Inschriftenkatalog: Rheingau-Taunus Kreis
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 43: Rheingau-Taunus-Kreis (1997)
Nr. 7† Eberbach, Klosterkirche 1186/modern
Beschreibung
Inschrifttafel mit Weiheinschrift, Replik1) älterer Vorgänger, ursprünglicher Inschriftenträger verloren. Die fast quadratische, schmucklose Rotsandsteintafel mit zehnzeiliger Inschrift ist seit 1834 an alter Stelle in die Nordwand des Chores in die Wand eingelassen.
Nach Helwich.
Maße: H. 88,5, B. 86, Bu. 3,5-4 cm.
Schriftart(en): Majuskel, heute pseudogotische Majuskel.
ANNO DOMINICAE INCARNATIONIS M C LXXXVI X KALENDAS IVNII DEDICATVM EST HOC TEMPLVM AUCTORE DEO IN HONOREM SANCTAE DEI GENITRICIS SEMPERQVE VIRGINIS MARIAE, SANCTIQVE IOANNIS BAPTISTAE A VENERABILI DOMINO, DOMINO CONRADO MOGVNTINAE SEDIS ARCHIEPISCOPO COOPERANTIBVS EPISCOPIS VENERABILIBVS DOMINO CONRADO WORMATIENSI DOMINO HENRICO ARGENTINENSI DOMINO HERMANNO MONASTERIENSI SVB DOMINO ABBATE ARNOLDO II.a)
Übersetzung:
Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1186, am 10. Tag vor den Kalenden des Juni (23. Mai) ist diese Kirche auf Gottes Geheiß eingeweiht worden zu Ehren der heiligen Gottesmutter und immerwährenden Jungfrau Maria und des heiligen Johannes des Täufers von dem ehrwürdigen Herrn, Herrn Konrad, des Mainzer Stuhles Erzbischof, unter Mitwirkung der ehrwürdigen Bischöfe Herrn Konrad von Worms, Herrn Heinrich von Straßburg und Herrn Hermann von Münster, unter dem zweiten Abt Herrn Arnold.
Textkritischer Apparat
- Hierauf folgt auf der Tafel ein Kreuz, fehlt bei Helwich. Danach unter einem feinen Begrenzungsstrich kaum lesbar mit AB ANTIQ(A) FORMINE der Hinweis, daß es sich um eine Kopie handelt.
Anmerkungen
- Der Text der heute vorhandenen Kopie lautet A(NN)o · D(OMI)N(I)CE · INCARN(ATIONIS) · Mo · Co · LXXXVIo · / Xo · KAL(ENDAS) · JVNII DEDICAT(VM) · E(ST) · HOC TEMPLVM / AVCT(ORE) · DEO I(N) · HON(OREM) · S(ANCTI) · DEI GEN(I)TR(ICIS) · SEMP(ER)Q(VE) · / VIRG(INIS) · MARIAE S(AN)C(T)IQ(VE) · JOH(ANNI)S · BAPTISTE / A VENERABILI · D(OMI)NO · D(OMI)NO · CONRADO / MOGVNT(INAE) · SED(IS) · ARCHIEP(ISCOP)O · COOP(ER)ANTIB(VS) · / EP(ISCOP)IS . VEN(ER)ABILIB(VS) · D(OMI)NO · CONRADO WORM(ATIENSI) · / D(OMI)NO · HENRICO ARGENTINEN(SI) · D(OMI)NO · / HERMANNO MONASTERIENSI / + SVB D(OMI)NO · ABBATE ARNOLDO II ·. Vgl. auch Sattler, Sanierung 268.
- Vgl. die kirchenrechtliche Vorgabe bei Hinschius, Kirchenrecht IV 399 mit Anm. 7.
- Bär, Eberbach I 355.
- Reg. Katz. I Nr. 49 Anm. 1; Demandt, Anfänge, vor allem 28-31.
- Helwich 146.
- Catalogus fol. 8r-69v, hier fol. 13v.
- Meyer zu Ermgassen 57 mit Anm. 125.
- Ebd. Anm. 127.
- Bär, Eberbach I 356.
- Zur Wortbedeutung „tabula“ als Gemälde vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 11 (= Tb Bd. 21), Sp. 16 und 17, 8 c.
