von in und pa erhalten, ebenso untere Quadrangel von c und e; Lesung nach Foto LfD.
- Umrisse des a und die Hasten von m und n schwach erkennbar, Lesung nach Foto LfD.
Anmerkungen
- Vgl. Einleitung Kap.5.4.
- Humbracht Taf. 34, nach ihm auch Hollmann 376. Humbracht schrieb ihm einen 1337 erwähnten Bruder namens Ludwig zu und eine Schwester Jutta ∞ Gerhard von Einenberg.
- Hollmann 375.
- Ebd. 376; eine Differenz zwischen 1. oder 2. Juni ist unerheblich.
- Zu dessen Tumbenplatte vgl. DI 2 (Mainz) Nr. 33, vgl. Einleitung Kap. 5.5. bei Anm. 503.
- Hollmann 376. Ihmzufolge muß Werner bereits vor 1294 Domherr geworden sein.
- Urk.StMz II Nr. 1071 zu 1339 April 6; HHStAW 22/772 zu 1339 Mai 25.
- Roth, Geschichtsquellen III 35.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 167.
- Roth, Geschichtsquellen III 262.
- Foto LfD N 10510.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 56 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0005604.
Kommentar
Dem Fragment kommt aufgrund der Schriftform besondere Bedeutung zu. Es stellt gemeinsam mit dem auf um 1346 zu datierenden Rest einer Grabplatte für einen Wilhelm (Nr. 66) die früheste in gotischer Minuskel ausgeführte Inschrift im Bearbeitungsgebiet dar.1) Die Buchstaben sind mit weiten Abständen voneinander eingehauen. In requiescat findet sich ein rundes s, möglicherweise ein Indiz für die mangelnde Vertrautheit des Steinmetzen mit der neuen Schriftform. Worttrenner sind kleine Quadrangel. Die starke Abtretung der Platte erlaubt jedoch leider keine weitere Aussage zur Schriftgestaltung.
Bei dem Verstorbenen handelt es sich um den Mainzer Domkanoniker und Subkustos Werner von Hagen. Nach Humbracht war er der Sohn des 1305 belegten Edelknechtes Friedrich von Hagen2) aus der edelfreien Familie bei Lebach im Saarland.3) Eine Reihe von Anhaltspunkten bestätigt diese Identifizierung. Gegen Helwichs Wappendarstellung (zwei Balken von sechs 3:2:1 Lilien begleitet) zeigt das Foto des LfD als Familienwappen einen Balken, von Schindeln begleitet, eben das der genannten Hagen zur Motten. Außerdem ist sicher die Figur eines Weltgeistlichen zu erkennen. Die Reste des Todesdatums, heute nur als xli · kalendas iunii zu entziffern, lassen die sichere Zuschreibung an den von Helwich überlieferten Inschriftentext zu und stimmen mit anderen Stiftsunterlagen zum Tode Werners überein.4)
In Form und Ausgestaltung der die Figur umrahmenden Architekturelemente nimmt Werners Grabplatte Motive der Tumbenplatte des Erzbischofs Peter von Aspelt im Mainzer Dom5) auf: die Form des krabbenbesetzten Kielbogens mit den bis an die Inschriftleiste emporreichenden Fialen sowie vor allem die Zone mit dem Maßwerkgesims und dem nachempfundenen Mauerwerk, die an eine Fensterreihe denken lassen.
Der seit 1316 sicher nachgewiesene Domherr6) stellte im Mai 1339 selbst eine Urkunde aus, in der er seine letzten Angelegenheiten ordnete. Darin bekannte er, ein von Eberbach geliehenes Kapital von 150 Pfund für den nach seinem Tode wieder zu verkaufenden Mainzer Hof „Zum Bickenbach“ schuldig geblieben zu sein.7) Zugleich traf er Vorsorge für die Zukunftssicherung seines Dieners Fritzo Sartor. Das Eberbacher Seelbuch nennt den Domkanoniker einen Mann, der dem Kloster zahlreiche Wohltaten erwies, und gibt als Todesdatum die 4. Nonen des Juni, also den 2. Juni, an.8)