Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 21 Eberbach, Klosterkirche 1311
Aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt befindet sich die Platte neuerdings in einem Steinbett im Lapidarium; sie ist noch nicht befestigt, damit eventuelle Neufunde eingesetzt werden können. Es ist noch eine abschließende Prüfung notwendig!
Beschreibung
Fragmentstücke der zerstörten, dem Grafen Eberhard I. von Katzenelnbogen zuzuschreibenden Grabplatte, deren Inschrift bislang nur kopial überliefert worden war. Von der ursprünglich im Boden1) der Chorkapelle St. Stephan2) liegenden Gelbsandsteinplatte wurden 1987 zwölf Bruchstücke in der ehem. Sakristei aufgefunden und in der Klosterscheune geborgen, 1994 waren diese bis auf zwei Fragmente unauffindbar. Beschriftet sind sieben Stücke, davon drei Eckstücke (rechts oben, rechts unten, links unten); drei zeigen den Unterarm und die auf zwei Löwen stehenden Füße des Verstorbenen in Ritzzeichnung. Umschrift auf dem Rand zwischen sehr breiten, flachen Streifen, einst ebenso wie die Figur mit Metall oder einer Paste ausgefüllt. Möglicherweise ein Wappen.3)
Erg. nach Anonymus.
Maße: Bruchstücke H. 16,5-47, B. 19-48, Bu. 5,3-6 cm.
Schriftart(en): Gotische Majuskel.
[+ POST Ma) ... POSTb) BARTHOLOMEIPERSOLVIT COMES Ec) FATALI / DE]BITA · LE[GIQVI MONITISd) REXIT REGES] / CELANDAQ(VE)e) T[EXITATTI]GI/T · [HAS MET]AS A[D QV]AS · O(MN)IS VOL[AT AETASREQUIESCAT IN PACEf)]
Übersetzung:
Nach [....] Bartholomäus entrichtete Graf Eberhard nach des Schicksals Los seine Schuld, der mit seinem Rat Könige lenkte und verbarg, was zu verbergen war. Er erreichte die Ziele, denen jedes Alter zustrebt. Er ruhe in Frieden.
Versmaß: Vier Hexameter, davon zwei leoninisch zweisilbig rein.
Katzenelnbogen.3) |
Textkritischer Apparat
- Hierzu liegen unterschiedliche Überlieferungen vor: Helwich Post ... Post ... P X I Bartholomei; Eberbacher Anonymus Post ... m ... Bartholomei; danach Rossel mit der metrisch unmöglichen Ergänzung post mille ter centum et undecimo Bartholomei; Bär Post m P(...) t(...) ... p(ost) xi Bartholomei; Demandt ebenfalls unter Nichtbeachtung des Metrums mit der sinnentstellenden Version Post M [CCCXI] p(ridie) s(anct)i Bartholomei. Post mille ter c undecimo post Bartholomei enthält zwar ungewöhnliche Formularteile, berücksichtigt aber im Hexameter von älteren Gewährsleuten gelesene Schriftreste, lt. frdl. Hinweis von Dr. Rüdiger Fuchs.
- So Helwich.
- Rossel ergänzt E(berhardus) gegen Winkelmann, Wenck falsch Phi(lippus). Am Stein stand lediglich der Anfangsbuchstabe.
- Falsch überliefert MORTIS bei Winkelmann, ebenso fehlerhaft abgedruckt bei Wenck und Roth.
- D durch Beschädigung kaum erkennbar.
- Durch das Platz-Text-Verhältnis dürfte die Fürbitte, möglicherweise auf R · I · P · reduziert, in der zweiten Zeile gestanden haben.
Anmerkungen
- Winkelmann 115.
- Helwich „ante Altare S. Stephani prothomartyris“.
- Es ist als wahrscheinlich anzunehmen, daß alle Katzenelnbogener Grabplatten mit dem Familienwappen versehen waren: Helwich und Bär bringen in diesen Fällen nur einmal das Familienwappen, das offensichtlich für alle Einträge der Grabinschriften einer Familie galt, vgl. Einleitung Kap. 3.
- Die Fragmentstücke lassen als Rüstung einen Ringelpanzer annehmen, wobei das fehlende Beinzeug die Datierung unterstützt, vgl. Bildwörterbuch Kleidung 28.