- Bär, Eberbach I 356.
- Vielleicht waren beide Inschriftenträger auch identisch, vgl. hierzu Meyer zu Ermgassen 56-58. Doch finden sich bedingt durch die Erhaltungssituation eher Ausführungen von Weiheinschriften auf Steintäfelchen denn als Wand- oder Tafelmalereien, ein seltenes Beispiel DI 25 (Ludwigsburg) Nr. 6 zu nach 1260; zu Steintafeln vgl. oben Nr. 5 zu 1178 u. Funken, Bauinschriften.
- Vergleicht man nun die Abzeichnung Rossels von 1862, die Publikation von Paul Smets von 1943, die sich auf Rossel stützen dürfte, und die heute an der Chornordwand angebrachte, mittlerweile bereits erneut durch Salzausblühungen und Feuchtigkeit beschädigte Steintafel, so finden sich im Einzelbefund Abweichungen in der Buchstabengestaltung. Die heutige Tafel dürfte in den 50er Jahren entstanden sein, vgl. Foto LfD 1838.
- Notae Eberbacenses ed. MGH SS XVI 14: „Anno domini incarnationis 1186, 10 kalendas Maii dedicatum fuit monasterium Eberbacense auctore Deo in honore sancte Dei genitricis semperque virginis Marie sanctique Iohannis baptiste a venerabili domno Cuonrado Moguntine sedis archiepiscopo, cooperantibus episcopis venerabilibus domno Cuonrado Wormaciensi, domno Heinrico Argentinense, domno Hermanno Monasteriense sub domno abbate Arnoldo“, vgl. auch REM II 71 Nr. 169. Im übrigen weist diese Version auch die ältere Namensform für Conrad auf. British Museum Ms. Arundel 501 fol. 14 hat „10. kal. iunii“, frdl. Hinweis Prof. Nigel F. Palmer, Oxford.
- Bär, Eberbach I 357; ebd. I 127-140; erweiterter Abtskatalog ebd. I 141-146.
- Stoff, Eberhard 269; vgl. zu Stoffs Schreibfehlerhypothese Meyer zu Ermgassen, passim.
Nachweise
- Helwich, Syntagma 146.
- Catalogus fol. 13v; ed. Roth, Geschichtsquellen III 102.
- Severus, Mog. eccl. 61.
- Bär, Eberbach I 356-357 Anm. 4.
- Lotz (1880) 86.
- Böhmer/Will II 71.
- Rossel, Kirche 5.
- Roth, Geschichtsquellen IV 106.
- Stoff, Eberhard 268 Anm. 2.
- Kraus, Christl. Inschriften II Nr. 273.
- Smets, Eberbach 10.
- Meyer zu Ermgassen, Untersuchungen 57.
- Sattler, Sanierung 268f. (Kopie).
Zitierhinweis:
DI 43, Rheingau-Taunus-Kreis, Nr. 7† (Yvonne Monsees), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di043mz05k0000707.
