Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)

Nr. 23 Eberbach, Kreuzgang 1313?

Hinweis: Die vorliegende Online-Katalognummer ist im Vergleich zum gedruckten Band mit Ergänzungen und Korrekturen versehen. Sie finden diese am Ende des Artikels. [Dorthin springen]

Beschreibung

Grabplattenfragment für Friedrich Bucher von Laurenburg und seine Ehefrau Benigna, deren Grabstätte ursprünglich im Boden des Kreuzgangs lag. Heute ist die Grabplatte im nördlichen Kreuzgangflügel an der Wand angebracht. Rotsandsteinplatte mit den flachreliefierten Figuren des ritterlichen Ehepaares im Bildfeld. Der gerüstete Ritter umfaßt den Knauf des blanken, über die Schulter gelegten Schwertes mit der rechten, die am Gürtel hängende Schwertscheide mit der linken Hand. Der Schild mit dem nicht mehr erkennbaren Familienwappen ist vor den Körper gestellt. Die rechts neben bzw. leicht hinter dem Ritter dargestellte Frau trägt ein langärmeliges Kleid, Schleier und Rise sowie einen über den Schultern liegenden Nuschenmantel. Ihre rechte Hand ruht auf der Brust, während die andere ausgestreckt auf den Ellbogen des Mannes weist. Auf dem Rand umlaufende Inschrift zwischen Linien mit Textbeginn links unten, Grabinschrift für die Ehefrau nicht ausgeführt. Unterer Plattenrand fehlt, Relief abgetreten.

Erg. nach Helwich.

Maße: H. erh. 154, B. 104,5, Bu. 4,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

Forschungsstelle Die Deutschen Inschriften bei der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Foto: TGTempel [1/2]

  1. [ANNO DOMINI M] CCCo · XIIIoa) · VI · ID(VS) · FEBR(VARII) · O(BIIT) · D(OMI)N(V)S FRIDERIC(VS) · MIL/ES · DE · LVRINBVRCHb) · D(I)C(T)VS B/VCHIRc)

Datum: 8. Februar 1313.

Wappen:
Laurenburg (ein Schrägrechtsbalken).

Kommentar

Bei der Grabplatte ergeben sich Unstimmigkeiten zwischen dem in der Grabschrift angegebenen Todesdatum, der urkundlichen Überlieferung und der Rüstungsform. Dem inschriftlich fixierten Sterbedatum zufolge handelt es sich bei dem Verstorbenen um Friedrich Bucher von Laurenburg, Sohn des 1273 belegten Ritters Heinrich Bucher.1) Friedrich verheiratete sich mit der bis 1331 urkundlich belegten Benigna, Schwester Heinrichs von Montabaur, wobei das von Gensicke ermittelte Heiratsdatum mit einem Termin vor dem 7. August 1314 dem frühen Tod des Friedrich Bucher widerspricht.2) Dem Ehepaar werden nämlich acht Kinder zugeschrieben, von denen 1331 drei Söhne als unmündig bezeichnet wurden.3) Da die Mündigkeit4) frühestens mit 14 Jahren anzusetzen ist, erscheinen der genannte Urkundenbefund oder das Heiratsdatum bzw. die Zuschreibung der Kinder an diesen Friedrich Bucher von Laurenburg zweifelhaft.

Die auf der Grabplatte sichtbare Rüstung – vor allem der Helm – wurde in der Forschung als Indiz für eine spätere Entstehung der Platte gesehen5), doch lassen sich Details infolge ihrer Oberflächenabtretung nur bedingt ausmachen. Soweit erkennbar, besteht die Rüstung aus einer im Scheitel spitz zulaufenden Beckenhaube mit kragenartiger, auf die Schultern fallender Helmbrünne, (nicht mehr unterscheidbar) Brustpanzer, Kettenhemd(?) und gegürtetem Waffenrock. Die Form der Handschuhe ist nicht mehr zu erkennen. Die Scheitelspitze des Helmes ließe zwar auf ein offenes Klappvisier schließen, wie es seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts in Gebrauch kam,6) doch ist angesichts des Plattenzustandes dererlei Hypothesen gegenüber Vorsicht anzuraten. Die Tracht der Ehefrau bietet keine Auffälligkeiten. Gegen eine Spätdatierung spricht auch das flache Relief ohne eine architektonische Rahmung. Auch die Vermutung eines Steinmetzfehlers bei der Übertragung des Sterbedatums – also XIII statt einer anderen Zehnerkombination (etwa XXII, XXIII oder XLII) – bleibt hypothetisch. Beim Schriftbefund ist die Majuskel zwar für die hier vorgeschlagene Datierung ungewöhnlich schlank,7) doch ließe sich ihre schmale Form mit den Platzverhältnissen für die – später dann unterbliebene – Ausführung der Grabinschrift für die Ehefrau erklären.