- Vgl. auch die Zuschreibung Karl Rossels, Eberhard I. 306-320, hier 315. Er wies allerdings mit Recht die Lesungen Winkelmanns zurück, die Wenck wiedergab. Zu der Auffassung Demandts vgl. Reg. Katz. I Nr. 519.
- Frdl. Hinweis von Dr. Sebastian Scholz.
- Frdl. Hinweis von Dr. Rüdiger Fuchs.
- Die Grabinschrift ist noch in der Kompilation aus der Säkularisationszeit aufgeführt, vgl. HHStAW 22/553, 126. Die Tumbendeckplatte wurde 1806 aus der, wie Rossel sie nannte, „verödeten Klosterkirche“ zur Mosburg nach Biebrich abtransportiert, vgl. Rossel, Eberhard I. 312f.
- Ebd. 315.
- Fischel 67-68. Spätere Entstehung des Denkmals auch in Zisterzienser, Ordensleben 520-522; Suckale 103-105, 225f.
- Jüngst in ähnlicher Weise Frau Dr. Verena Kessel-Zander, Bonn, der ich für fruchtbare Diskussionen danke.
- Suckale 103-105. Er geht von der Anlage einer prunkvollen Tumba über der einfachen Ritzgrabplatte aus, ohne jedoch die Fragmentstücke zu kennen.
- Suckale 105.
- Demandt, Anfänge passim auch zum folgenden.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 154.
- Winkelmann, Hess. Chronic I 115 Nr. XV.
- Anonymus ed. Roth, Geschichtsquellen III 78.
- Bär, Epitaphiensmlg. fol. 1.
- Würdtwein, Epitaphienbuch 233.
- Wenck, Hess. Landesgesch. I UB, Grabschriften 277 Nr. XXVI.
- HHStAW 22/553, 126.
- Aufhebungsprotokoll 21 Nr. XVIII.
- Rossel, Eberhard I. 314.
- Roth, Geschichtsquellen III 255.
- Beitr. Gesch. Erzstift 26.
- Reg. Katz. I Nr. 519.
- Zisterzienser, Ordensleben 520.
- Suckale 225.
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 21 (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0002103.
Kommentar
Den Fundstücken kommt besondere Bedeutung zu, sind sie doch die einzigen Anhaltspunkte für die Ausgestaltung der völlig unbekannten Grabplatte des Grafen, dem bisher stets die inschriftlose, reliefierte Tumbenplatte an der westlichen Nordquerhauswand als einziges Grabdenkmal zugeschrieben wurde. Die Grabplatte läßt sich wie folgt rekonstruieren: Die in ihren Ausmaßen lange (2-2,50 m), aber schmale (ca. 1 m) Platte trug das leicht eingetiefte, ganzfigurige Abbild des gerüsteten Ritters. Seine in Panzerstrümpfen4) steckenden Füße ruhten auf zwei in Ritzzeichnung wiedergegebenen, einander zugewandten Symboltieren, wohl Löwen. Möglicherweise hielt er seinen Schild vor den Körper. Besondere Beachtung verdient die auf dem Rand zwischen breiten, flach ausgehauenen Streifenlinien umlaufende Inschrift, stellt sie doch das einzige Beispiel für eine Ausfüllung der Buchstaben mit Paste oder Metall zu Anfang des 14. Jahrhunderts im Bearbeitungsgebiet dar. Selbst die wenigen Bruchstücke vermögen einen Eindruck von den Buchstabenformen zu geben. Sie sind scharfkantig, breitflächig und trogartig ausgehauen, die Bögen werden durch parallele Linien betont, die in dreiecksförmig breit auslaufende Buchstabenenden einmünden, Bogenschwellungen fehlen also. Das A zeigt einen an der rechten Haste ansetzenden, links überstehenden Deckbalken und eine gebogene, unten leicht eingerollte linke Haste mit starker Schwellung. Das C ist nicht geschlossen, wohl aber das E. Das S besitzt durchgehend eine starke Schwellung des Mittelteils und breit auslaufende Enden mit Spitzen. Worttrenner sind kreisrunde Punkte.