Kommentar
Die Inschrift dokumentiert die feierliche Schlußweihe der Klosterkirche, mit der zugleich die Konsekration des Hochaltars verbunden war,2) wenngleich in der Inschrift darüber nichts gesagt ist. Die Weihe wurde auf Bitten des Abtes Arnold durch den Eberbach fördernden Mainzer Erzbischof Konrad I. von Wittelsbach-Scheyern während dessen zweiten Pontifikats (1183-1200) vorgenommen. Bei den umfangreichen Weihehandlungen assistierten dem Erzbischof die Bischöfe von Worms, Straßburg und Münster,3) wodurch sich mit Bischof Hermann von Münster aus dem Hause Katzenelnbogen nach Demandt erstmalig Kontakte zwischen Eberbach und den Grafen von Katzenelnbogen4) ergaben. Der Text der Weiheinschrift ist mehrfach überliefert. Helwich, dessen Abschrift 1612 angefertigt wurde, sah als Inschriftenträger eine Tafel „quae in choro a sinistris dependet ex alto“.5) Fast zeitgleich mit Helwich wurde die Inschrift von dem Eberbacher Subprior Johann Schöffer abgeschrieben und in den bis 1618 entstandenen „Catalogus abbatum“6) eingearbeitet. Bei seinem Umgang in der Kirche hatte Schöffer eine andere Blickrichtung als Helwich, denn er schaute in das Kirchenschiff von Osten nach Westen hinein und gab so den Anbringungsort der Tafel mit der rechten Seite („a dextra“) an.7) Beiden Gewährsmännern zufolge ist davon auszugehen, daß die Tafel an der Chornordwand in Höhe des Hochaltars angebracht war, mithin sich ihre heutige Nachfolgerin ungefähr am Originalstandort befindet. Zur Zeit des Paters Schöffer war die Tafel bereits „durch Alter ausgelöscht und durch Morschheit zerfressen“8), d.h. sie wurde in diesen Jahren erneuert. Diese renovierte Fassung habe noch „kurz vor dem Schwedischen Einfalle an ihrem Orte“ neben dem Hochaltar gehangen,9) schlußfolgerte Pater Bär aus unbekannter Quelle, so daß ihr Verlust bereits im Zuge der Plünderungen des Klosters durch die Schweden um 1631 wahrscheinlich ist. In der Frage nach dem Material der Inschrifttafel mag man durch das Wort „tabula“10) sowie durch die Bärsche Aussage, man habe die Tafel neben dem Hochaltar aufgehängt, versucht sein, als Material des Inschriftenträgers Holz oder Holz mit Pergament anzunehmen. Ebenso käme auch das von Bär beschriebene, ihm offensichtlich bekannte „groteske Gemälde“ in Betracht,11) das die Inschrift als Titulus getragen haben mag.12)
Die Frage nach der Vorlage für die Steintafel, die der um Eberbach sehr bemühte Archivar Friedrich Gustav Habel 1834 anfertigen ließ, läßt sich nicht befriedigend beantworten. Sie wurde bei der Herrichtung des Kirchenchors als Simultankirche an der Chornordwand befestigt, wobei auf der Platte vermerkt wurde, daß es sich um ein originalgetreues Abbild handelte. 1862 publizierte Rossel die Tafel in Abzeichnung.13) Zumindest rekurriert deren nachempfundene, pseudogotische Majuskel auf das Alter der Inschrift selbst und man versuchte Vorbilder des 12. Jahrhunderts auch bei der heute vorhandenen Tafel durch die Verwendung von litterae insertae und zahlreichen Ligaturen nachzuahmen. Es bleibt bei der Betrachtung der Weihetafel stets zu bedenken, daß wir es mit einer letztlich doch unsicheren Überlieferungslage zu tun haben und der Text der Weiheinschrift lediglich in der Übertragung des 17. Jahrhunderts bekannt ist. Eine im Spätmittelalter fixierte Weihenotiz14) gibt einen fast identischen Text, ohne sich freilich auf eine inschriftliche Fassung zu beziehen; so erweckt die in dieser Textversion fehlende, in der inschriftlichen Überlieferung jedoch vorhandene Verdopplung von DO- MINO vor dem Namen des Erzbischofs Konrad den Eindruck, als seien dort im Laufe der Textreproduktionen spätere Formulargewohnheiten eingeflossen. Die dem Abt Arnold beigefügte Ordnungszahl secundus gab in der Forschung zu vielfältigen Spekulationen Anlaß. Aufgrund seiner neuberechneten Abtszählung mutmaßte Bär den Verfasser der Inschrift in der Zeit „des allgemeinen Irrthums über die Zahl und Reihenfolge der Aebte zu Eberbach“, die er in das 14. Jahrhundert datiert:15) Stoff kam jedoch zu dem Schluß, daß Arnold tatsächlich – wie die älteren Abtskataloge ihn stets nennen – der zweite Eberbacher Abt nach Ruthard gewesen sei.16) Als zweiter Abt wird Arnold auch auf der von Helwich überlieferten, nach 1803 verlorenen Gedenktafel über dem Wandnischengrab der ersten Äbte (Nr. 8) genannt, und zwar im Einklang mit der alten Eberbacher Tradition, so daß kein Anlaß besteht, den gesamten vorliegenden Text und seine inschriftliche Erstfassung deshalb einer späteren Zeit zuzuweisen.