Textkritischer Apparat

  1. XXX bei Würdtwein.
  2. Bär, Würdtwein Lurinburg.
  3. Fehlt bei Helwich; Bär und Würdtwein Bughir.

Anmerkungen

  1. Gensicke, Laurenburg 137 Nr. 5.
  2. Ebd. mit Anm. 32. Der dort in der Anm. zit. Literaturverweis auf Struck, Quellen Klöster I Nr. 1959 erweist sich als nicht nachprüfbar, da die zit. Stelle dort fehlt.
  3. Gensicke, Laurenburg 138 Nrr. 12-14, vgl. auch Struck, Quellen Klöster II Nr. 45 zu 1331 Februar 28.
  4. In der Regel war die volle Geschäftsfähigkeit mit dem Erreichen der Pubertät, also mit ca. 14 Jahren verbunden, während die Volljährigkeit von den Volksrechten an mit 10 oder 12 bzw. seit spätmittelalterlicher Zeit mit 18 Jahren anzusetzen ist, vgl. Lexikon des Mittelalters I Sp. 471; Belegbeispiele zur Minderjährigkeit bei Spieß, Familie, s. Register; ebd. 466f. auch zur Entlassung des Sohnes aus der Gewalt des Vaters.
  5. Böhme, Siegfried v. Oberstein 56 mit Anm. 35. Er schreibt den Stein einem „bislang nicht bezeugten Angehörigen der Familie von Laurenburg“ mit dem wesentlich zu späten Zeitansatz von 1413 als Todesjahr zu (dagegen Monsees, Grabdenkmäler 120 m. Anm. 42a). Er weist eine ganze Reihe mittelrheinischer Rittergrabmäler aus dem Umkreis der Lebensdaten des Siegfried von Oberstein (†1413) nach, die den gleichen oder einen ähnlichen Rüstungstyp tragen. Für den Bereich des Landkreises Bad Kreuznach läßt sich der früheste Stein mit der Abbildung einer spitz zulaufenden Beckenhaube mit Klappvisier 1358 auf dem Disibodenberg nachweisen, vgl. DI 34 (Lkr. Bad Kreuznach) Nr. 42, während am Mittelrhein der früheste Beleg mit dem Grabmal des Johann von Katzenelnbogen (Nr. 86) von 1357 in Eberbach angegeben wird, vgl. Rady 28 mit Bildtafel II/34.
  6. Bildwörterbuch Kleidung 27.
  7. Zur Proportion als Datierungsmerkmal vgl. Kloos, Einführung 131f. und Bauer, Mainzer Epigraphik 38 mit der Annahme einer späteren Entstehung schlanker Majuskeln. Allerdings dürfen solche Befunde nicht generalisiert werden, sondern sind stets an der Beschaffenheit regional unterschiedlicher Bestände zu messen, vgl. auch die Überlegungen in DI 29 (Worms) LXI.

Nachweise

  1. Helwich, Syntagma 183.
  2. Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 86.
  3. Bär, Epitaphiensmlg. fol. 2v.
  4. Würdtwein, Epitaphienbuch 240.
  5. Roth, Geschichtsquellen III 272.
  6. Beitr. Gesch. Erzstift 28.
  7. Monsees, Grabdenkmäler 120 m. Abb. 5.
Addenda & Corrigenda (Stand: 01. Juni 2021):

Hinweis: Die Datierung lässt sich von 1313 zu 1330 verbessern.
Alle Indizien und Überlegungen zusammengenommen, wird man doch für eine Spätdatierung plädieren müssen, etwa zu 1330 bis 1360. Damit ließen sich die Widersprüche von schlanker Schrift und Rüstung zur vorhandenen Datierung lösen, einen Schreibfehler oder ein in langem Abstand zum Todesjahr entstandenes Denkmal voraussetzend. Man käme damit der Würdtweinschen Lesung des Todesjahres zu 1330, was eigentlich zu „nach 1330“ zu verstehen sein kann, näher und auch Überlegungen zur Entwicklung der Rüstung bei Böhme, Siegfried von Oberstein. Monsees, Grabmäler in Kloster Eberbach (2009), Nr. 84 bringt einen 1334 noch lebenden Friedrich Bucher von Steinsberg ins Spiel, dessen Witwe Agnes 1341 ihren Besitz an Eberbach übertrug, doch bot sich bisher keine überzeugende Lösung an.

Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 23 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0002309.