Aus drei erhaltenen Eckstücken läßt sich das Verhältnis von Textlänge, -anbringung und Platz annähernd rekonstruieren. An der rechten oberen Ecke ist eine horizontale Linie in Höhe des Wortes [DE]BITA vorhanden, so daß der vorhergehende Text auf der oberen Querleiste gestanden haben muß. Die erste Textzeile5) mit der Angabe des Todestages läßt sich nicht mehr rekonstruieren. Allein das Wort BARTHOLOMEI paßt ins Metrum des Hexameters,6) wobei die Helwich-Überlieferung mit dem doppelten POST für das Versmaß zu lang wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der Text stark gekürzt. Dies bestätigt sich im Vergleich zu der gut rekonstruierbaren unteren Querleiste, auf der drei Worte zu 20 Buchstaben standen. Die rechte Längsleiste ist bis auf das obere Stück und die untere Ecke verloren, wobei man noch den unteren Bogen des G von REGES erkennen kann. CELANDAQVE steht auf der unteren Leiste, deren Text bei ATTIGIT wiederum auf die linke Längsseite umbricht, so daß das Schluß-T mit Worttrenner zu ihr gehört. Da die rechte Längsleiste 30 Buchstaben aufwies, ist etwa dieselbe Anzahl auch auf der gegenüberliegenden Seite zugrundezulegen. So dürfte der gesamte Text bis AETAS dort mühelos Platz gefunden haben. Was die von allen Gewährsmännern überlieferte Schlußformel angeht, so wird auch sie nur in stark gekürzter Version, vielleicht gar in einer zweiten Zeile eingehauen worden sein, wenngleich eine solche zweizeilige Lösung in dieser Zeit bei figürlichen Denkmälern recht selten war.7)
Sowohl die auffallende, qualitätvoll gestaltete Grabplatte als auch die Gesamtanlage wurden zwischen 1803 und 1806 zerstört.8) Eine Verknüpfung des Grabgedichts mit dem inschriftlosen, seit 1936/37 an der Westwand des Nordquerhauses der Kirche angebrachten Tumbendeckel mit der ganzfigurigen Darstellung des barhäuptigen, gerüsteten Ritters (Plan K Nr. 8) erfolgte 1860 durch Rossel9) und hielt sich bis heute, wenngleich Fischel diese Zuschreibung mit dem Hinweis auf andere inschriftlose katzenelnbogische Denkmäler, denen man den Inschrifttext zuordnen könne, bereits angezweifelt hatte.10) Sie datierte die Tumbenplatte nicht vor 1325-3011), ebenso jüngst Suckale.12) Man kann mit ihm mutmaßen, daß zunächst die schlichtere Grabplatte die Grabstelle deckte. In den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts wäre sie dann mit der Anfertigung der prächtigen Tumbendeckplatte zu einer Gesamtanlage vervollkommnet worden.
Eberhard I. von Katzenelnbogen war der erste aus dem Grafenhaus, der sich in Eberbach bestatten ließ. Eine solch aufwendige Grabmalanlage läßt sich gut vereinbaren mit der reichspolitischen Bedeutung des Grafen und der Intention der Eberbacher Zisterzienser, eine dynastische Grablege in ihrem Kloster zu errichten, ähnlich wie dies die Zisterzen Altenberg bei Köln und Marienstatt im Westerwald mit den Grafen von Sayn taten.13)
Eberhard I. von Katzenelnbogen, nach Demandt „einer der letzten großen Vertreter der Reichsinteressen am Rhein“14), entstammte der Ehe Graf Diethers IV. mit einer Hildegunde und war Onkel des Grafen Adolf von Nassau, des Nachfolgers Rudolfs von Habsburg auf dem deutschen Königsthron. Neben dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg war Eberhard von Katzenelnbogen der engste Berater des Königs und spielte in dieser Funktion über vierzig Jahre lang die reichspolitisch bedeutsamste Rolle am Rhein im 13. Jahrhundert. Nach Rudolfs Tod unterstützte er seinen Neffen Adolf von Nassau tatkräftig. Trotz seiner Gefangenschaft nach der Schlacht bei Göllheim beließ ihn Albrecht von Habsburg infolge seines reichspolitischen Gewichtes in allen Funktionen.